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Quatuor Ebène: Brazil

Genre-Grenzen hat das französische Quatuor Ébène immer wieder gern überschritten, seit es 2004, fünf Jahre nach seiner Gründung, beim Internationalen ARD-Musikwettbewerb den Ersten Preis, den Publikumspreis und noch drei weitere Auszeichnungen abräumten. Es war der Durchbruch in eine internationale Karriere.

Seither spielten sie das klassische Streichquartett-Repertoire, nahmen sich aber immer wieder die Freiheit kleiner Ausflüge in Richtung Weltmusik und Jazz, zuletzt 2010 mit ihrer Crossover-CD „Fiction“. Ihr aktuelles Album verrät das Reiseziel schon im Titel: „Brazil“ – und diese Musik könnte der gehobene Soundtrack zur Fußball-WM werden. Zwischenstopps auf der Reise machen die vier Musiker und ihre Gäste in Kalifornien und in Argentinien.

Cover BrazilStreichquartett und Bossa Nova ist das Hauptthema, der elegant federnde Rhythmus liegt den Vieren offensichtlich im Blut, sie saugen ihn auf, schwimmen darin wie die Fische im Amazonas. Dabei scheuen sie auch vor Ikonen nicht zurück: Marcos Valles „So nice“ ist vor ihnen so wenig sicher und wird von der Jazz-Sängerin Stacey Kent in verführerischer Dezenz interpretiert; Valle, der brasilianische Singer/Songwriter stößt für Jobims „Aguas de Marços“ dazu mit der feinen Patina seiner 70 Jahre. Und „Brazil“, eine der berühmtesten Sambas, wird zu „Brazil Odyssey“, einer finalen Rundreise durch die vielfältigen Tonlagen und Emotionen der brasilianischen Musik zwischen Herzschmerz und Sambadrom. In einem so großen musikalischen Herzen ist für vieles Platz – also auch für den französischen Chansonnier und Komponisten Bernard Lavilliers, der drei Songs beisteuert und selbst interpretiert.

Stacey Kent setzt mehrfach wunderbare Akzente, mit Astor Piazollas komplexem „Libertango“, mit dem versponnenen „Fragile“ von Sting über einem feinen Tango-Untergrund, dem Song „The Ice Hotel“ zur Musik ihres Mannes, des Saxophonisten Jim Tomlinson, der den Quartettklang bei drei Titeln erweitert, unter anderem bei „Smile“ zur Musik, die Charlie Chaplin für seinen Film „Modern Times“ geschrieben hat. Aus der Feder Stevie Wonders, im Ohr mit der Stimme Michael Jacksons, kommt „I can’t help it“

Von Wayne Shorter stammt die instrumental glühende Hommage an seine Ehefrau Ana Maria, die 1996 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Und von Hermeto Pascoal „Bebe“, ein ultranervöser Baiao, der wirkt, als würde eine Mann mit einer Frau tanzen und sich dabei ständig heimlich nach einer anderen umdrehen.

Eine interessante Bandbreite und Musik von einer Intensität, die manchmal fast schmerzt. Das auch wäre die einzige Kritik an diesen Aufnahmen: Dass man der Viererbande des Quatuor Ébène manchmal ein Spürchen weniger klassischen Druck auf dem Bogen wünscht und noch einen kräftigen Schuss mehr Saudade und brasilianische Lockerheit.

Aber das kommt ja vielleicht beim Konzert: Derzeit sind die Vier mit der Musik aus diesem neuen Album auf Tour, gemeinsam mit Stacey Kent, Jim Tomlinson und Percussionist Richard Héry. Eine der letzten Chancen, das quirlige Quartett noch einmal in der Gründungsbesetzung zu hören, denn gerade hat Bratscher Mathieu Herzog seinen baldigen Ausstieg aus der Streicher-Boygroup angekündigt.


CD: Quatuor Ébène: Brazil
Erato 0825 6463 2043 11
Gespräche und Musik aus der Aufnahme von "Brazil"

Konzert: Hamburg, Kl. Laeiszhalle, 10.5., 21 Uhr, im Rahmen des 1. Internationalen Musikfests Hamburg, Tickets: 11.- bis 39.- Euro

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