Kultur, Geschichte & Management
Zwölf Kunstwerke in zehn Jahren – das ist die stattliche Bilanz der Salzburg-Foundation

Seit 2002 hat die private Initiative unter Leitung von Walter Smerling der Mozartstadt Jahr für Jahr ein kapitales Werk geschenkt – zum Teil gegen heftige Widerstände der Bevölkerung. Den Abschluss bildete in diesem Herbst ein „skulpturaler Dreiklang“ (Smerling) der österreichischen Künstler Brigitte Kowanz, Manfred Wakolbinger und Erwin Wurm.
Und wieder gab es jede Menge Ärger im Vorfeld. Denn Wurm, der Provokateur par excellence, setzt den Salzburgern fünf mannshohe Gurken vor die Nase.

Direkt vor dem Salzburger Festspielhaus sollten sie stehen, so hatte es sich Erwin Wurm gewünscht. Es wäre doch zu schön gewesen, wenn die illustren Festspielgäste nach dem Genuss einer Oper, eines Konzerts oder Balletts auf der Hofstallgasse unversehens auf das phallisch aufragende Gemüse gestoßen wären: „Na, du Gurke, auch hier?“

Nein, was für ein unverschämter Gedanke! Solch eine Bosheit hatte der Künstler natürlich nicht im Sinn. Und wenn, würde er es nicht verraten. Da schweigt er lieber und lächelt maliziös und verweist auf seine Schau „Selbstporträt als Essiggurkel“, 2010 im Museum der Moderne Mönchsberg. Als ob die 36 individuell geformten und naturalistisch bemalten Essig- und Salatgurken, die dort gezeigt wurden, den offensichtlichen Affront relativieren würden. Nein, das tun sie nicht, ganz im Gegenteil. Wenn Wurm sich als Gurke porträtiert, wird er seine Mittmenschen kaum anders sehen. Das vermuteten wohl auch die Salzburger und reagierten entsprechend sauer. Wurms Werke stehen jetzt, angeblich aus verkehrstechnischen Gründen, vor dem Furtwängler Park der Universität und in Sichtweite eines Schiller-Denkmals. Für Walter Smerling, Chefkurator der Salzburg-Foundation und Vorsitzender der Bonner Stiftung für Kunst und Kultur, Grund genug, den deutschen Dichter gleichsam als Entlastungszeugen anzuführen: „Ernst ist das Leben, heiter die Kunst“, zitierte er Schiller beim finalen Festakt – ein recht hilfloser Versuch, den Honoratioren der Stadt den Wurm, pardon, die Gurken, schmackhaft zu machen.

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Aber das muss er auch nicht. Die Bürger werden sich einfach an die provokante Kunst gewöhnen. Genauso, wie sie sich 2002 an Anselm Kiefers begehbaren Raum , seine Bleibücherwand und das mit Natodraht bespannte Relief zu einem Gedicht von Ingeborg Bachmann gewöhnt haben. Oder an Anthony Craggs fünf Meter hohe „Caldera“ aus Bronze auf dem Makartplatz (2008). An Jaume Plensas schlafende „Awilda“ im Innenhof der Universität (2010). Oder an Markus Lüpertz‘ eigenwillige Mozart-Hommage auf dem Ursulinenplatz, die 2005 für heftig Wirbel sorgte. Es hagelte Proteste gegen die weiblich anmutende Figur mit dem kleinen, dicken, zugegebener Maßen auch etwas obszön wirkenden Mozartzopf vor der Markuskirche. Der Pfarrer hatte seine liebe Not mit aufgebrachten Passanten und ein als „Pornojäger“ bekannter selbsternannter Ordnungshüter sah sich sogar zum tätigen Angriff bemüßigt: Er teerte und federte das vermeintliche Schandstück. Mittlerweile ist der Attentäter tot und der Lüpertzsche Mozart – wie alle anderen Kunstwerke auch – das neue Aushängeschild der Stadt.

