„Welcome to Jerusalem“ – die Heilige Stadt zwischen Himmel und Hölle
- Geschrieben von Christel Busch -
„Welcome to Jerusalem" heißt die aktuelle Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin. Auf tausend Quadratmetern Ausstellungsfläche und mit rund 170 Exponaten beleuchtet sie die Geschichte der Stadt und ihrer Kultur, das multikulturelle Leben seiner heutigen Bewohner. Mediale Installationen verbinden die einzelnen Themenräume. Von der römischen Besatzung unter Herodes dem Großen, den Arabern und christlichen Kreuzrittern bis zum Osmanischen Reich und der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 war und ist Jerusalem ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen.
„Jerusalem ist eine Stadt, die sowohl die Hölle auf Erden als auch den Himmel auf Erden bedeuten kann“, definiert Kuratorin Cilly Kugelmann die Heilige Stadt. In fünfzehn Räumen präsentiert das Jüdische Museum im Altbau des Hauses Dokumentarfilme, Architekturmodelle, historische Karten und Atlanten sowie Fotografien und Malereien internationaler Künstler, welche sich mit dem Thema Jerusalem auseinander setzen. Thematisiert werden aber auch die Konflikte des 20. und 21. Jahrhunderts: die Einrichtung des Britischen Mandats durch den Völkerbund in Palästina ab 1920, der UN-Teilungsplan für Palästina, die Gründung des Staates Israels im Jahr 1948 oder die Eroberung Ost-Jerusalems im 6-Tage-Krieg von 1967 sowie die gescheiterten Friedensprozesse zwischen den verschiedenen Regierungen Israels und den Vertretern der Palästinenser.
Die Ausstellung beginnt mit der filmischen Arte-Dokumentation „24h Jerusalem“ von Volker Heise und Thomas Kufus aus dem Jahr 2014, die das heutige, pulsierende Leben des modernen Jerusalem zeigt. Synagogen, Kirchen und Moscheen prägen das Stadtbild der Metropole mit den etwa 850.000 Einwohnern aus verschiedenen Ethnien und Religionen. Der westliche Stadtteil ist überwiegend jüdisch geprägt, im Ostteil überwiegen die arabische Bevölkerung sowie ein kleiner Teil Christen verschiedener Konfessionen. Hinzu kommen über drei Millionen Touristen und Pilger, die jährlich das Heilige Land und Jerusalem erkunden.
Folgt der Museumsbesucher der visuellen und akustischen Filmspur, gelangt er unter anderem in einen Raum, in dem die Architekturmodelle der drei Heiligtümer Jerusalems, die Al-Aksa-Moschee mit dem Felsendom, die West- oder Klagemauer auf dem Tempelberg und die der Grabeskirche stehen. Beeindruckend ist vor allem das detailgetreue Modell des Tempelbergs mit der Moschee und dem Dom, welches der Modellbauer und Archäologe Conrad Schick 1879 angefertigte. Es ist eine Leihgabe des Bibelmuseums in Amsterdam. Das Modell der Grabeskirche wurde vom Dom-Museum in Trier ausgeliehen. Die West- oder Klagemauer ist ein für die Ausstellung extra angefertigter Kork-Nachbau.
Die drei Bauten stehen in der historischen Altstadt Jerusalems. Über Jahrhunderte errichteten dort Juden, Christen und Muslime monumentale Bauwerke, die heute als Heiligtümer verehrt werden.
Die etwa fünfzig Meter breite und achtzehn Meter hohe West- oder Klagemauer aus mächtigen Steinquadern gilt als religiöse Kult- und Wallfahrtsstätte und als heiligster Ort der Israeliten. Nach alttestamentlichen Aussagen baute Salomo, der Sohn Davids, auf dem Tempelberg den ersten jüdischen Tempel. Im Allerheiligsten soll – der Legende nach – die Bundeslade mit den zehn Geboten gestanden haben. Von den Babyloniern zerstört, erbaute Herodes der Große einen zweiten Herodianischen Tempel, der allerdings im Laufe der Zeit von anderen Völkern und Religionenannektiert und verwüstet wurde. Es wird angenommen, dass die sogenannte Klagemauer ein Teil der Stützmauer des Plateaus gewesen ist, auf dem einst die Tempelanlage Herodes stand. Sie ist das letzte Stück des uralten Tempels und symbolisiert nach der Thora den ewigen Bund Gottes mit dem Volk Israel. Sie ist für gläubige Israeliten der Ort der Gebete und rituellen Handlungen, allerdings nach Geschlechtern getrennt – wobei die „Mauer-Frauen“ inzwischen für eine religiöse Gleichberechtigung kämpfen.
Auf dem Plateau des Tempelberges befinden sich der Felsendom und die Al-Aksa-Moschee. Beide Sakralbauten gehören zu den Meisterwerken islamischer Baukunst und zählen zu den wichtigsten Heiligtümern des Islam. Die Baugeschichte dürfte bis in das Jahr Siebenhundert zurückgehen, als arabische Stämme Jerusalem eroberten und die Stadt besetzten. Im Laufe der Jahrhunderte veränderte der Dom sein Erscheinungsbild. Über dem achteckigen, oktogonalen Grundriss erhebt sich ein etwa sieben bis acht Meter hoher Umbau, dessen Fassade heute mit orientalischen Fliesenornamenten geschmückt ist. Ein runder Aufbau mit Fliesendekor und vergoldeter Kuppel markiert das Zentrum über einem Felsen, der einen Hufabdruck vom Zauberpferd des Propheten zeigen soll. Von hier soll Mohammed auf dem geflügelten Pferd Buraq seine Himmelsreise angetreten haben, um die jüdischen Propheten im Paradies zu treffen.Deshalb gilt der 27. Tag des islamischen Monats Radjab, der "Leilat al Miraj", als bedeutender islamische Feiertag.
