Meinung
Mail aus Riga 117

Von überraschenden Elementen, von digitaler Hybris und einem „Beispiel“ nachhaltiger Unternehmensstrategie.
Dieser Tage schreckte das verehrte Publikum die Nachricht auf, dass der Springer Verlag sich von einigen seiner Stammtitel trennen werde. Käufer ist die Funke Mediengruppe, die aus der WAZ-Gruppe hervorgegangen ist. Die WAZ wurde nach dem 2. Weltkrieg in Bochum gegründet; sie wurde von zwei Familien, Bost und Funke, getragen. Wie es so geht nach langer Gemeinsamkeit, vertrug man sich nicht mehr. Funke übernahm Anteile der Familie Bost und nun hieß der ganze Laden „Funke Mediengruppe“ – auf dem Balkan durchaus sehr erfolgreich.

Von dem anderen Protagonisten ist etwas mehr zu berichten. Waren es doch die ureigensten Ideen des großen Döpfners (1,99 m groß), Synergien zwischen den einzelnen Blättern des Hauses herzustelllen. Zunächst wurden um Die WELT gemeinsame Radaktionen mit der Berliner Morgenpost und der BZ begründet; das Überregionale kam von den WELT-Redakteuren, das Lokale von den beiden anderen Zeitungen. Dazu, als Extraaufgabe, die WELT kompakt zu bedienen und die Welt online. So mancher Redakteur musste fünf verschiedene Versionen des einen Stoffes liefern. Ja, da kam doch Freude auf, über diesen so abwechslungsreichen Beruf. Und weil das Projekt so erfolgreich war – detaillierte Zahlen waren nicht bekannt – übertrug man vor kurzem noch das Modell auf die WELT und das Hamburger Abendblatt.

Und nun dieses. Die Blätter, die der Gründer des Verlages, Axel C. Springer, wie das Hamburger Abendblatt und die HÖR ZU, aufgelegt hatte, wechseln den Besitzer. Ein schönes Beispiel für den Begriff der Nachhaltigkeit, die von allen Unternehmen jetzt entdeckt wurde und mit großem Getröte dem Publikum um die Ohren gehauen wird. Da wird man ganz fussig. Die Begründung war ganz einfach: Springer setzt jetzt voll auf das digitale Geschäft – WELT und BILD sollen aber erhalten bleiben. Und überhaupt: dem digitalen Geschäft gehöre die Zukunft; wer da so seine Skepsis hat, ist natürlich Asbach uralt. Es gibt überhaupt noch keine handfesten Überlegungen zum Bezahlmodus – außer dem einen Beispiel der Hutschington Post im fernen Westen.
Von besonderer Raffinesse ist der finanzielle transfer. Die Gesamtkosten für die Springer-Gazetten betragen 950 Millionen Euro. Kann aber Funke nicht stemmen, weil er ja bereits seinen Kompagnon auszahlen musste. Jetzt zahlt er 630 Millionen Euro. Den Rest der Kaufsumme erhält er als Kredit von – na, Sie kommen nicht drauf – vom Springer Verlag.
Wer nun trotzdem glaubt, Verlagsobjekte und das gedruckte Wort haben doch noch eine Zukunft, der liegt vielleicht gar nicht so falsch. Aber das wäre nun wieder eine ganz andere Geschichte.

Ihr Klaus Peter Nebel


Prof. Dipl.-Bibl. Prof. h.c. Klaus Peter Nebel ist Leiter des Studiengangs Kultur- und Medienmanagement an der Lettischen Kulturakademie in Riga/Lettland. Von 2007 - 2010 arbeite er als Professor für Marketing- und Unternehmenskommunikation an der UMC (University of Management and Communication), Berlin, Potsdam; In den Jahren 2007 und 2008 war er als Direktor der Konzernkommunikation der maxingvest AG, Hamburg tätig (Holding für Beiersdorf AG, Tchibo GmbH, tesa AG) und Leiter der Unternehmenskommunikation der Tchibo GmbH, Hamburg. Über 20 Jahre, von 1983 bis 2007 war er Leiter Presse & Public Relations der Beiersdorf AG in Hamburg.

Hinweis: Die Inhalte dieser "Kolumne" geben die Meinung der jeweiligen Autoren wieder. Diese muss nicht im Einklang mit der Meinung der Redaktion stehen.

Foto: Claus Friede

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