Keine Frage: Die „Salzburg Foundation“ ist eine großartige, unerhört mutige Initiative. Und sie ist bislang beispiellos. Als Walter Smerling vor zehn Jahren begann - unterstützt von einem Gremium internationaler Experten - die Mozartstadt mit Kunst im öffentlichen Raum zu bestücken, war nicht klar, ob er und seine Sponsoren durchhalten würden. Alle Werke sind ein Geschenk an die Stadt aus rein privaten Mitteln. Salzburg selbst zahlte keinen Cent, dafür griffen Großunternehmer wie Schraubenkönig Reinhold Würth und die Credit Suisse tief in ihre Kassen. „Zeitgenössische Kunst spielte vor zehn Jahren noch keine Rolle in Salzburg“, so Smerling. „Das Museum der Moderne gab es noch nicht“. Dafür jede Menge Vorbehalte. Smerling hat sich nicht schrecken lassen. Ein kapitales Werk nach dem anderen hat er der schönen Musikstadt spendiert und sie somit sukzessive auch in Bezug auf zeitgenössische Kunst profiliert.
Mittlerweile zieht der „Walk of Modern Art“ ein eigenes Publikum. Und es macht ungeheuer Spaß, hier durch die Kunst der Gegenwart zu spazieren, weil alles so dicht beieinander liegt. Marina Abramovics turmhohen, filigranen Stühle aus Edelstahl stehen an der Staatsbrücke, auf deren Brückenköpfen seit diesem Herbst nun auch die vier semitransparenten Würfel von Brigitte Kowanz zu sehen sind. Tagsüber wirken die Würfel zwar recht unscheinbar, in der Dämmerung jedoch entfalten sie eine eigentümliche Faszination. Dann leuchten Neon-Worte wie „Beyond Recall“ und „Envision“ im Inneren auf, Schriftzüge, mit denen die Bildhauerin an die Zwangsarbeiter erinnert, die diese Brücke einst errichten mussten. Und nur wenige Schritte entfernt, am Rudolfskai, findet man die elf Meter lange „Connection“ von Manfred Wakolbinger, eine Stahlröhre mit offenen Enden, die von Ferne wie eine Schlange mit Trichterkopf, eine Welle oder ein merkwürdig verformtes Musikinstrument aussieht.

Konzept der „Kunstprojekte Salzburg“ war es, dass alle Künstler ihren Standort bestimmen durften und nicht etwa „irgendwo abgestellt“ wurden, wie es im Falle Walkobinger erscheinen mag. Der österreichische Bildhauer wählte ganz bewusst diesen recht unwirtlichen Ort am Ufer der Salzach für seine imposante Plastik. Mario Merz beispielsweise versteckte sein spielerisch leichtes Zahlen-Iglu in einem Wäldchen, oben auf dem Mönchsbergs. James Turell hingegen wählte für seinen weißen begehbaren Zylinder den prominenten Standort neben dem Museum der Moderne Mönchsberg. Von innen erweist sich sein minimalistisch-kontemplativer Raum als eine Art Mönchszelle - abgeschieden von der Welt, den Blick nur auf die elliptische Öffnung gen Himmel gerichtet, der zum unmittelbaren Bestandteil des Kunstwerkes mutiert. Der stärkste Raum aber tut sich in der Krypta des Salzburger Doms auf, dort, wo Christian Boltanski wieder einmal mit einfachsten Mitteln und unerhörter Suggestionskraft die Vergänglichkeit beschwört. Ein Reigen tanzender Schatten, erzeugt von 12 ausgeschnittenen Blechfigürchen vor Kerzenlichtern, präsentiert sich dem Besucher im Halbdunkel der Gruft. Während aus dem Off unerbittlich die Zeitansage ertönt, dreht ein Todesengel über allem seine Kreise. Man kann sich kein schöneres, kein poetischeres und eindringlicheres Vanitas-Motiv denken. Oben jedoch, vor und neben dem Dom, tobt das pralle Leben. Und dort steht auch der erklärte Liebling der Touristen: Ein knapp lebensgroßer Mann auf einer riesigen goldenen Himmelskugel. Aber, wer weiß, vielleicht ist Stephan Balkenhols „Sphaera“ in Wirklichkeit ja nur die monumental vergrößerte Mozartkugel.

Fotonachweis:
Header: Stephan Balkenhol, "Sphaera". Foto: Claus Friede
Galerie:
1 und 2. James Turell, "Sky Space". Fotos: Claus Friede
6. Foto: Claus Friede
alle weiteren Fotos: Isabelle Hofmann

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