Architektur
Africa – Architecture, culture and identity

Es ist kein leichtes Unterfangen eine Ausstellung zu konzipieren, die sich einem ganzen Kontinent widmet. „Africa – Architecture, culture and identity“ gehört zu einer dreiteiligen Ausstellung, die sich mit Architektur im weitesten Sinn beschäftigt. 2012 lag der Fokus auf nordischer Architektur, 2014 auf der arabischen kulturellen Einflusssphäre, zwischen der arabischen Halbinsel und dem Maghreb in Nordafrika.

Im wunderschön-gelegenen Louisiana Museum im dänischen Humlebæk, konzentrieren die beiden Kuratoren Kjeld Kjeldsen und Mathias Ussing Seeberg die dritte Schau bis Oktober 2015 auf das südlich der Sahara gelegene Afrika und fragen nach der gegenseitigen Einflussnahme von Architektur, Kultur und Identität.

Es ist eine sehr heterogene, informations-, installations-, foto- und bildbeladene Ausstellung geworden, die sowohl für den Rundgang als auch für das Studium des Katalogs mit über 260 Seiten sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Es lohnt in ganz besonderer Weise sich in Ruhe dieser, in sieben einzelnen Kapiteln erzählten, investigativen Schau zu widmen, denn der Besucher erfährt einerseits ein überaus fokussiertes, andererseits ein extrem komplexes Bild Afrikas, auch wenn viele Bereiche – logischerweise – fragmentarisch bleiben müssen.

Dordabis Community Spine, Namibia 2014
Belonging
„Dordabis Community Spine, Namibia 2014“. In Sub-Sahara-Afrika werden in ländlichen Gebieten Zäune errichtet, die die inneren und äußeren Grenzen von Siedlungen und Dörfern markieren. Der Begriff „Spine“ bedeutet so viel wie Rückgrat. Ursprünglich als Skulptur entwickelt, baut das Architekturbüro Droomer & Christensen aus Namibia diesen Palisadenzaun mittlerweile im gesamten südlichen Afrika. Einer dieser Zäune ist in den parkartigen Garten des Louisiana Museums installiert worden.

Wangechi Mutu (Kenya), Sleeping Serpent, 2014, Mixed media
Coexisting
Dieser zentrale Begriff zieht sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung. Das gleichzeitige Vorhanden-Sein verschiedener Systeme ist nicht nur afrikanische Lebenswirklichkeit, sondern bedarf einer konstanten Vergegenwärtigung von friedlichem Neben- und Miteinander, egal ob in der lokalen Kultur oder in einer allgemein und in ganz Afrika zu findenden globalen Pop-Kultur. Wangechi Mutu aus Kenia präsentiert eine fast zehn Meter hybride Stoff-Keramik-Schlange, die sowohl auf das Symbol, wie in vielen afrikanischen Kulturen, der Transformation verweist, als auch einen modernen Cyborg oder Avatar darstellt.

Blick in die Ausstellung
Der Schweizer Künstler Not Vital begann im Jahr 2000 ein „House to Watch the Sunset“ zu bauen, das er 2005 in Aldab, Niger fertigstellte. Das Modell, eine chromreflektierende Großskulptur, ist nur eines der Beispiele des interkontinentalen Austausches. Im gleichen Raum sind Fotos der Franzosen Patrick Willocq aus der DR Kongo zusehen sowie ein Dokumentarvideo des von Christoph Schlingensief inszenierten Projekts „Operndorf“.

Growing cities
Growing cities
Wie auf keinem anderen Kontinent wird sich die Gesamtbevölkerung in Afrika in den kommenden Jahrzehnten vervielfachen und verjüngen. Insbesondere in den schon heute riesigen Städten Lagos (Nigeria), Kinshasa (DR Kongo) oder Johannisburg (Südafrika) wird beispielhaft veranschaulicht wohin die Reise gehen kann. Architektur, Siedlung, Wohnen und Bildung spielen eine zentrale Rolle. Wie extrem unterschiedlich die Orientierungen in den diversen Ländern sind, zeigen Beispiele im Netzwerk von Utopien, Gigantomanie, europäisch-amerikanischen sowie chinesischen Plagiaten, aber auch innovativen sowie sozialen Projekten.

