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„ANIME fantastisch“: Unter diesem Titel ist die dritte Ausstellung im schauraum: comic + cartoon gestartet – einem Ort, der sich ausschließlich der Präsentation des Mediums Comic verschrieben hat. Noch bis zum 25. Oktober erzählt die aktuelle Ausstellung die Geschichte des japanischen Zeichentrickfilms und seiner Rezeption in Deutschland. Zu sehen sind rund 100 Originalzeichnungen und viele weitere Objekte. Kuratiert wird die Ausstellung von Dr. Alexander Braun (German Academy of Comic Art).

 

Von „Biene Maja“ und „Heidi“ bis „Sailor Moon“, „Dragon Ball“ und „Pokémon“: „ANIME fantastisch“ präsentiert die größten Anime-Helden der vergangenen 50 Jahre und feiert eine Kunstform, die neben unbändiger Kreativität auch die Tugend disziplinierter Handwerkerschaft verkörpert. Vor der Digitalisierung bestand z.B. eine 25-minütige „Heidi“-Folge aus ca. 8.000 Bleistiftzeichnungen, weiteren 8.000 von Hand farbig bemalten Folien sowie hunderten von gemalten Hintergründen.
 

Schwieriger Start für Anime in Deutschland

Im Jahr 1977 erlebte der Anime, der japanische Zeichentrickfilm, in Deutschland seine erste Blüte: Kimba, der weiße Löwe, Pinocchio, aber vor allem „Die Biene Maja“ und Heidi flimmerten alle in diesem Jahr über die Bildschirme und versammelten regelmäßig 3 bis 4 Millionen junge und alter Zuschauer vor den Geräten.

1971 sah das noch ganz anders aus, als die ARD sich traute, den „Anime Speed Racer“ ins Programm zu nehmen. Acht Folgen hatte man angekauft, nur drei wurden gesendet. Zu heftig war der Sturm der Entrüstung von Eltern, Pädagogen und der Presse, der über den Verantwortlichen hereinbrach. Von „Skandal“, „Verrohung“ und „Totschlägergesinnung“ war da die Rede, und selbst das Magazin „Der Spiegel“ reihte sich ein in die Sorge um die deutsche Jugend. Kinderfernsehen durfte (noch) nicht schnell und actionreich sein. Die toten Gegner, die von Explosionen hingerafft wurden, wurden nicht als Stilmittel gelesen, sondern einzeln gezählt und betrauert.
 

Anime trifft Disney

Die Lehre, die das ZDF daraus für seinen Anime-Boom ab Mitte der 1970er-Jahre zog, lautete, dass ein Anime sich am besten nicht als Anime zu erkennen geben durfte. So koproduzierten die Mainzer fleißig mit und setzten für die Entwürfe der Charaktere amerikanische Disney-Zeichner durch: ein erstes Joint Venture globaler Bild-Erfindung, das die Erwartungen des Westens mit der Ästhetik des Fernen Ostens an einem Tisch zusammenführte.

Auch wenn es kaum jemand in Deutschland bemerkte, waren hier bereits die Großmeister des japanischen Zeichentrickfilms am Werke. Der Anime „Kimba, der weiße Löwe“ stammte bereits aus den 1960er-Jahren und wurde von Osamu Tezuka (1928–1989), dem „Gott des Manga“, im eigenen Studio auf Basis seines Comics aus den 1950er-Jahren produziert. Und an „Heidi“ arbeiteten bereits Isao Takahata (1935–2018) und Hayao Miyazaki (geb. 1941) Hand in Hand zusammen, die zehn Jahre später das legendäre Studio Ghibli gründen sollten, das in Sachen Kreativität die Zeichentrickwelt jenseits von Disney ganz neue Maßstäbe lehrte („Mein Nachbar Totoro“, „Prinzessin Mononoke“, „Chihiros Reise ins Zauberland“ etc.).
 

Durchbruch kam mit dem Privatfernsehen

Der Durchbruch der wahren Anime-Ästhetik, die die Jugendkulturen Japans tatsächlich zum ersten Mal mit der westlichen Welt vereinte, ereignete sich während der 1990er-Jahre, als sich in Deutschland das Privatfernsehen durchzusetzen begann. Eine neue Generation wuchs auf mit Mila Superstar, Sailor Moon, Dragon Ball und Pokémon: laut, bunt, schnell, aber vor allem zugeschnitten auf individuelle Interessen. Es gab eigene Animes für jeden Geschmack, zu Schule, Sport, Romantik, Fantasy, Action, Science Fiction, Roboter und Erotik.

Und wenn die Pädagogen glaubten, sie hätten die Kinder des Millenniums nun endgültig an die Bildschirme verloren, dann irrten sie sich. Die jugendliche Subkultur organisierte sich selbst und selbstbewusst, veranstaltete Fan-Treffen und setzte sich an die Nähmaschine, um in selbstgefertigten Cosplay-Kostümen ihre Helden zu feiern.
 

Vom Ende der traditionellen Technik

Erst die zunehmende Digitalisierung in den frühen 2000er-Jahren löste die traditionelle Technik des Zeichnens auf Folien nach fast 100 Jahren erfolgreicher Animationsgeschichte ab. So feiert die Ausstellung auch eine Kunstform, die neben unbändiger Kreativität – alles wird real, was gezeichnet werden kann – auch die Tugend disziplinierter Handwerkerschaft verkörpert. Eine 25-minütige Folge Heidi besteht nämlich aus nicht weniger als ca. 8.000 Bleistiftzeichnungen und noch einmal ca. 8.000 von Hand farbig bemalten Folien, sowie hunderten von gemalten Hintergründen. Die wenigsten davon haben überlebt.
 

„Beacons“ ergänzen die Ausstellung digital

Dank des neuen Schauraum-Sponsors 21 gibt es erstmals eine Erweiterung ins Digitale. Mit Hilfe kleiner Ultraschallsender an einzelnen Werken und einer App auf dem Handy (Comic.DO) können sich die Besucherinnen und Besucher unkompliziert zusätzliche Texte und Videos auf den Bildschirm holen.

Zur Ausstellung erscheint ein rund 200-seitiger Katalog zum Preis von 25 Euro. Es besteht zudem die Möglichkeit den Katalog über die Münchener Verlagsgruppe GmbH zum Preis von 29,99 Euro zu bestellen.
 

schauraum: comic + cartoon

Max-von-der-Grün-Platz 7

44137 Dortmund

schauraum.dortmund.de

Öffnungszeiten

Dienstag, Mittwoch 11:00 - 18:00 Uhr

Donnerstag, Freitag 11:00 - 20:00 Uhr

Samstag, Sonntag 11:00 - 18:00 Uhr

Montag geschlossen

Eine Ausstellung der Kulturbetriebe der Stadt Dortmund

Kurator: Dr. Alexander Braun (German Academy of Comic Art)

Projektleitung: Dr. Nassrin Sadeghi (Museum für Kunst und Kulturgeschichte) mit Sophia Paplowski (Stadt- und Landesbibliothek)

Mit freundlicher Unterstützung der DSW21.

Quelle: Stadt Dortmund

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