CDs JazzMe

Ein „Has-been“ ist jemand, der mal berühmt war. Die Vergangenheitsform impliziert, dass das nicht mehr so ist. Um sich diese Selbstbezeichnung zu geben, braucht es nicht nur eine gewisse Selbstironie, sondern auch eine zeitliche und emotionale Distanz zu dem, was gewesen ist.

Malte Huck präsentiert unter dem Namen BEACHPEOPLE mit „has-been“ sein erstes Album als Solokünstler.

 

Vier Jahre ist sein Ausstieg als Bassist bei „AnnenMayKantereit“ her. Vier Jahre sind nicht viel Zeit, gemessen an einem Menschenleben. Aber genug, um einen Neuanfang zu machen. Dass es den brauchte, wurde Huck etwa ein Jahr zuvor auf einer Reise durch die USA und Mexiko klar. Die EP „i’ll be gone for a little while“ von 2022 war das erste Lebenszeichen als BEACHPEOPLE und stilistischer Vorbote auf das Album, für das die Arbeit Ende 2023 in Österreich am Wolfgangsee begann. Auf knapp 36 Minuten Spiellänge ist „has-been“ ein sehr persönliches Archiv der bisherigen Lebensstationen und auch damit verbundenen Abschieden geworden.

 

Den von der Band, die ihn auf die größten Bühnen des Landes gebracht hat. Den von seinem Freund Julian alias Lord Folter, der 2023 starb und dem 7 Sekunden Stille gewidmet sind. Den von alten Selbstentwürfen, alten Abhängigkeiten, alten Ideen davon, wie das Leben hätte aussehen sollen oder müssen. Das Albumcover zeigt Malte als Kind, 6 oder 7 Jahre alt. Das Gesicht versteckt sich in den Händen, vielleicht zählt er gerade bis 10 und sucht uns gleich. Coming of Age heißt auch, irgendwann Kapitel abzuschließen, die noch länger sein könnten. Oder Neuanfänge da zu sehen, wo gerade das Licht hinfällt:

“IT’S AN OPENING IN THE TREES ON A SUNNY DAY IT’S A LETTER FROM MY NIECE WITH NO MISTAKES

IT’S A LITTLE BIT OF HELP IN UNCERTAIN TIMES

IT’S MISSING SOMEONE WHO WILL SOON ARRIVE”

(BOB BUCKLEY)

 

BEACHPEOPLE scheint wie eine verspiegelte Blase ohne feste Wände, ein halbfester Raum für Entdeckungen. Zusammen mit dem Künstler „woulden“, der als die andere Hälfte von BEACHPEOPLE für Fotos und Musikvideos zuständig ist, sind auf „has-been” weitere „BEOPLE” vertreten: Simon Freidhöfer als Albumproduzent, Katrin Paucz und Tilman Kerber für Backing Vocals, Bertram Burkert als zusätzlicher Gitarrist, Konrad Betcher für Keys und Backing Vocals sowie Produktion für “EMOS”, Jakob Lebsanft als zusätzlicher Drummer und Michael Nowatzky als weiterer Produzent für “CAN YOU HELP ME MOVE?”.

 

Has been COVER Artwork woulden

Artwork: woulden


Die große musikalische Souveränität in Malte Hucks Songwriting verleiht den Kompositionen einen so homogenen, zentrierten Sound, dass die fragmentarischen Texte wie vergrößerte Schnappschüsse darauf liegen. „has-been“ klingt kohärent, aber keineswegs glatt geschliffen. Überall verstreut finden sich kleine Eruptionen, Ausbrüche aus dem Flow, gröbere Kiesel im sonst feinen Sand. Der Kontrast zum Zeitgeist ist unübersehbar und gewollt, gleichzeitig war der Vergleich mit dem, was die anderen gerade machen, weder vor, während noch nach der Albumproduktion wichtig. “Ich will einfach erzählen, was nur ich erzählen kann”, sagt Huck. „LEAVING THE BAND“ hält den Zoom auf Maltes Entschluss, eine Band zu verlassen und damit eine erfolgreiche Karriere zu beenden, zugunsten der Hoffnung auf Freiheit, Selbstbestimmung und Bodenkontakt. Zum ersten Mal formuliert er in eigenen Worten, was bisher nur Spekulation und Branchen-Gossip war und räumt zugleich den Weg frei für sich selbst.

“I STOPPED TO COUNT THE NUMBERS AND STARTED TO DREAM AGAIN.”

