Bildende Kunst
„High Society“ im Rijksmuseum Amsterdam – Die Reichen und Schönen geben sich die Ehre

Die exzentrische Marchesa Luisa Casati, gehüllt in ein Ensemble aus flirrendem Schwarz, war einst die Stilikone der italienischen Gesellschaft, bevor sie verarmt in London starb. James Hamilton, 1. Duke of Hamilton, englischer Heerführer in schwedischen Diensten, wurde auf Befehl von Oliver Cromwell enthauptet, der Arzt und Lebemann Dr. Samuel Jean Pozzy von einem Patienten ermordet.
Rund vierzig, überaus opulente Porträts von Fürsten, Aristokraten und reichen Bürgern sind in der Ausstellung zu bewundern. In voller Lebensgröße! Kostbar und prächtig herausgeputzt, präsentieren sie sich dem staunenden Besucher. Hinter der glänzenden Fassade sah es allerdings anders aus, wie Zeichnungen und Drucke in weiteren Ausstellungsräumen belegen.

Das Rijksmuseum in Amsterdam präsentiert bis zum 3. Juni 2018 ein ganz besonderes Schmankerl für Kunstliebhaber. „„High Society“ ist die erste Ausstellung zu dieser besonderen Art der Porträtmalerei“, so der Direktor des Museums, Taco Dibbits. „Es sind Werke der besten Porträtmaler der Kunstgeschichte“. Darunter sind Rembrandt, Lukas Cranach, Veronese, Velázquez, Reynolds, Gainsborough, Edvard Munch, Manet und weniger vertraute Namen.
Die Bildnisse reichen vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Sie sind zugleich vierhundert Jahre Modegeschichte, denn die prominenten Damen und Herren geben auch einen Einblick in die Modetrends ihrer Zeit: Vom wattierten Wams und der Schamkapsel am Latz der Männerhose über gold- und silberfarbene Brokatstoffe bis hin zur Haute Couture des 19. Jahrhunderts. Dem Luxus waren keine Grenzen gesetzt. Erstaunlich, denn in der Kleiderordnung für das gemeine Volk vom Klerus und adligen Landesherren verordneten Dresscode für die einzelnen Stände - vom Mittelalter bis Ende des 18. Jahrhunderts - waren weitaus bescheidener und einfacher.

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„Ganzkörperportraits sind eher selten in der Kunstgeschichte“, so Kurator Jonathan Bikker. „Aus dem simplen Grund: Es war immer schon teuer.“ Die Bildnisse verkörpern neben dem sozialen Status, auch die Macht und den Reichtum des Porträtierten; dienen der Glorifizierung des Geschlechts und - wie es heute heißt - der Public Relation. Einst das Privileg herrschender Königshäuser, dem Adel und Klerus vorbehalten, erfuhr das Portrait mit Erstarken des Bürgertums eine Demokratisierung. Aber, auch die reichen bürgerlichen Eliten protzten mit ihrem Reichtum. Man zeigte, wer man war, was man hatte oder was man sein wollte. Angetan in exklusiven Kleidern nach dem letzten Modeschrei, in fantastischen Uniformen und Kostümierungen, behangen mit funkelnden Geschmeiden, umgab sich die Crème della Crème mit persönlichen Accessoires oder Statussymbolen, vom Jagdhund über das Schoßhündchen bis zum Löwen. Sie posierten vor antiken Säulen und drapierten Vorhängen, luxuriös ausgestatteten Interieurs, vor wilden und zerklüfteten Landschaften oder lieblichen, antikisierenden Ideallandschaften.

Zu den Highlights der Schau gehören unter anderem die Porträts von Heinrich dem Frommen, Herzog von Sachsen, und Katharina, Herzogin von Mecklenburg von Lucas Cranach d. Ä. aus dem Mittelalter, das venezianische Ehepaar Iseppo da Porto und Livia da Porto Thiene mit ihren Kindern von Paolo Veronese, 1555, oder die englische Adlige Jane Fleming von Sir Joshua Reynolds (ca. 1778) und Giovanni Boldini „Marchesa Luisa Casati with a Greyhound“ von 1908.