Makoko Floating School
Das nigerianische Büro NLÈ Architects baute 2012 die „Makoko Floating School“ in der Lagune der Hauptstadt Lagos. Mehr als 100.000 Bewohner leben größtenteils in einfachen Pfahlbauhütten im Flussdelta des Makoko-Flusses. Das sich dem Wasserstand anpassende Schulgebäude ist nicht nur vor den regelmäßigen Überflutungen geschützt, sondern dient längst als beispielhaftes Modell für Wohnen auf dem Wasser in der gesamten Region.

Ponte City
Ponte City dominiert die Skyline von Johannisburg. Der südafrikanische Fotograf Mikhael Subotzky und der Brite Patrick Waterhouse nahmen über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren eine ganze Serie von Ponte-City-Orten auf, die ursprünglich für die weiße Bevölkerung gebaut wurden, später von jenen besiedelt wurden, die die Townships verlassen hatten und nun den Newcomer-Gruppen dienen sollen, die wirtschaftlich auf dem Sprung in den Mittelstand sind.

Independence Architecture
Unabhängigkeitsarchitektur nennt sich jener Baustil, der ab den 1950er-Jahren monumentale Gebäude und Plätze entstehen ließ und selten heute noch auf eine weitere Funktion verweist, die jenseits von Repräsentation liegt. Das Beispiel aus Accra, der Hauptstadt Ghanas, zeigt die Tribüne des „Independent Squares“ – fast ungenutzt.

Chinese architecture in Africa
Chinesische Investoren bauen in verschiedenen afrikanischen Ländern und Städten ganze Stadtviertel. Nicht nur das Geld und ein Teil der Arbeiter kommen aus dem Land der Mitte, sondern auch die Baustile. Ungeachtet jeder lokalen Identität entstehen Wohnblocks nach chinesischen Vorbildern, die der Niederländer Lard Buurman 2009 bis 2013 dokumentiert hat, wie hier das „Oniru Estate“ im nigerianischen Lagos.

Ausstellungsansicht. Making Space
Making space
Räumlich gewachsene Topologien sind häufig Vorgaben für jahrtausendlang gewachsene Strukturen des Zusammenlebens und Überlebens in ländlichen Gebieten Afrikas. Raumaufteilung, Umfriedungen und Ausrichtung von Dörfern zeigen, dass sich die Menschen ihrer Umgebung angepasst haben. Moderne Architektur hat sich das Wissen angeeignet und transformiert die Erkenntnisse in neue Bauprojekte. So entstanden in den letzten Jahren Krankenhäuser, Kreativzentren, Wasserspeicher und Wohnsiedlungen, die regionale Tradition und Identität berücksichtigt.

Louisiana Canopy 2015 by Kéré Architecture
Dazu gehört auch der „Louisiana Canopy 2015“, ein von Kéré Architecture aus Holz gebauter Baumkronendachraum, der die baulichen Eigenheiten des Landes Burkina Faso aufgreift. Die Idee, so Francis Kéré, entstammt seinem Heimatdorf Gando. Die Stammesältesten sitzen auf dem Dorfplatz auf Holzkonstruktionen um einen Baum im Freien zusammen, geschützt von einem Dach, das Schatten bietet. Daraus entwickelte Kéré eine für eine größere Gemeinschaft bestimmte Sitzlandschaft, die als Ausgangspunkt zudem den Grundriss von typischen Siedlungen Burkina Fasos aufgreift.

Ausstellungsansicht. Rebuilding
Rebuilding
Wiederaufbau spielt in vielen afrikanischen Ländern eine wichtige Rolle. Zerstört durch Bürgerkriege und traumatische Genozide wird anhand des Beispiels Ruandas aufgezeigt, wie stimulierend friedlicher und sozialer Wandel sein kann – im Kopf und im realen Raum. Das „Ruanda Archiv“ ist eine Installation im Louisiana Museum und zeigt die historische Entwicklung des Landes vorkolonialer Zeit über die Kolonie Deutsch-Ostafrika bis zur Unabhängigkeit, den Konflikten, die zum Genozid 1994 führen und wie sich das Land heute entwickelt.

