Film
Auf der Suche nach dem Gedächtnis - Ein Film von Petra Seeger über den Hirnforscher und Nobelpreisträger Eric Kandel

Auf der Suche nach dem Gedächtnis - Ein Film von Petra Seeger über den Hirnforscher und Nobelpreisträger Eric Kandel.
Er war noch ein Kind als er und seine Familie vor den Nationalsozialisten und deren Rassenwahn fliehen mussten. Von Wien nach New York. Soweit ist dies kein Einzelschicksal, es betraf tausende von Familien und all jene, die dem Terror und der Shoah entgehen konnten. Die Familie Kandel schaffte es 1938: Die Großeltern, Eltern und Kinder, alle in die Vereinigten Staaten.
Eric Kandel geht nach der Schule zum Studium an die New York University und dann an die Harvard Medical School, arbeitet als Arzt, Physiologe, Psychologe, Neurobiologe und wird schließlich als Professor an die Columbia University in New York berufen. Und er forscht, leidenschaftlich. Die Krönung ist der Nobelpreis, der ihm im Jahr 2000 in Stockholm für Medizin verliehen wird.

Galerie - Bitte Bild klicken
Soweit ein sehr beachtlicher Lebenslauf. Lernt man dann aber in den 95 Minuten des Films auch die Person näher kennen, ist man erst recht beeindruckt. Petra Seeger hat mit diesem wundervollen Film eine Besonderheit geschaffen: Einfühlsam, humorvoll, intelligent, schlagfertig, liebenswert, nachdenklich und scharfsinnig sind die Adjektive, die in uns oszillieren. Die Regisseurin reist - mit Eric Kandel, mit seiner Familie, in die Vergangenheit, entlang von Forschungsergebnissen und wir reisen die ganze Zeit mit. Und diese Reise machen wir als Zuschauer sehr gerne mit. Unweigerlich erliegen wir dem Charme, dem Charisma von Kandel, seinem Lachen und der spürbaren Lebensfreude. Selbst in die Augenblicke der jüdischen Identitätswahrnehmung gewähren uns Kandel und Seeger einen kleinen Einblick.

Als ob wir entlang eines roten Fadens reisen, zu den inneren und äußeren Orten Eric Kandels; mit in die Erinnerungen des Forschers und somit gleichzeitig zu seinem Lebensthema: Lernen und Erinnern. Er ist offen und verblüffend ehrlich. Er erinnert seine Kindheit in Wien, die Ausgrenzungen und den Hass, die Ankunft in New York, den entscheidenden Wendepunkt in seinem Leben, die Arbeit und den Forschungsalltag, seine Hochzeit und die Ehekrise, weil er aus dem Labor nicht mehr herauskommt. Wir reisen mit ihm, seiner Frau Denise, den Kindern und Enkeln nach Frankreich und Österreich, begleiten Eric Kandel zu Vorträgen und Buchlesungen und können nicht mehr von ihm lassen!

Wir begreifen, dass nichts konstanter ist als die Veränderung – das gilt insbesondere für unser Gehirn, denn wir können unser Denken, unser Lernen und unser Gedächtnis mitbestimmen, es trainieren.

Dass biographische Begebenheiten Einfluss auf das ganze Leben haben, wird an einer Stelle des Films ganz besonders deutlich: Eric Kandel spricht von seiner Motivation Hirnforscher zu werden und begründet dieses mit einer Frage, die er seinem Schullehrer stellte, wie es möglich ist, dass Menschen, die Goethe, Schiller und Heine lesen, die Beethoven, Haydn und Mozart lauschen im nächsten Moment Millionen von Menschen töten können. Die Antwort seines Lehrers ist: „Ich weiß es nicht, aber das musst Du herausfinden. Man muss Zelle für Zelle erforschen.“

(Trailer ca. 1:20 Min.)

 

Petra Seeger schreibt über die Botschaft des Films, dass dieser für sie und für Kandel eine „Heilung“ war. Dies sei sozusagen der Subtext von Kandels Lebensweg. Der Film hat eine überaus positive Botschaft: Unser Gehirn ist formbar und stark abhängig von Gefühlen und Erfahrungen, die das Langzeitgedächtnis prägen. Neue Erfahrungen können alte, vormalige Traumata ersetzen.

Lernen wir von Eric Kandel und dem Film, dann bleiben uns beide im Langzeitgedächtnis.

Zur Forschung: "Eric Kandel zählt zu den bedeutenden Hirnforschern der Gegenwart. Seit über 50 Jahren widmet er sich der Entschlüsselung molekularer Prozesse im Gehirn, die dem menschlichen Gedächtnis zugrunde liegen. Im Jahre 2000 erhielt Kandel den Nobelpreis für Medizin für die Entdeckung des Proteins, das eine Schlüsselrolle bei der Speicherung von Ereignissen aus dem Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis spielt. Kandel hat untersucht, wie geistige Vorgänge biologische Veränderungen produzieren. Dabei hat er nachgewiesen, dass Lernen neuronale Schaltkreise verändert und Wissen eine anatomische Veränderung im Gehirn bewirkt.
Das Gedächtnis zählt für Kandel zu den bemerkenswertesten Aspekten menschlichen Verhaltens. Ohne die bindende Kraft der Erinnerung würden die Erfahrungen in ebenso viele Bruchstücke zersplittern, wie es Momente gibt. Die Menschen sind, wer sie sind, auf Grund dessen, was sie lernen und woran sie sich erinnern.“


 

"Auf der Suche nach dem Gedächtnis" - Deutschland 2008 

Regie: Petra Seeger - Darsteller/Mitwirkende: Eric Kandel, u.a.

Fassung: O.m.d.U. - Länge: 95 Minuten

Produktion: FILMFORM KÖLN GmbH
www.filmform.tv
www.kandel-film.de

alt

Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)

Kommentare powered by CComment