Nicht weit vom Felsendom entfernt, steht die zeitgleich erbaute Al-Aksa-Moschee. Nach der Al-Haram-Moschee in Mekka mit dem zentralen Heiligtum der Kaaba, der Moschee in Medina mit dem Grab des Propheten Mohammed, gilt sie als drittwichtigste Moschee des Islam. Der Zugang zum Tempelberg ist daher nur für Muslime uneingeschränkt erlaubt. Da eine Moschee nur ohne Schuhe und erst nach Durchführung der religiösen Waschungen betreten werden darf, befinden sich auf dem Tempelberg mehrere Brunnenanlagen mit Waschbecken.
Zu den großen christlichen Heiligtümern gehört die Grabeskirche in der Altstadt von Jerusalem. An dieser Stelle soll der Berg Golgatha gewesen sein, wo Jesus Christus gekreuzigt worden ist. Hier soll sich auch das Grab Jesus befinden, wo er nach drei Tagen wieder auferstanden ist.Ein frommer Glaube, der aber historisch und archäologisch schwer zu beweisen ist. Etwa um 300 nach Christus errichtete Helena, die Mutter des byzantinischen Kaisers Konstantin des Großen, an diesem vermeintlich authentischen Ort eine Kirche, die im Verlauf der Jahrhunderte zu den größten und prächtigsten des christlichen Jerusalems gehören sollte. Heute befindet sich das Heilige Grab in der Grabeskapelle, einer im Stile des osmanischen Barocks errichteten Ädikula, welche im Zentrum der Rotunde unter der Kuppel der Kirche steht. Die Grabeskirche beherbergt zahlreiche Kapellen und Schreine. Sie wird von verschiedenen christlichen Konfessionen verwaltet, wie der griechisch-orthodoxen, der armenisch-apostolischen und der römisch-katholischen Kirche. Die Schlüsselgewalt über die Kirche teilen sich seit Jahrhunderten dagegen zwei muslimische Familien, da die christlichen Nutzer unter einander zerstritten waren.
Am Ende der Ausstellung informiert eine Pinnwand mit Zeitungsartikeln über aktuelle politische Ereignisse. Angefangen mit der Erklärung des US-Präsidenten Donald Trump vom 6. Dezember 2017, soll sie bis zum Ausstellungsende im April 2019 fortlaufend ergänzt werden.
„Als Zentrum der drei monotheistischen Religionen mit ihren unvereinbaren Ansprüchen ist Jerusalem seit vielen Jahrhunderten ein Brennpunkt religiöser und politischer Konflikte“, erklärt der Direktor des Jüdischen Museums, Peter Schäfer. Es geht um das Existenzrecht des jüdischen Staates und den Anspruch Israels auf Jerusalem als Hauptstadt. Palästinenser, Syrien und der Iran lehnen dies als rechtswidrige Annexionspolitik ab und verfolgen die Auslöschung und Vernichtung der Israeliten. Allen voran die Palästinenser, welche die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt eines zukünftigen Palästina-Staates für sich beanspruchen. Donald Trumps überraschende Entscheidung, Jerusalem zur „ewigen und unteilbaren Hauptstadt“ Israels zu erklären, dürfte nicht zur friedlichen Koexistenz der Weltreligionen beitragen. Dennoch, trotz aller politischen Kontroversen bleibt Jerusalem bis heute ein Sehnsuchtsort für Juden, Christen und Muslime.
„Unsere Ausstellung will keine Lösungen anbieten, aber sie kann Verständnis für die besondere Situation Jerusalems wecken und den Besuchern helfen, sich ein eigenes Urteil zu bilden." (Museumsdirektor Peter Schäfer)
„Welcome to Jerusalem" ist eine gelungene, überaus informative und durchaus kritische Ausstellung, die das Leben dieser einzigartigen Stadt illustriert.
Zu besichtigen bis zum 30. April 2019 im Jüdischen Museum Berlin, Altbau 1. OG, Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin.
Die Öffnungszeiten sind täglich von 10 bis 20 Uhr.
Ein Katalog ist erschienen.
Weitere Informationen
Abbildungsnachweis:
Header: Jerusalem um 1900, Schwarz-Weiß-Fotografie. Quelle: Beyond Zero Sum, Middle East Common Sense.
Galerie:
01. Blick auf den zentralen Ausstellungsraum „Die heilige Stadt“. © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Yves Sucksdorff
02. 24h Jerusalem, Videostill, Volker Heise, Thomas Kufus © zero one film
03. Blick in den Raum „Der Tempel im Judentum“ mit der Installation „Augmented Temple“. © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Yves Sucksdorff
04. Korkmodell Klagemauer, Dieter Cöllen, 2017, Auftragsarbeit. © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Dieter Cöllen
05. Women of the Wall, Jerusalem, 2017, Fotografie. © Irina Lutt, Women of the Wall
06. Blick auf die Film-Rotunde “Konflikt“. © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Yves Sucksdorff
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