Der Abend ist regnerisch in Hamburg. Über einen Hof im Kleinen Kielort führt der Weg zu einem Gebäude, in welchem unter dem Namen TONALi-Saal bereits seit 2018 viel gute Musik abseits der etablierten Programme und neue Vermittlungsformate auf Offenheit stoßen und begeisterte Freunde finden.
So entsteht der passende Rahmen, um in entspannter Atmosphäre ein besonderes Konzert mit Werken zweier romantisch beeinflusster Komponisten zu hören. Zwar stammen beide aus unterschiedlichen Breitengraden, jedoch schufen sie ihre Musik im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert. Es handelt sich um Zeitgenossen, den Italiener Alfonso Rendano (1853-1931) und den Russen Alexander Skrjabin (1871-1915).
Die international konzertierende italienische Pianistin Daniela Roma, die in den USA lebt, präsentierte bei ihrem Deutschlanddebüt eine Werkauswahl beider Komponisten, und man merkt sofort: Sie fühlt sich heimisch in dieser Musik. Zunächst stellte Roma Kompositionen ihres Landsmanns Alfonso Rendano vor, welche Teil ihrer vier Alben sind, die ausschließlich den Werken des in Cosenza (Kalabrien) geborenen Komponisten gewidmet sind. Es sind Kompositionen, die die Liebe zu seiner Heimat widerspiegeln. Von den „Variazioni sopra un tema calabrese“ bis zur „Tarantella“ erlebte das Publikum eine virtuose und klangvolle pianistische Darbietung, die eindeutig der Spätromantik zuzuordnen ist. Der Komponist Rendano war selbst ein bemerkenswerter Pianist, geschätzt und befreundet unter anderem mit Sigismund Thalberg und Franz Liszt.
Von den etwa 70 heute bekannten Kompositionen des italienischen Tonsetzers stellen die Klavierwerke den größten Teil seines Schaffens dar, obwohl er auch eine Oper („Consuelo") schrieb, die 1902 in Turin mit großem Erfolg aufgeführt wurde. Eine Einspielung dieses Werks wurde 2005 veröffentlicht.
Die Vorstellung und Verbreitung von Rendanos Werk ist für Daniela Roma eine wesentliche künstlerische Aufgabe – eine Art Mission: Neben den Aufnahmeproduktionen und Konzerten ist sie auch künstlerische Leiterin des „Alfonso Rendano International Music Festival“ in der Villa Rendano Cosenza, wo auch das Stadttheater nach ihm benannt wurde. Nachdem die Pianistin sich bereits seit über 20 Jahren der Verbreitung von Rendanos Musik verschrieben hat, gibt es mehr und mehr begeisterte Interpreten. Um die Albensammlung zu vervollständigen wird Daniela Roma in den kommenden Jahren auch Rendanos Klavierkonzert einspielen, dessen Manuskript sie persönlich vom Neffen des Komponisten, Marco Ruffolo, erhalten hat. Somit wird das gesamte Klavierwerk Rendanos für ein breites Publikum hör- und erlebbar und für Daniela Roma persönlich ein großes Projekt vervollständigt.
Dass Rendano in Deutschland – selbst bei Fachleuten – unbekannt ist und hierzulande so gut wie nie in Konzerten aufgeführt wird, ist angesichts des erlebten Abends kaum zu begreifen. Es ist verdienstvoll, ihn nach 150 Jahren im Rahmen des Konzertes in Hamburg ins Rampenlicht zu rücken.
Der zweite Teil des Programms war der frühen kompositorischen Periode Alexander Skrjabins gewidmet, die von seiner großen Affinität zur Welt Frédéric Chopins (1810-1849) geprägt war – eine wichtige Tatsache, die die Musik der beiden Komponisten des Abends, die sich persönlich nie begegnet sind, miteinander verbindet.
Mit dem slawischen Tonschöpfer, über den Daniela Roma auch ihre Bachelorarbeit an der Universität von Kalabrien mit dem Titel „Die Synästhesie bei Aleksandr Skrjabin und Vasilij Kandinskij“ geschrieben hat, fühlt sich die Pianistin gleichermaßen vertraut. Die für den Anlass ausgewählten Werke sind Teil ihres jüngst erschienenen Albums „Scriabin: Visionary and Poet“.
Das Repertoire folgte quasi chronologisch der Entstehungszeit der Werke, in denen der vielschichtige Einfluss von Liszt und Chopin im charakteristischen Klaviersatz sichtbare Spuren hinterlassen hat: Angefangen mit der „Etüde" cis-Moll Op. 2 des vierzehnjährigen Skrjabin über die ausgewählten „Etüden" aus Op. 8 – seiner ersten Sammlung dieser Art, die Skrjabin 1894 komponierte –, dem 1896 entstandenen „Impromptu" Op. 12 Nr. F-Dur und b-Moll bis hin zur „Fantasie" Op. 28 aus dem Jahr 1900, die mit ihrem komplexen harmonischen Geflecht die gesamte Bandbreite des Instruments auslotet und einen monumentalen Abschluss des Konzertes darstellte.
Große Emotionen in Klängen, auf die das Publikum mit nicht minder großem Beifall reagierte, welchen die sympathische Pianistin mit Alexander Skrjabins „Prelude für die linke Hand" op. 9 Nr. 1 beantwortete – sichtlich dankbar für die herzliche Aufnahme des Publikums entgegennahm.
Im Anschluss bot sich im Ambiente der angesagten Location die Gelegenheit zum Gespräch mit der Künstlerin und weiteren interessanten Gästen, die sich vom Thema des Abends inspirieren ließen.
Rendano : Skrjabin – Porträts zweier Künstler im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert
7. Oktober 2023 im Tonali-Saal, Kleiner Kielort 3-5, 20144 Hamburg
Das Konzert wurde in Kooperation von TONALi mit KulturPort.de – Follow Arts ermöglicht.
Daniela Roma: „Scriabin: Visionary and Poet“
Label: Dynamic
CD, Booklet. 2023
EAN: 80077144079840
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit der Konzert-PartizipationsApp „PARTi“ von TONALi.
KulturPort.De bedankt sich herzlich bei der Autorin Anna-Maria Maak.
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Internationales Musikfestival Alfonso Rendano in Cosenza (Geschrieben von Claus Friede - Donnerstag, 23. Juni 2022)
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