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Raum Film Trailer

Der irische Regisseur Lenny Abrahamson kreiert mit „Raum” einen bezaubernden wie beklemmenden, manchmal auch unendlich traurigen Film über Kindheit, Gefangenschaft und grenzenlose Liebe.
Jack (Jacob Tremblay) ist ein aufgeweckter, temperamentvoller Junge. An diesem Tag feiert er seinen fünften Geburtstag. Noch nie hat das Kind Regen oder den Wind gespürt. Draußen, hinter den schalldichten fensterlosen Wänden und der Stahltür beginnt das Weltall, so hat es ihm Ma (Brie Larson) erklärt. Seit ihrer Entführung vor sieben Jahren wird sie in einem Gartenschuppen gefangen gehalten. Trotzdem soll der Sohn unbeschwert aufwachsen, allein dafür lebt die Mutter. Und tatsächlich, jene klaustrophobische Hölle empfindet Jack als einen aufregenden Teil des Universums voller Märchen, Abenteuer aber auch Geborgenheit.

„Guten Morgen Lampe, guten Morgen Fernseher”, fröhlich begrüßt Jack die Gegenstände um ihn herum. Sie sind keine seelenlosen Objekte für den Jungen, sondern seine Freunde. An ihrer Seite ist er groß geworden, mit ihnen hat er auf den neun Quadratmetern alles geteilt. Abrahamson gelingt in dem vielschichtigen Breitwand-Psychogramm zwischen Thriller und Fabel das scheinbar Unmögliche: Der Zuschauer kann sich ohne Vorbehalte vom ersten Moment an auf die Perspektive des fünfjährigen Protagonisten einlassen. Die Kamera ist immer nah bei Jack, folgt ihm auf die Schauplätze und Landschaften seiner Fantasie, ob unter das Bett, wo die Eierschalenschlange haust oder ins Bad, wo die Toilette, einem gefährlichen Wasserfall gleich, alles gnadenlos verschlingt. Stolz erläutert der Kleine seine Weltsicht per Voice-over.

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Wenn Jack glücklich auflacht, kämpfen wir mit den Tränen, dabei ist “Raum” wahrlich nicht sentimental. Im Gegenteil, der Zuschauer ist es. Die Selbstverständlichkeit mit der das Kind diese karge, düstre unwohnliche Umgebung wahrnimmt und akzeptiert, ist für uns erschütternd. Und doch begreifen wir Jacks Sichtweise, und mit jeder Minute wächst unsere Bewunderung für Ma, die diese Welt erschaffen hat. Gymnastik, Lauftraining (auf neun Quadratmeter), Zeichnen, Spielen, Lernen, Singen, Geschichten Erzählen, Basteln, Schattenspiele, der Tag hat viele wunderschöne Rituale und Überraschungen. Jack ist sehr weit für sein Alter, ungeheuer wissbegierig, er kann lesen, hat großes Einfühlungsvermögen und will den Dingen auf den Grund gehen. Abgesehen davon ist er ein völlig normales Kind, ungeduldig, quengelt, wenn er nicht seinen Willen kriegt. Die beiden backen, wir spüren, das ist etwas ganz Besonderes, die Eier eine Kostbarkeit. Doch der Junge ist enttäuscht, richtig aufgebracht, als am Ende zwar eine Fünf in Zuckerguss auf dem Kuchen prangt aber ohne Kerzen. So ist es eben kein Geburtstagskuchen, wie er ihn aus dem Fernsehen kennt. Auch wenn Jack gelernt hat, dass die Menschen, Häuser und Wälder auf dem Planeten Bildschirm nicht real sind, so wie er und Ma, eher wie „Alice im Wunderland” oder „Der Graf von Monte Christo”. Geschichten eben.

