Kunsthandwerk, Grafik & Design
9. Norddeutsche Handpressenmesse - BuchDruckKunst

Einen Tag ungestört in Muße zu verleben, heißt einen Tag lang ein Unsterblicher zu sein.
Wenn diese chinesische Weisheit zutrifft, haben Wibke und Stefan Bartkowiak viele unsterbliche Tage hinter sich. Seit 25 Jahren beschäftigt sich das Ehepaar aus Hamburg-Winterhude mit Dingen, für die man wirklich Muße braucht: Mit handgemachten Büchern. Dieser Tage allerdings haben die beiden kaum Zeit, ihre bibliophilen Kostbarkeiten in Ruhe zu genießen: Kommenden Freitag eröffnet die „BuchDruckKunst“, die Norddeutsche Handpressenmesse, die Wibke Bartkowiak nun schon zum 9. Mal im Museum der Arbeit organisiert. 50 ausgewählte Buchkünstler und -künstlerinnen aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland, aus England, Holland, Irland, Italien und Spanien, präsentieren hier ihre Werke: Buchobjekte, Mappenwerke und Einblattdrucke, die in Punkto Qualität und Originalität Kunstwerken gleichkommen – und mittlerweile auch zunehmend als solche geschätzt und gesammelt werden.

Medienrummel und Publicity war nie ihr Ding. Fernab jeder Öffentlichkeit bauten Wibke und Stefan Bartkowiak ein Lebenswerk auf, das Staunen macht. „Wir konnten gar nicht anders“, sagt Stefan Bartkowiak bescheiden. „Wir sind da so hineingewachsen“. In der Tat: Den Grundstein legte sein Vater, Heinz Bartkowiak (1913-1981), Dozent für Typografie in Berlin und leidenschaftlicher Sammler schöner Bücher und Grafiken. Um den schier unüberschaubaren Nachlass nach seinem frühen Tod zu bewältigen, stellte die Witwe Hedwig Bartkowiak (1910-2007) erst einmal einen Antiquariatskatalog zusammen. Sohn und Schwiegertochter wurden in die Fleißarbeit eingebunden und schon bald entwickelte das kleine Familienunternehmen die Idee, ihr Home-Antiquariat um ein Forum für zeitgenössische Buchkunst zu erweitern.

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Die Bartkowiaks gründeten in Winterhunde das „Haus der Buchkunst“, das seither in unregelmäßigen Abständen Ausstellungen und Lesungen präsentiert – und gaben im Herbst 1988 die erste Ausgabe des „Kompendiums zeitgenössischer Handpressendrucke, Künstlerbücher und Buchobjekte“ heraus. Zehn Jahre später hieß der jährliche Katalog über Buchkünstler, Ausstellungen, Messen und Museen „Bartkowiaks forum book art“ – und war so umfangreich und arbeitsintensiv geworden, dass der Grafiker und seine Frau einen gemeinnützigen Verein ins Leben riefen. Die am 15.12.1998 gegründete „BuchDruckKunst“ ist seitdem so eine Art Dachverband, für alles, was mit Kunst und Schrift zu tun hat. Sie präsentiert das große Spektrum von traditionellen Satz- und Drucktechniken, über märchenhafte Illustrationen bis zu regelrechten Papier-Skulpturen nunmehr jährlich in den Räumen des Museums der Arbeit und gibt zugleich Einblick in die Entstehung von handgemachten Büchern, angefangen vom Papierschöpfen, über das Buchbinden bis zum Fräsen von Holzbuchstaben und der Klischeeherstellung am Klischograph.

„Buchkunst wird immer noch viel zu wenig geschätzt“, sagt Wibke Bartkowiak, Vorsitzende des Vereins. „Dabei bekommt man Originalgrafiken in gebundener Form oftmals für einen Bruchteil dessen, was einzelne Blätter kosten“.
Wohl wahr. „Kindheit“, eines der „schönsten deutschen Bücher 2012/2013“ mit 16 Originalholzschnitten von Tita do Rêgo Silva zu den Erinnerungen der Publizistin und Schauspielerin Peggy Parnass war mit 48 Euro so günstig, dass es im Handumdrehen vergriffen war. Allerdings war die Auflage mit 1.000 Stück auch außerordentlich hoch, normalerweise erreichen handgedruckte Bücher selten mehr als eine Auflage von 100 Stück. Nun präsentiert die brasilianische Holzschneiderin, deren märchenhafte Gestalten längst zu einem unverwechselbaren Markenzeichen geworden sind, als Highlight ein Unikat: Ihre Bearbeitung des brasilianischen Klassikers „Grande Sertao: Veredas“ von Joao Guimaraes Rosa. Das Leporello mit seinen wunderschönen Vierfarb-Holzschnitten kostet stolze 5.000 Euro.

Die meisten Handdrucke mit Originalgrafik auf dieser Messe bewegen sich jedoch im dreistelligen Bereich: Die Erzählung „April“ von Joseph Roth beispielsweise kostet mit elf graublauen Linolschnitten von Svato Zapletal in der Luxusausgabe (auf handgeschöpftem Bütten mit Zusatzgrafik und Originalzeichnung des tschechischen Künstlers) 780 Euro und in der Normalausgabe auf weißem Karton 380 Euro. Alle Grafiken sind im Blatt signiert und nummeriert. Für das kleine Portemonnaie seien die originellen Minileporellos der Münchner Handsatzwerkstatt Fliegenkopf empfohlen, die ab 16 Euro zu erwerben sind. Jedem Büchlein hat die Schriftsetzerin Christa Schwarztrauber einen Gegenstand hinzugefügt, der sich auf den Text bezieht. So sind dem berühmten Ringelnatz-Gedicht über die zwei Ameisen, die nach Amerika reisen wollten, zwei winzige Ameisen aus Murano-Glas beigelegt und Bertolt Brechts Gedicht „Der Rabe“ ein kleiner Rabe aus Holz. Eine hinreißende Idee, die nicht nur Bücherfreunde begeistern wird.


Die 9. Norddeutsche Handpressenmesse ist zu sehen am Samstag, 18. Januar 2014 von 10 bis 19 Uhr und am Sonntag, 19. Januar 2014 von 10 bis 17 Uhr im Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, in 22305 Hamburg
Vorführungen:
Lithographie • Papierschöpfen • Buchbinden • Kalligraphie • Buchdruck • Farbherstellung mit Pigmenten • Schriftguß • Hand- und Maschinensatz • Fräsen von Holzbuchstaben • Klischeeherstellung am Klischograph • Verkauf von Material zum Setzen und Drucken
Eintritt inklusive Ausstellerverzeichnis: 9 €, ermäßigt 7 €
Konzept und Organisation: BuchDruckKunst e.V. Hamburg, Körnerstr. 24, 22301 Hamburg
Weitere Informationen


Abbildnachweis:
Headerfoto: Buchdruckkunst, MDA, 2013
01. Messeplakat
02. Wibke und Stefan Bartkowiak. Foto: Annette Dißlin
03. Tita do Rego Silva in ihrem Atelier in Hamburg St. Georg. Foto: Klaus Raasch
04. Foto: MDA

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