 

Überhaupt ist bei diesem wie bei vielen Debüts das Finden der eigenen Stimme und das Schreiben der eigenen Geschichte ein sanftes, aber hörbares Leitmotiv. Leise deshalb, weil Malte Huck schon so lange Musik macht und mit sicherem Griff weiß, wie seine Musik klingen soll. Aber eben zum ersten Mal allein, ohne Band als Knautschzone. Immer wieder taucht auch das Thema Sucht auf, und damit verbunden der Wunsch nach Raussein, Taubsein, eine Art nach innen gerichtetem Fernweh. Es geht um Ankommen und Wegfahren, die Leere in den Metropolen und die Befreiung auf den Wegen dazwischen. „has-been“ umkreist seine Themen in größeren und kleineren Spiralen und kommt am Ende wieder am Anfang an:

“DO DO DO DO DO DO DO WHATEVER YOU WANT” (has-been).

 

BEACHPEOPLE Snow F wouldenEs hätte so viele Wege zurück auf die Bühne gegeben, mit Größenwahn, Verbitterung oder dem unbedingten Willen, es allen zu beweisen. Aus „has-been“ spricht ni

chts davon. Wer so jung seine Memoiren schreibt, hat entweder mit dem Leben abgeschlossen oder gerade erst mit einem neuen angefangen.

BEACHPEOPLE, sagte Malte Huck, sei der erste Versuch, neue Träume zu träumen. Dass man alte dafür gehen lassen muss, liegt in der Natur der Dinge.

WINTERBOY: Das Album beginnt ganz klassisch mit der Geburt. Ohne es zu wissen, befinden wir uns in Troisdorf, Nordrhein-Westfalen, am 12. Dezember 1993. Es regnet und ist um die 3 Grad. Das lyrische „Ich“ kommt als Kind auf die Welt, welches als „WINTERBOY“ sowohl eine große Trauer und Kälte kennt, aber in der „SUMMERLOVE“ auch die schönen und warmen Seiten des Lebens kennenlernen wird. Mit dem letzten Satz „I THINK IF I TOLD YOU YOU JUST MIGHT UNDERSTAND HOW IT FEELS TO BE SUCH A COLD-HEARTED MAN“ beginnt der Versuch ebendieser Erzählung.

MY HEART BREAKS: Die Fahrt aus dem Krankenhaus nach Hause.

 

Durch den ersten elterlichen Streit lernt das frischgeborene Kind das Gefühl der Spannung und Zerrissenheit kennen.

Ein Herz zerbricht und trotzdem muss es weiter gehen.

 

In der zweiten Strophe gibt es einen Zeitsprung und der jetzt erwachsene Mann verlässt die Sicherheit des Autos und der Kindheit, um eigene Entscheidungen zu treffen; nur, um die gleichen Fehler zu machen, die er versucht hat zu umgehen. Der erste Streit mit der großen Liebe resultieren in Rückzug, Betäubung und Sich-verändern-wollen. Das Herz bleibt gebrochen.

YOU MUST BE OUT OF YOUR MIND: Ein ruhiger, introvertierter Moment folgt.

 

Assoziative Gedanken und Fragen türmen sich auf. „Warum bin ich so überfordert und geht es anderen auch so? Wie kann ich weniger von meinem eigenen Ego getrieben werden? Was ist Privilegiertheit? Warum ist mein Freund so früh gestorben? Warum kriegt man ein Kind? Wie lernt man zu trauern? Kann man von vorne anfangen? Sind die anderen verrückt oder ich selbst?“

 

LEAVING THE BAND: Diese ganzen Fragen enden tatsächlich in einer Entscheidung: „Ich verlasse die Band!“ Der Leidensdruck der letzten Jahre wird beschrieben, reflektiert und eingeordnet. Das lyrische Ich ist so lange einem Traum hinterhergerannt, dass es nicht mitbekommen hat, dass es diesen gar nicht mehr gibt. Ein neuer Traum muss her, aber der Mut ist noch nicht da. Warum etwas wagen, wenn am Ende sowieso alles egal ist? Es braucht noch eine Weile, bis es geschafft ist, aber die Entscheidung ist klar.

 

BOB BUCKLEY – Dem Aufbruch und der bevorstehenden Veränderung steht ein Anflug von Heimweh entgegen. Eine Sehnsucht nach zuhause und Einfachheit und Geborgenheit. Der Wunsch, keine Schmerzen zu spüren und taub zu sein und raus zu sein drängt sich auf. Das lyrische Ich muss immer wieder an seine Mutter denken. Erst die Rückbesinnung auf die schönen und kleinen Dinge des Lebens und die Essenz des Traums, den man als Kind hatte, lässt den Aufbruch möglich sein und die Vermutung größer werden, dass man vielleicht schon alles bei sich hat, was man brauch. Auch wenn es Angst macht, etwas Wichtiges hinter sich zu lassen.

 

CAN YOU HELPO ME MOVE? – Endlich kommt der Aus- und Umzug. Es geht nicht ohne Krach, ohne Hass, ohne Abgrenzung, ohne Verletzung. Die Lügen müssen aufhören, sowohl die Eigenen als auch die der anderen. Träume sind schön und gut, aber was, wenn sie nichts mit der Realität zu tun haben? Wie bei einem Umzug ist dieses Lied die Frage nach Hilfe bei einer Entscheidung, die man für sich getroffen hat.