„Raum” basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Emma Donoghue. Die in Dublin geborene kanadische Autorin schrieb auch das Drehbuch. Genau wie im Roman ist hier Mas Liebe für Jack ist grenzenlos nicht aber ihre Kraft. Sie vergräbt sich manchmal zwischen den Kissen, liegt nur bewegungslos da und sagt tagelang kein Wort. „Raum“ ist in ihren Augen ein grauenvolles unerträgliches Gefängnis. Nachts kommt der Peiniger um sie zu vergewaltigen. Er entscheidet über ihre Existenz, Lebensmittelvorräte, Batterien oder Vitamintabletten, er kann jederzeit die Elektrizität oder die Heizung abdrehen. Old Nick, hat sie ihn getauft, eine Art böser Zauberer, Nick darf nicht erzürnt werden, er verlangt Dankbarkeit. Ihr Sohn schläft nachts im Schrank, das einzige Zugeständnis was sie dem Entführer abringen kann, ist dem Kind fern zu bleiben. Wie eine Löwin kämpft sie für Jack, strahlt ihn voller Optimismus an trotz der ohnmächtigen Wut, die in ihrem Inneren tobt. Ma kann streng sein, vielleicht sogar ungerecht, aber selbst Zorn ist bei ihr Ausdruck von Liebe. Die Demütigungen, sie kann sie kaum noch ertragen. Brie Larson wurde für ihre schauspielerische Leistung mit einem Oscar ausgezeichnet.

Ma will Jack retten, um jeden Preis. Dafür muss sie ihm die Wahrheit erzählen, sie macht es behutsam, aber will auch keine Zeit mehr verlieren, Angst quält die junge Frau. Was, wenn es für eine Flucht vielleicht schon zu spät ist. Jack gefällt diese neue Geschichte nicht, er will eine andere hören, die Realität, er verweigert sie, kann damit nichts anfangen. „Alice war auch nicht immer im Wunderland”, argumentiert Ma, „sie fiel in ein riesiges Loch und ich war auch nicht immer in ‚Raum’”. Der Junge ist wütend, fühlt sich betrogen. Ma appelliert an seine Eitelkeit, seinen Stolz, nun sei er fünf, eben erwachsen. Sie probt mit dem Jungen immer wieder akribisch die Flucht, der erste Plan schlägt fehl, der zweite muss funktionieren. Es ist einer der berührendsten Ausbruchversuche der Kinogeschichte. Auch diese neue unbegreifliche Welt mit einem Himmel, Bäumen, Straßen, Autos, Bahnübergängen, Polizisten sieht der Zuschauer mit den Augen des fünfjährigen Protagonisten. Sparsam und meisterhaft komponiert, fängt Kameramann Danny Cohen („The King’s Speech”) Jacks widersprüchliche Gefühle ein, Erstaunen, Schrecken, Furcht, aber das Kind hat Entschlossenheit und Disziplin von Ma gelernt. Und er glaubt fest daran, dass seine langen Haare ihm wie Samson übernatürliche Kräfte verleihen. Seine Tapferkeit ist rührend. Fast ist es, als hätten Mutter und Sohn die Rollen getauscht. Unglaublich das schauspielerische Talent von dem heute neunjährigen Jacob Tremblay. In der ersten Hälfte des Films bewegt er sich noch wie ein Mädchen, das Abbild von Ma, ganz langsam entwickelt er sich zu einem draufgängerischen normalen Jungen, der irgendwann ausgelassen mit dem Sohn des Nachbarn Fußball spielt.

Mit Jack entdecken wir unsere eigene Wirklichkeit neu, sie scheint grenzenlos, eine permanente Reizüberflutung, manchmal von fast obszöner Hässlichkeit, sie hat so viel weniger Wärme und Geborgenheit als jene neun Quadratmeter: Die symbolisierten Heimat, alles machte Sinn, hatte seinen festen angestammten Platz, jede Zeichnung an der Wand eine tiefere Bedeutung und unzählige Erinnerungen. Dort war es leicht, glücklich zu sein. Hier muss alles erst mühselig erlernt werden, eine Treppe raufzusteigen, mit Legosteinen spielen, Eis essen, vor allem sich in dem Haus von Mas Eltern wohl zu fühlen. Jack schlägt sich wieder tapfer, Ma dagegen bricht zusammen, begeht einen Selbstmordversuch. Die Freiheit ist eine größere Herausforderung als die Gefangenschaft. Die beiden waren einst unzertrennlich. Ma die Bezugsperson, die Allwissende, nun wird sie wieder Joy genannt, welche Ironie liegt in diesem Namen. Sie steht in ihrem alten Jungmädchenzimmer, ein Museum verlorener Jugend. Sie ist verbittert, voller Zorn, hasst sich und die anderen dafür, dass sie damals mit 17 Jahren gutgläubig in die Falle des Entführers tappte. Die Verzweiflung, den Schmerz, jahrelang hat sie ihn verdrängt. Für Jack. Das Lächeln ist aus ihrem Gesicht verschwunden. Der Junge bittet die Großmutter, seine Haare abzuschneiden. Sie sind für Ma bestimmt und sollen ihr im Krankenhaus Kraft geben.

