Film

Interview-Tag im exklusiven Hotel Adlon in Berlin, sicherlich nicht der alleramüsanteste Teil des Schauspielerberufs. Trotzdem wirkt Oscar-Preisträger Benicio Del Toro ausgeglichen und sonnig, lächelt viel, lacht gern.
Gestern war er noch Che, politische Legende mit melancholischem Blick, heute ist er ein gefährliches Fabeltier und auch das wirkt bereits wieder wie die Rolle seines Lebens. Deutet nicht schon sein Name das Animalische an? Trägt er nicht an der rechten Hand einen riesigen silbernen Löwenkopf? (Und ist das etwa der, den im Film sein Bruder trug und den er dessen Verlobter überreicht als letztes Andenken?)

 

 Möglicherweise steckt ja in dem ganz leicht blasierten Gentlemen, den er spielt, eine Prise seiner eigenen Vita. Benicio Del Toro stammt aus einer Upperclass-Familie in Puerto Rico, er hat ein erlesenes Internat in Pennsylvania besucht und später in den USA Wirtschaftswissenschaften studiert (zum Befremden seiner Familie, in der es als Tradition galt, Rechtsanwalt zu werden) bevor er die Familie noch mehr erschreckte, indem er auf Theaterwissenschaft umsattelte und anschließend renommierte Schauspielschulen besucht, unter anderem Stella Adler.
Vielleicht stammt seine achtsame, fast altmodische Höflichkeit aus seiner guten Kinderstube; vielleicht handelt es sich um spanische Grandezza.
Vielleicht mag er einfach Menschen.

 
In den vergangenen Jahren wurde Del Toro gern als lateinamerikanischer Brad Pitt gehandelt; eine gewisse Ähnlichkeit ist da schon, der aufgeworfene Mund, die kleine Nase, die kantigen Kiefern. Doch wo Pitt himmelblau blinzelt, liegen bei Benicio unter schwarzen Brauen gelbe Raubtieraugen.
In ungefähr einer Woche wird er dreiundvierzig und er sieht keinen Tag jünger aus, immer ein bisschen verwüstet und vergrübelt. Die dunklen Augenringe allerdings, beteuert er, kämen nicht vom wilden Leben, die hätte er schon als kleiner Junge gehabt.
Es macht ihm sichtlich Spaß, zu plaudern, er flicht kleine Anekdoten ein, er spielt mit seiner dunklen Stimme, die knurrt und murmelt und nuschelt, er deutet mittendrin, zur Verdeutlichung, winzige Sketche an.

 

Hören Sie hier ein paar O-Töne aus dem Kultur-Port.De Interview

 

Ich frage ihn, ob er Wölfe mag – richtige Wölfe?
Durchaus. Er empfindet, dass sie oft missverstanden werden. Es gäbe keinen überlieferten Fall, in dem Wölfe Menschen wirklich angegriffen hätten, so, wie etwa der Werwolf im Film es tut. Er hält sie für sehr interessante Tiere, die in manchen Gegenden beschützt werden müssen.


Mag er Tiere?
Oh ja. Er besitzt zwei Hunde, einen Bernhardiner und einen Australischen Schäferhund, sowie zwei Schildkröten.


Hat er versucht, etwas ‚Hundemimik’ in seiner Rolle einzubringen anstelle der reinen ‚Monstermimik’?
Er hat das tatsächlich einige Male praktiziert – es wurde jedoch leider herausgeschnitten, die Cutter nehmen sich halt, was sie brauchen, und das fiel dem zum Opfer. Er hatte einiges vom Gesichtsausdruck seines Bernhardiners geklaut… Es gab da mal eine Szene… also, er hat in seinem Haus eine schwarze Tür. Und eines Tages übersah der Hund, dass sie geschlossen war und rannte mit voller Wucht seinen Kopf dagegen. Dann verging eine Minute, als ob das Tier sich erst mal selbst fragte: ‚Na, bist du in Ordnung?’ bevor er, verspätet, reagierte, seinen Kopf schüttelte (Benicio Del Toro wird zum Bernhardiner und schlackert mit Schlappohren und Schnauzenfell) und laut und empört bellte…


Hatte er Spaß daran, den Wolfman zu spielen?
Absolut, ja! Zunächst mal liebt er das Genre seit jeher, er fand als Kind schon Horrorfilme herrlich. Und speziell dies ist ein Klassiker, ein Klassiker wie diese Flasche hier – (Er klopft an eine Coca-Cola-Flasche auf dem Tisch) – an dem nichts zu verbessern ist. Man konnte es nur behutsam unserer Zeit anpassen.
„Wir haben einige Dinge vielleicht etwas genauer erklären können: der neue Film ist ungefähr eine halbe Stunde länger als der alte.“


Mit dem Regisseur, Joe Johnston, war angenehmes Zusammenarbeiten und: „Es war faszinierend, wie Rick Baker mich in den Wolf verwandelte…“
Rick Baker ist derzeit Hollywoods gefragtester Maskenbildner (er schleppt an sechs Oscars, unter anderem für ‚Men In Black’.) Gemeinsam mit dem Computer sorgte er dafür, dass man unter all dem Zottelpelz immer noch den Darsteller erkennen kann.


