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Das Oldenburger Wunderhorn

Gemeint ist nicht das jährlich stattfindende internationale Frauen-Handball-Turnier um das Oldenburger Wunderhorn; gemeint ist vielmehr ein Meisterstück der spätgotischen Goldschmiedekunst: Ein aus vergoldetem Silber gefertigtes Trinkhorn aus der Zeit um 1400, das unzählige miniaturartige Architekturbauten, Fabelwesen und Ungeheuer, Menschen und Symbole schmücken.
Es erzählt von Intrigen, von Kriegen, vom Kampf der skandinavischen Königreiche mit den hanseatischen Kaufleuten und den Vitalienbrüdern um Klaus Störtebeker und dem Triumph einer Königin.

Jörgen Bracker, promovierter Historiker, Archäologe und ehemaliger Direktor des Museums für Hamburgische Geschichte, versucht das Geheimnis des legendären Wunderhorns zu enträtseln. In seiner Publikation „Ein Wunderhorn für die Königin“ taucht er tief in die Geschichte des Spätmittelalters, analysiert die Architektur, die Figuren, Kleidung und Haartracht und die zahlreichen Szenen auf dem Horn. Mittels Heraldik und Inschriften, historischer Dokumente, der Genealogie der Adelsgeschlechter ist er dem Mysterium des Oldenburger Wunderhorns auf die Spur gekommen, das über sechs Jahrhunderte als Inspiration für Literaten, Maler und Musiker diente.

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Das Oldenburger Wunderhorn mit einer Höhe (inklusive Deckel) von 35 Zentimetern und einer Länge von 22 Zentimetern (inklusive Hornspitze) gehörte einst zum Besitz der Oldenburger Grafen. Wer der Auftraggeber dieses kostbaren Kleinods war und wann es zu den gräflichen Besitztümern kam, bleibt im Dunkel der Geschichte verborgen. Dokumentiert ist, dass es seit 1592 zum Inventar des gräflichen Silberschatzes gehörte. Aber wie kam es in den Besitz des Grafen-Geschlechts? Ist das Wunderhorn ein Beutestück der Vitalienbrüder und den Oldenburgern Grafen zur Verwahrung anvertraut worden? War Oldenburg ein Umschlagplatz für geraubte Güter? Welche Botschaften verbergen sich in den Miniaturen, die das Horn schmücken? Fakt ist, dass Christian I, der älteste Sohn des Grafen Dietrich von Oldenburg, Mitte des 15. Jahrhunderts zum König von Dänemark gewählt wurde und damit die dänische Königsdynastie aus dem Hause Oldenburg gründete. Mit dem Tod von Graf Anton Günther erlosch die Oldenburger Dynastie und die Grafschaft fiel durch Erbfolge 1667 an die königlich-dänische Linie. Seitdem gehört das in Form eines Büffelhorns gearbeitete Trinkgefäß zur „Kongernes Samling“ im Schloss Rosenborg in Kopenhagen. Im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Oldenburg und im Museum für Hamburgische Geschichte befinden sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts originalgetreue Kopien.

Nach Jörgen Bracker symbolisiert das Trinkhorn die wichtigsten Lebensstationen der dänischen Regentin Margarete I., der Tochter von Waldemar IV., und den Aufstieg Dänemarks zur nordischen Großmacht. Im Alter von zehn Jahren heiratete sie 1363 den norwegischen König Håkon VI. und zog nach Oslo. Als ihr Vater 1375 starb, erbte die Zweiundzwanzigjährige das Königreich Dänemark, da es keinen männlichen Thronerben gab. Nach dem Tod ihres Gemahls Håkon, der König von Norwegen und von Schweden gewesen war, beanspruchte Margarete den schwedischen Thron für sich. Die Erbstreitigkeiten mit dem schwedischen König, ihrem Neffen Albrecht III., Herzog von Mecklenburg, um die Thronfolge begannen. Schließlich besiegte sie ihren Gegner und Rivalen 1389 in der Schlacht bei Åsle in der Nähe von Falköping. Dabei wurden Albrecht und sein Sohn Erich gefangen genommen und für sechs Jahre in der Reichsfestung Lindholmen in Schonen inhaftiert.