Brie Larson traf Dr. John Briere, Professor an der University of Southern California und Experte bei jugendlichen Traumata: „Ich lernte von ihm, dass, um zu überleben, wenn zu viel in der Welt los ist, das Gehirn Teile seines Bewusstseins ausschaltet. Also schaltet Ma einen Teil von sich selbst im Raum aus, um zu überleben und auch, um die beste Mutter für Jack zu sein. Aber als sie den Raum verlässt, wird ihr klar, dass alles, was sie vorher abgeschaltet hat, sie wieder einholt.” Larson hatte zu dem Charakter und der Geschichte einen ganz persönlichen Zugang. Sie war nach der Scheidung der Mutter in extrem ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen: „Als wir nach Los Angeles zogen, lebten meine Mutter, meine Schwester und ich in einem Einzimmerapartment, das etwa doppelt so groß wie ‚Raum’ war. Wir hatten nur wenig Geld, konnten uns nicht einmal ein Happy Meal bei McDonalds kaufen und wir drei hatten jeweils drei Anziehsachen und eine Handvoll Spielzug,” erzählt Larson. „Doch diese Zeit hatte etwas Einfaches und Magisches. Wir sprechen noch immer davon, als den besten Zeiten unseres Lebens. Ich weiß, dass es für meine Mutter fürchterlich viel Schmerz bedeutet hat, zu versuchen herauszubekommen, wer sie war und allein zwei Kinder durchzubringen. Aber ich erinnere mich auch daran als eine Zeit, in der ich die Kraft der Vorstellung kennengelernt habe. Wir hatten nicht viel, aber meine Mutter konnte Spiele aus dem Nichts erschaffen. ”

Der kanadische Designer Ethan Tobman recherchierte über jede Art von Gefängnissen, Freiheitsentzug, die Konzentrationslager des Holocausts, die Geiselnahme von Elisabeth Fritzl und Natascha Kampusch, aber auch die fünf Quadratmeter großen Apartments in Hongkong oder die käfigartigen Hütten, in welche die Wanderarbeiter gepfercht werden: „Eins fand ich heraus, dass jeder seinen Raum personalisiert und jeder dies auf eine andere Weise macht. So wurde es zu meiner Obsession. Meine Frage war, wie würde ein Fünfjähriger sein Gefängnis personalisieren? (...) In diesem Alter ist alles ein Spiel, alles ist eine Landschaft der Vorstellungskraft. Daher dachte ich, auch wenn sich der Raum real anfühlen musste, wir auch etwas von diesem magischen Realismus eines Kindes verwenden sollten. Jede Möglichkeit etwas in ein Spielzeug zu verwandeln, ergriffen wir, sogar die Steckdosen hatten Gesichter. Es ist eine sehr, sehr kleine Welt, aber eine sehr, sehr reiche.”

„Wie das Design, folgten die Dreharbeiten dem Grundsatz, dass der Raum viel ausgedehnter ist, als die Dimensionen der realen Welt. Die Idee, die wir hatten,” erklärt Lenny Abrahamson, „war, dass, so wie Jack unendliches Interesse an seiner winzigen Welt hat, so sollte das auch die Kamera zeigen. (...) Für Jack ist jeder vorübergehende Schatten, jeder Riss in der Wand unendlich verlockend. Im entscheidenden Moment erinnern wir das Publikum daran, wie klein der Raum wirklich ist, aber wir sehen den Raum, wie Jack ihn beschreibt: er geht den ganzen Weg in jede Richtung. Es gibt kein Ende des Raums aus Jacks Blickwinkel.”

In den letzten Szenen erkunden Ma und Jack wieder zusammen die Welt, probieren jeden Tag etwas Neues aus und liegen in der Hängematte, von der die Mutter ihm so oft erzählt hatte. Die Hängematte ist eigentlich das Einzige, worauf der Junge wirklich neugierig gewesen war.

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Originaltitel: Room
Regie: Lenny Abrahamson
Darsteller: Brie Larson, Jacob Tremblay, Joan Allen, Tom McCamus
Produktionsland: Kanada, Irland, 2015
Länge: 118 Minuten
Verleih: Universal Pictures Germany
Kinostart : 17. März 2016

Fotos & Trailer: Copyright Universal Pictures German

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