Del Toro erzählt: „Das Make-up dauerte anfangs mehr als vier Stunden, später haben sie’s in drei und einer Viertelstunde geschafft – wir haben das gestoppt.“
Zunächst guckte Benicio neugierig zu, gegen Ende der Dreharbeiten konnte er sogar schlafen, während er bearbeitet wurde.
„Es hat mich jedes Mal inspiriert, wenn ich fertig war und in den Spiegel schaute. Normalerweise verzichte ich auf Make-up, wo es geht, ich setzte einfach mein Gesicht ein. Aber hier – ich kam aus der Maske und war wirklich zu allem bereit!“
Ein paar kleine Nachteile hatten Action-Szenen im festklebenden Dauerpelz bei Scheinwerferlicht indessen schon: „Fünf- bis sechsmal am Tag musste ich das Hemd wechseln und ich wurde dauernd mit Talkum-Puder bestäubt…“

 

Hat er bei den Strapazen je bereut, das Monster zu spielen?
„Überhaupt nicht. Nach ‚Che’, der schrecklich viel Verantwortung erforderte, um nichts zu verfälschen, war dieser Film eine Entspannung, eine Erholung, weil praktisch alles ging Und natürlich war es phantastisch, mit Anthony Hopkins zusammen zu arbeiten!“


Am Anfang hätte er einfach nur Riesenrespekt gehabt. Die Rolle des alten Sir John Talbot erinnerte ihn zudem etwas an seinen eigenen Vater, der sei auch streng und hätte so viele Flinten… Benicio Del Toro grinst.
„Nein, im Ernst, Anthony zeigt, wie großartig Einfachheit ist. Es gibt da eine Szene… Wenn ich unter dem Baum aufwache, wie er mich ansieht, wie er sagt: Sei stark, mein Sohn, sei stark… Er trifft immer den Ball!“ (Zur Verdeutlichung schlägt Del Toro mit einem imaginären Bat nach einem imaginären auf ihn zukommenden Ball, macht das entsprechende Geräusch – und trifft natürlich.)


„Er braucht zwei Takes, dann ist die Szene fertig und sie ist perfekt. Das ist effektiv. Ich bewundere das. Ich hab kürzlich von einem berühmten Fotografen gehört, einem Meister – der macht immer nur… Also, normale Fotografen, verstehen Sie, die knipsen tausende von Fotos, Ptsch, Ptsch, Ptsch…“ (Er ist jetzt Profi-Fotograf und schnattert hektisch die vielen Aufnahmen) „…und dann gehen sie und suchen nach dem einen Bild, das dazwischen steckt und das sie brauchen können. Dieser Mann guckt – dann macht er zwei Fotos – Klack. Klack. Und dann hat er, was er braucht und fährt nach Hause. So arbeitet Anthony Hopkins. Er weiß, was er will, und er tut es. Keine verschwendete Energie. Ich bin noch lange nicht so gut wie er. Aber ich bin viel besser, als ich mit Einundzwanzig war…“


Sieht er sich seine eigenen Filme an, wenn sie fertig sind?
Eigentlich macht er das nicht so gern. Nicht, dass er es hassen würde, so nicht, aber… Er möchte es dann immer noch verbessern, er sieht so viel, was nicht ganz perfekt ist. Und schließlich ist da nichts mehr zu machen…


Würde er vielleicht gern selbst Regie führen?
„Doch, ja. Vielleicht ist es das Nächste, was ich tun werde. Ich hab viele Ideen, sehr viele Ideen. Ich mache seit zwanzig Jahren Filme mit den besten Künstlern auf diesem Gebiet, ich hab mir eine Menge abgeguckt. Ja, die Ideen sind da. Vielleicht, wenn es schwierig wäre… wenn es viel Ärger geben würde, Probleme… Das würde mich motivieren. Hindernisse motivieren mich immer. Ja, vielleicht mache ich Regie…“ Er schaut nachdenklich vor sich hin und zwinkert dann vergnügt: „Zumindest würde es mich dazu bringen, früh aufzustehen. Was bedeuten würde, ich müsste auch früh ins Bett gehen, statt mir die Nächte um die Ohren zu schlagen…“


Wolfman (Originaltitel: The Wolfman)

Horror/Thriller - USA 2010
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren - 102 Min.
Start: 11.02.2010

Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)

Kommentare powered by CComment