Im Mittelpunkt der Schau stehen allerdings Rembrandts Hochzeitsporträts von Marten Soolmans und Oopjen Coppit aus dem Jahr 1634. Verständlich, das ihnen die größte Aufmerksamkeit gebührt, sind sie doch nach der Restaurierung zum ersten Mal wieder in einer Ausstellung zu sehen. Die Porträts waren im Besitz der Familie Rothschild, bis vor drei Jahren die Staaten der Niederlande und die Republik Frankreich gemeinsam die Gemälde erworben haben, die künftig wechselseitig im Pariser Louvre und im Amsterdamer Rijksmuseum gezeigt werden.

Die Hochzeitsbilder sind die einzigen Gemälde, die Rembrandt jemals als Ganzkörperporträt gemalt hat. Rembrandt, zu diesem Zeitpunkt 28 Jahre alt, malt das Paar - beide stammen aus reichen, protestantischen Patrizierfamilien - ein Jahr nach ihrer Heirat.
Die Lebendigkeit der Figuren und die Detailfreudigkeit ihrer Kleidung nach der neusten französischen Mode, sowie Licht- und Schatteneffekte verleihen den Bildern eine ungeheure Plastizität. Die Porträts belegen nicht nur die wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit der jungen Republik im Goldenen Zeitalter des 17. Jahrhunderts sondern auch den Reichtum und die gesellschaftliche Stellung, welche die beiden jungen Leute ganz ungeniert zur Schau stellen.

Marten Soolmans steht auf einem Fliesenboden an einem unbekannten Ort. Der zwanzigjährige Jurastudent, welcher acht Jahre später sterben sollte, ist bekleidet mit einem schwarz-grau gestreiften Kostüm mit kostbarem weißem Spitzenkragen und Manschetten, Schleifen, Strümpfen und Strumpfhaltern. Dazu trägt er einen schwarzen Hut und Schuhe mit riesigen Rosetten. Seine linke Hand hält einen Handschuh, als Symbol für die Autorität des Ehemannes über seine Frau. Der Fliesenboden wiederholt sich in dem Portrait seiner Gattin, der 23-jährigen Oopjen Coppit, die bereits schwanger ist. Sie ist mit einem kostbaren schwarzgrauen Kleid und schwarzen Schleier bekleidet. Ein luxuriöser, weißer Spitzenbesatz schmückt Kragen und Manschetten, kostbarer Schmuck ziert Finger und Hals. In ihrer rechten Hand hält sie einen Fächer aus schwarzen Straußenfeder. Ihr rechter Schuh mit der Rosette lugt unter dem Kleid hervor.
Während auch andere niederländische Maler wie Wybrand de Geest oder Franz Hals ihre prominenten Bürger ebenfalls in kostbarer Kleidung porträtieren, betont Michiel Jansz van Mierevelt in “Maurits, Prins van Oranje” die Rolle des Prinzen als militärischen Befehlshaber: Die vergoldete Rüstung und der Helm mit Federbündel sowie ein reich verzierter Schild verweisen auf seine erfolgreichen Schlachten.

Die Ausstellung konzentriert sich nicht nur auf niederländische Exponate, sondern zeigt einen bunten Portraitreigen quer durch die Jahrhunderte und Länder, darunter Italien und Spanien, England, Frankreich und Deutschland. Zu sehen ist von Edouard Manet “The Artist – Portrait of Marcellin Gilbert Desboutin” oder Edvard Munch “Walther Rathenau”. Einige Bilder regen zum Schmunzeln an. Während sich die Damen in kostbare Gewänder hüllen, zeigen die Herren ihre nackten Beine oder ihren entblösten Körper als Herkules, nur die Scham mit einem Tuch bedeckend. Oder sie posieren im traditionellen Schottenkilt oder Schottenhose, wie William Gordon, Leutnant der königlich schottischen Highländer oder Sir John Sinclair, 1st Baronet of Ulbster.