 

STAND-UP COMEDY – Das Ankommen in der neuen Wohnung. Wir begleiten das lyrische Ich in den ersten Wochen in der neuen Wohnung. Die sehen leider ganz anders aus als erhofft. Die Zeit besteht aus Kiffen, sinnlosem Glotzen, Sich-in-Gedanken-verlieren, Hinterfragen, Grübeln und Reue. Was der Aufbruch in etwas Neues werden sollte, fühlt sich bedrohlich und verloren an. Es wird zum ersten Mal deutlich, was bisher nur angedeutet wurde: Die Sucht ist nicht mehr kontrollierbar und kann allein nicht überwunden werden. Es tun sich Abgründe aus der Kindheit und Zerbrechlichkeit im Kopf auf. Ein neuer Traum muss geboren werden.

 

SYDNEY – Ein neuer Sehnsuchtsort tut sich auf. Ein neuer Traum? Man denkt an die größten Trennungen und Ängste in seinem Leben und erinnert sich daran, wie der Schmerz immer nicht wegzugehen schien, bis er es mit der Zeit doch tat. Es wird war etwas Zeit dauern, aber auch dieses Mal wird der Schmerz vorbeigehen. Leider ist es noch nicht so weit.

 

SEKUNDEN FÜR JULIAN – 7 Sekunden, die gewidmet sind an Julian Wachendorf aka Lord Folter, der Anfang 2023 viel zu früh starb und dessen Frage beantwortet werden soll: „Wie sehr magst du mich auf einer Skala von 1 bis 7?“

 

EMOS – Der emotionale Tiefpunkt des Albums ist erreicht. Man versucht, die eigene Depression in Worte zu fassen. Die Welt ist fremd und feindselig. Erst das Eingestehen von Versagen und der Blick in den Spiegel bringen jetzt noch Veränderung. „MAMA I MIGHT BE COMING HOME“ ist der Satz, der etwas frei macht, sich eingesteht und das erste Mal, wirklich zu Veränderung wird. Vielleicht könnte sich jetzt endlich etwas verändern?

 

HAS-BEEN – Am Ende des Albums kommt doch noch eine Erlösung; beziehungsweise zumindest eine Veränderung. Frische Luft kommt ins Zimmer, altbekannte Melodien erklingen und der Blick in die Zukunft und die Vergangenheit wird ein bisschen klarer. Es geht nicht mehr um Weiterkommen oder Steckenbleiben, Fressen oder Gefressen-werden. Es geht um Akzeptanz und Selbstliebe, Demut und Dankbarkeit.

 

Man kann nur glücklich werden, wenn es zu dem wird, was es schon immer war: ein „has-been“.


BEACHPEOPLE: has-been

Label: V2 Records / Bertus Musikvertrieb

CD, LP Vinyl

VÖ: 21.02.2025

Weitere Informatioenen (BEACHPEOPLE)

 

YouTube-Video:
Datenschutzhinweis zu YouTube Videos. Um das verlinkte Video zu sehen, stimmen Sie zu, dass dieses vom YouTube-Server geladen wird. Hierbei werden personenbezogene Daten an YouTube übermittelt. Weitere Informationen finden sie
HIER.
- MY HEART BREAKS — BEACHPEOPLE (2:41 Min.)

- FULL ALBUM RUN THROUGH "has-been" BY BEACHPEOPLE (34:21 Min.)

 

Track List:
01. BEACHPEOPLE - WINTERBOY 02:06

02. BEACHPEOPLE - MY HEART BREAKS 02:38

03. BEACHPEOPLE - YOU MUST BE OUT OF YOUR MIND 02:01

04. BEACHPEOPLE - LEAVING THE BAND 04:15

05. BEACHPEOPLE - BOB BUCKLEY 04:16

06. BEACHPEOPLE - CAN YOU HELP ME MOVE 02:33

07. BEACHPEOPLE - STAND-UP COMEDY (Focustrack) 03:55

08. BEACHPEOPLE - SYDNEY 03:35

09. BEACHPEOPLE - 7 SEKUNDEN FÜR JULIAN 00:07

10. BEACHPEOPLE - EMOS 04:56

11. BEACHPEOPLE - HAS-BEEN 04:03

 

Tourdaten 2025

10.3. Berghain Kantine, Berlin (DE)

11.3. Nachtasyl, Hamburg (DE)

12.3. Bumann & Sohn, Köln (DE)

19.3. Exil, Zürich (CH)

20.3. Milla, München (DE)

21.3. Arena, Wien (AT)

Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)

Kommentare powered by CComment