Phantom der Oper - antiquiertes, seelenloses Ausstattungstheater
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
Wer die Deutschlandpremiere des „Phantoms der Oper“ 1990 sah, dem kam der Empfang zum „Comebacks des Jahres“ vertraut vor: Demonstranten und Polizei vor dem Eingang zur Neuen Flora.
Diesmal aber kein Protest gegen das Theater, sondern dafür: Die Belegschaft der Show sei im Vergleich zu damals auf die Hälfte geschrumpft – so schimpften Mitarbeiter. Insbesondere die Musiker hätten zu leiden. Stimmt: Andrew Lloyd Webber orchestrierte das Musical neu und dampfte es auf nunmehr 14 Musiker ein. Der Klang wirkt dadurch zwar weniger raumgreifend, dafür aber eine Spur eleganter.
Soweit man so etwas bei einer Medienpremiere überhaupt beurteilen kann. Die Veranstalter sind zwar froh, damit auf einen Schlag Medienvertreter aller Art abspeisen zu können, doch aus Sicht der Journalisten haben sie den Nachteil, den fieberhaften Kraftakt der Schauspieler und Musiker, sowie die Reaktion des Publikums bei der „echten Premiere“ gar nicht mitzubekommen. Nun, das Fachpublikum nahm die Wiederaufnahme mit viel Beifall auf. Von enthusiastischem Jubel konnte allerdings keine Rede sein. Wie auch. Andrew Lloyd Webbers düster bombastischer Spuk um den verfluchten „Engel der Musik“ und seine Muse Christine in der Pariser Oper zur Zeit der Belle Epoque hat in den vergangenen 23 Jahren höchstens an antiquarischem Wert gewonnen. Die Inszenierung ist im Wesentlichen unverändert und bleibt, was sie immer war: Ein perfekt seelenloses Ausstattungstheater mit grandiosen Kostümen und Kulissen, das an dräuend schwerem Prunk, Pomp und Plüsch keine Wünsche offen lässt.
Allerdings fragt man sich, warum es Direktor Harold Price in den vergangenen 20 Jahren nicht geschafft hat, ein Phantom zu rekrutieren, das seine Rolle musikalisch ausfüllt. Mathias Edenborn überzeugt schauspielerisch durchaus als tragisch entstelltes Maskenmonster, sein Tenor allerdings verblasst gegen den warmen Sopran von Valerie Link, die ihrer Christine Daaé eine bezaubernde Jungmädchenhaftigkeit verleiht. Höhen und leise lyrische Partien schafft Edenborn nur noch gepresst, mitunter scheint er regelrecht zu wispern. Es wäre schön, das Phantom mal von einem erstklassigen Operntenor zu hören.
Christines Verlobter Raoul (Nicky Wuchinger) ist ein wunderbar leidenschaftlicher Liebhaber, sein Tenor jedoch klingt mitunter flach und klein. Durch die Bank sind die Frauen dieser Produktion sehr viel stärker bei Stimme, allen voran Rachel Anne Moore als hinreißend zickige Primadonna assoluta, gefolgt von Michaela Christi als streng mysteriöse Ballettchefin Madame Giry.
Bleibt noch der Tonnen schwere Kronleuchter zu erwähnen, der einst zum Schrecken des Publikums auf die Bühne nieder rauschte. Heute gleitet er nur noch sanft hinab. Enttäuschend – aber vielleicht trügt auch die Erinnerung.
"Phantom der Oper"
STAGE THEATER NEUE FLORA
Stresemannstr. 163, 22769 Hamburg
Vorstellungszeiten:
Dienstag, Mittwoch 18:30 Uhr
Donnerstag, Freitag 20:00 Uhr
Samstag 15:00 Uhr & 20:00 Uhr
Sonntag 14:00 Uhr & 19:00 Uhr
Weitere Informationen
Fotonachweis: Logo Musical Das Phantom der Oper © Stage Holding
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