Während die Reichen und Schönen sich auf den lebensgroßen Porträts von ihrer besten Seite zeigen, belegt die Graphikausstellung „Guilty Pleasures“, was sich heimlich hinter geschlossenen Türen abspielte. Rund 80 Drucke und Zeichnungen aus der Sammlung des Rijksmuseums offenbaren das sündige Leben der High Society: Feste und Trinkgelage, Drogen und Glückspiel sowie Treffen mit leichten Mädchen in Bordellen und Boudoirs.
Selten zeigt eine Ausstellung im Rijksmuseum in Amsterdam so viele Gemälde internationaler Künstler. Neben Eigenbeständen, ergänzen hochkarätige Leihgaben aus internationalen Museen und Privatsammlungen die Schau. Zu sehen ist eine beeindruckende, empfehlenswerte Ausstellung.

„High Society“

läuft bis zum 3. Juni 2018 im

Rijksmuseum Amsterdam, Museumstraat 1, 1071 Amsterdam, Niederlande.

Die Öffnungszeiten sind täglich von 9.00 bis 17.00 Uhr.
Ein Katalog ist erschienen.
Eintritt im Vorverkauf
Eintrittskarten sind im Vorverkauf online erhältlich unter rijksmuseum.nl/tickets
Während der Ausstellung sind die Karten auch an der Tageskasse erhältlich. Es wird kein Zuschlag erhoben.
Weitere Informationern: www.rijksmuseum.nl

YouTube-Video:
High Society – Four Centuries of Glamour



Abbildungsverzeichnis:
Header: Rembrandt van Rijn: Portrait of Marten Soolmans, 1634. Acquired by the Dutch State for the Rijksmuseum and Rembrandt van Rijn: Portrait of Oopjen Coppit, 1634. Acquired by the French Republic for the Musée du Louvre
Galerie:
01. Lucas Cranach the Elder: Henry the Pious, Duke of Saxony, 1514. Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden (links). Lucas Cranach the Elder: Catherine, Countess of Mecklenburg, 1515. Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden (rechts)
02. Giovanni Boldini: Marchesa Luisa Casati with a Greyhound, 1908. Private collection
03. Anonymous, Henry Howard, Earl of Surrey, 1546. Londen, National Portrait Gallery
04. Diego Rodríguez de Silva y Velázquez, Don Pedro de Barberana y Aparregui (1579-1649), c. 1631-33. Fort Worth, Kimbell Art Museum
05. Edouard Manet: The Artist - Portrait of Marcellin Gilbert Desboutin, 1875. Museu de Arte de São Paulo Assis Chateaubriand. Photo by: João Musa
06. Paolo Veronese: Livia Thiene with her daughter Porzia, c. 1555. The Walters Art Museum,
Baltimore, Maryland (links). Paolo Veronese: Iseppo do Porto with his son Adrian, c. 1555. Florence, Galleria degli Uffizi, Contini Bonacossi Collection (rechts)
07. Giovanni Battista Moroni: Portrait of Bernardo Spini c. 1573–75. Bergamo, Accademia Carrara (links) Giovanni Battista Moroni:
Portrait of Pace Rivola Spini, c. 1573–75. Bergamo, Accademia Carrara (rechts)
08. Sir Francis Grant: Anne Emily Sophia Grant (known as ‘Daisy’ Grant), Mrs William Markham (1836-1880), 1857. Edinburgh, National Galleries of Scotland - Scottish National Gallery
09. Edvard Munch: Walther Rathenau, 1907. Bergen, KODE | Bergen Art Museum
10. Cornelis Troost: Prince Eugene of Savoy Vetting a Line-up of Prostitutes, c. 1720. Collection Rijksmuseum.
11. Thomas Rowlandson: Four Men Looking at a Painting of Venus, 1799. Collection Rijksmuseum. S. Emmering Bequest, Amsterdam, 2000
12. Nicolaas Verkolje: after Jan Baptist Weenix, Merry Company on a Terrace, 1683 – 1746. Collection Rijksmuseum.

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