New Communities
New Communities
Multifunktionale Räume sind von jeher in vielen afrikanischen Traditionen verankert. Wohn- und Marktplätze, Ausbildungs- und Kreativstätte sollen eng miteinander verknüpft sein. Das fokussiert zwar in erster Linie auf Funktionalität – mehr als auf Ästhetik – aber viele Beispiele zeigen, dass beides möglich ist: wie hier das „Women’s Opportunity Centre“, außerhalb Kigalis in Ruanda der US-amerikanischen Designerin Sharon Davis.

Ausstellungsnasicht B. I. Kingelez
Building futures
Architektonische Phantasien finden sich seit über 30 Jahren in den Werken des kongolesischen Künstlers Bodys Isek Kingelez, der auch in Europa auf internationalen Ausstellungen eingeführt wurde. Seine, wie er sie selbst nennt, „extremen Modelle“ sind aus Holz, Metall und Karton gefertigt und reflektieren an Themenparks erinnernde utopische Gebäude für sein drittel Jahrtausend.

Ojeikere  - One-Day-Sculptures
Der nigerianische Künstler J.D. Okhai’Ojeikere gehörte bis zu seinem Tod zu den prominentesten Künstlern seines Landes. Seine Kreationen und anschließend aufgenommene fotografische Dokumentationen von „Eintages-Skupturen“ (1974-2004) machten ihn berühmt. Seine aus Haar geflochtenen „Architekturen“ zierten hunderte von Frauenköpfen und waren für den Künstler Symbole für die schönen Narrationen eines in den 1960er-Jahren aufstrebenden Landes.

AFRICA – Architecture, culture and identity

Zu sehen bis zum 25. Oktober 2015 im
Louisiana Museum of Modern Art
Gammel Strandvej 12
DK – 3050 Humlebæk / Dänemark
Geöffnet: Di. bis Fr. 11:00-22.00 Uhr, Sa. und So. sowie Feiertage 11:00-18:00 Uhr.
Mo. geschlossen.
Weitere Informationen


Abbildungsnachweis: Africa – Architecture, culture and identity
Header: Titelmotiv. Kéré Architecture (Burkina Faso): Gando Secondary School, 2013. Foto: Erik-Jan Ouwerkerk
01. Louisiana Spine, 2015. Louisiana Museum of Modern Art. Foto: Kim Hansen
02. Wangechi Mutu (Kenya), Sleeping Serpent, 2014, Mixed media. Courtesy the artist and Victoria Miro, London. Louisiana Museum of Modern Art. Foto: Kim Hansen.
03. Blick in die Ausstellung, Raum „Coexistance“ mit Werken von Not Vital (rechts) und Pascale Marthine Tayou, (Kamerun) (links). Foto: Ulrik Jantzen
04. Raum „Growing Africa“. Foto: Ulrik Jantzen
05. NLÉ (Nigeria): Makoko-Delta (Rendering), 2014
06. Mikhael Subotzky & Patrick Waterhouse (South Africa & England): Cleaning the Core, Ponte City, Johannesburg, 2008. Courtesy: Goodman Gallery, Johannesburg/Kapstadt
07. Alexia Webster (South Africa): Independence Square, Accra (Ghana), 2014
08. Lard Buurman: (The Netherlands): Africa Junctions, Oniru Estate, Lagos (Nigeria), 2009/2013
09. Blick in die Ausstellung, Raum „Making Space“. Foto: Ulrik Jantzen
10. „Louisiana Canopy 2015“, von Kéré Architecture (Burkina Faso). Foto: Ulrik Jantzen
11. Blick in die Ausstellung, Raum „Rebuilding“. Foto: Ulrik Jantzen
12. Sharon Davis, Women’s Opportunity Centre, Rwanda, 2014. Foto: Elizabeth Felicella
13. Bodys Isek Kingelez (DR Kongo) „Projet pour le Kinshasa du troisième Millenaire“, 1997. Courtesy: Fondation Cartiuer pou l’art contemporain, Paris. Installationsfoto: Ulrik Jantzen
14. J.D. Okhai’Ojeikere, „One Day Sculptures“, photography, 1974, Suku Sinero Kiko.
alt

Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)

Kommentare powered by CComment