William Shakespeare ist seit 400 Jahren tot. Seine Werke leben bis heute und werden rund um den Globus gespielt. An der Staatsoper Hamburg feierte Verdis Shakespeare-Adaption „Otello“ im Januar Premiere, im März kehrt „Macbeth" mit fünf Vorstellungen auf den Spielplan zurück.
Macbeth ist ein Stück über die Schattenseiten der menschlichen Seele. Was Macht, Machtverlust oder plötzlicher Machterwerb aus Menschen machen kann, wusste keiner besser zu schildern als William Shakespeare. Zwei schottische Feldherren, Macbeth und Banco, kehren aus einem gewonnenen Krieg zurück, aber sie bringen keinen Frieden. Sie werden zu Täter und Opfer und wir erleben ihren Tod in einer Welt, in der brutale Gewalt herrscht und in der es keine Gewinner geben wird. Alle Handelnden in diesem Stück sind unterwegs, sie flüchten vor ihren Mördern, sie sind auf dem Weg in den nächsten Krieg oder sie retten sich ins Reich des Wahnsinns. Aufgezeigt wird die Geschichte vom Weg eines loyalen Vasallen zum gemeinen Mörder des Königs.
Die Prophezeiungen der Hexen haben in Macbeth einen leidenschaftlichen Ehrgeiz geweckt, der ihn zu einem zum Mord entschlossenen Machtmenschen werden lässt. Sein „moralischer Absturz“ liegt weit am Anfang des Stücks. Von da an werden nur die Folgen dargestellt, die rasch verlaufende moralische Degeneration des Protagonisten.
Für die Hamburgische Staatsoper wurde 1997 Steven Pimlott, Mitglied der Royal Shakespeare Company, mit der Inszenierung der Verdioper Macbeth betraut. Zu seinem Konzept befragt, erläuterte der britische Regisseur: „Ich denke, die Oper handelt von einer befremdlichen zwielichtigen Atmosphäre, von einem überwirklichen Raum, in dem einerseits psychische Kräfte Wirklichkeit werden und andererseits das, was erscheint, unwirklich ist. [...] Angesichts dessen, dass wir auf der Schwelle zum 21. Jahrhundert uns der Macht, die das Irrationale über uns hat, durchaus bewusst sind und auch wissen, wie gering unsere Kontrolle über das ist, was wir tun, ist das faszinierend.
Macbeth ist nicht nur ein Mann der Tat, ein Krieger, der auszieht, einen König zu töten um sich selbst zum König zu machen. Er ist in der Lage zu beobachten, was in ihm geschieht. Wir glauben heute, dass Bewusstheit und Selbstgewissheit alles ist. Und wir denken, wenn du dich selbst kennst, kann nichts schiefgehen. Macbeths Geschichte zeigt, wie sehr es dennoch schiefgehen kann.
Aber es ist wichtig, die Oper nicht zu sehr zu psychologisieren. Denn sie behandelt natürlich auch Fragen politischer Natur, etwa, wie die Macht zu erreichen ist, und wie sie erhalten werden kann. Und hier liegt vielleicht eine Verbesserung Verdis gegenüber Shakespeare. Es geht nicht nur um diejenigen, die die Macht innehaben, sondern auch um diejenigen, die unter ihr leiden. Ich denke da an die Szene mit den schottischen Flüchtlingen. Dieser Aspekt war für Verdi sehr wichtig, schließlich wissen wir von seinen Gefühlen angesichts des vom Österreich-Ungarischen Regime unterdrückten Italien.“
Giuseppe Verdi bewunderte William Shakespeare zeit seines Lebens als den größten Theaterdichter, er sah ihn als den „Vater“ aller Belange des Theaters an. Bei der Komposition des Macbeth und ebenso bei den folgenden Werken strebte er nach Realismus auf der Opernbühne, der dem Shakespeare’schen Vorbild gleichkäme. „Diese Tragödie ist eine der größten menschlichen Schöpfungen“, schrieb der Komponist an seinen Librettisten Francesco Maria Piave. „Wenn wir schon nichts Großes zu erreichen vermögen, wollen wir doch versuchen, etwas zu machen, das wenigstens jenseits des Üblichen liegt.“ Jenseits des Üblichen war der Stoff für die italienische Opernbühne Mitte des 19. Jahrhunderts allemal. Der Verzicht auf jegliche Liebeskonflikte war gewagt, die den Abgründen der menschlichen Seele zugewandte Handlung war es erst recht. Verdi schloss sich bei der Konzeption seiner Oper so eng wie möglich an das „barbarische Drama“ Shakespeares an. Hierzu komponierte er eine Musik, die eine Atmosphäre allgemeiner Bedrohung vermittelt.
Während bei Shakespeare die Folgerichtigkeit des psychologischen Vorgangs sichtbar gemacht wurde, ging es Verdi und Piave viel mehr darum, diese Begebenheiten selbst und die emotionale Erfahrung, die durch sie ausgelöst werden, szenisch und musikalisch auf der Bühne zu verwirklichen. Verdi nimmt für seinen Titelhelden keine eindeutige Zuordnung zu Gut und Böse vor. Im Zentrum des Werkes wird Macbeths zerrüttete Seele vorgeführt. Unschwer lässt sich daraus die Gefahr für ein ganzes Staatswesen ableiten, wenn ein Schwacher es dominiert.
Giuseppe Verdi: Macbeth
Musikalische Leitung: Axel Kober, Inszenierung: Steven Pimlott, Kostüme: Ingeborg BernerthMacbeth: Dimitri Platanias / Banco: Alexander Vinogradov / Lady Macbeth: Tatiana Melnychenko / La Dama di Lady Macbeth: Gabriele Rossmanith / Macduff: Dovlet Nurgeldiyev / Malcolm: Sascha Emanuel Kramer / Un Medico: Roger Smeets / Un Servitore: Gleb Peryazev / Un Sicario: Stanislav Sergeev / Apparizione 1: Stanislav Sergeev / Apparizione 2 + 3 : Hamburger Alsterspatzen / Chor: Chor der Hamburgischen Staatsoper / Orchester: Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Staatsoper Hamburg
Großes Haus, Dammtorstraße 28, 20354 HamburgPreise: 6,00 EUR bis 109,00 EUR
Aufführungstermine und Karten
Weitere Informationen
In italienischer Sprache mit deutschen Übertexten
Unterstützt durch die Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Staatsoper
Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit der Staatsoper Hamburg, Annedore Cordes schrieb den Beitrag für das Journal Nr. 3 2016/17.
Abbildungsnachweis:
Header und Textteil: Szenen aus Macbeth. Fotos: Klaus Lefebvre. (c) Staatsoper Hamburg
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