Es waren unruhige Zeiten: Nachdem ihr Vater mit seiner aggressiven Expansionspolitik und dem Bündnis mit den Vitalienbrüdern zwei Kriege mit der Hanse provoziert und sich Schweden und Norwegen zu Gegnern gemacht hatte, versuchte Margarete I. dem durch die Hansekriege ruinierten Dänemark wieder zu seiner einstigen Macht und Größe zu verhelfen: sie strebte einen skandinavischen Reichsverbund der Königreiche Dänemark, Schweden und Norwegen an, allerdings unter dänischer Führung. Es gelang ihr die einst verfeindeten Länder zu vereinen. „Hiermit soll alle Fehde und Zwietracht, die zwischen den Reichen hier seit langen Zeiten bestanden, niedergelegt und nie mehr aufgenommen oder hervorgebracht werden“, heißt es in der berühmten Urkunde von Kalmar im Juli 1397. Weiter heißt es „Es soll unsere Frau Königin Margarete zu ihren Lebzeiten und mit allen königlichen Rechten ausnahmslos nach ihrem Willen alles besitzen und nutzen, beherrschen und behalten.“ Margarete war damit die mächtigste weibliche Regentin auf einem Königsthron und regierte über ein Gebiet von Schleswig bis nach Grönland, Island, Färöer und den Shetland-Inseln. Aber wer sollte ihre Nachfolge antreten? Margarete war nach dem Tod ihres Sohnes Olav ohne Erben. 1387 adoptierte sie den etwa sechsjährigen Enkel ihrer Schwester Ingeborg, Erich von Pommern, und bestimmte ihn zum Thronfolger ihres nordischen Großreiches. Zehn Jahre später, im Juni 1397 wurde Erich in Kalmar als König von Dänemark, Norwegen und Schweden inthronisiert.

Um ihre Macht zu festigen, bediente sich Margarete zu Beginn ihrer Regierungszeit der Berserker, den wilden Kriegern in Wolfsfellen, und der Seeräuber, um die hanseatischen Handelswege im Nord- und Ostseeraum zu stören und ihre Burgen und Schlösser zu verteidigen. Später verfolgte die Regentin einen hansefreundlichen Kurs und beteiligte sich aktiv am Kampf gegen die Piraterie. Bei einem Besuch mit dem Thronerben Erich in Flensburg, erkrankte Margarete an der Pest und starb 1412 auf einem Schiff im Flensburger Hafen. Margarete I. fand ihre letzte Ruhestätte in einem prachtvollen Sarkophag im Dom zu Roskilde. Direkt vor dem Altar.

Folgt der Leser den Ausführungen Jörgen Brackers sind in den reich bebilderten Miniaturen aus Stadt-, Burgen- und Kirchenarchitektur, den Figuren, den zum Teil emaillierten zum Teil ziselierten Flächen mehrere Erzählebenen zu entdecken:

  • Die Vertreibung von Margaretes hanseatischer Feinde aus den Schlössern und Burgen Schonens mit Unterstützung der nordseeländischen Piraten und Berserker.
  • Der siegreiche Kampf gegen den schwedischen König Albrecht III., Herzog von Mecklenburg, und dessen Inhaftierung in der Reichsfestung Lindholmen in Schonen.
  • Die Förderung dänischer Konventschulen nach den Lehren des Dominikaners Augustinus de Dacia, die jungen Kanonikern Kenntnisse in Latein und Theologie vermitteln sollten.
  • Margarete, Regentin der Königreiche Norwegen, Schweden und Dänemark präsentiert ihren designierten Nachfolger Erich von Pommern.
  • Mit der Kalmarer Union von 1397 wird der Reichsbund der Königreiche Dänemark, Schweden und Norwegen besiegelt und Erich von Pommern zum ersten Unionskönig gekrönt.
Die neueste Publikation von Jörgen Bracker „Ein Wunderhorn für die Königin“ entführt den Leser in die Zeit vor sechshundert Jahren. In akribischer Detektivarbeit entreißt er dem sagenumwobenen Oldenburger Wunderhorn seine letzten, historischen Geheimnisse. Nach Brackers Recherchen ist das kostbare Artefakt zur Krönung des ersten Unionskönig 1397 angefertigt worden – zum Triumph der dänischen Königin Margarete I.

Jörgen Bracker „Ein Wunderhorn für die Königin“
KJM Buchverlag, 01/2017
Einband: Kartoniert / Broschiert
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 9783945465325


Abbildungsnachweis:
Header: Detailaufnahme des Oldenburger Wunderhorns. Quelle: Ich-war-hier.de (CC BY-NC-SA 3.0 DE)
Galerie:
01.
Buchumschlag Jörgen Bracker „Ein Wunderhorn für die Königin“
02. Kopie des Oldenburger Wunderhorns im Bestand des Museums für Hamburgische Geschichte, Hamburg, Deutschland. Spätmittelalterlicher Tafelaufsatz und Punkhorn zum Willekom. Symbol des Oldenburger Grafenhauses. Das Original befindet sich heute auf Schloss Rosenborg in Kopenhagen. Foto: Andreas Franzkowiak
03. Achim von Arnim (1781–1831) und Clemens Brentano (1778–1842) gaben zwischen 1806 und 1808 die dreibändige Sammlung deutscher Volksliedtexte „Des Knaben Wunderhorn“ heraus. Als Titelkupfer des zweiten Bandes (Heidelberg 1808) wurde eine Abbildung des Oldenburger Wunderhorns verwendet, für die Wilhelm Grimm (1786–1859) die Vorlage geliefert hatte und die das Oldenburger Wunderhorn allgemein bekannt machte. Quelle: Wikipedia (CC BY-NC-SA 3.0 DE).

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