Secular Nite Glint – Wenn Körper Skulptur wird
- Geschrieben von Claus Friede -
Der studierte Theaterwissenschaftler „Bayerlovsky" inszenierte Opern, Theaterstücke und drehte Kurzfilme.
Er arbeitete an der Wiener Staatsoper und realisierte die unterschiedlichen Kunstprojekte in Europa. Die Fotografie gehört ebenso in sein Repertoire. Eine Auswahl der Reihe "Secular Nite Glint" ist in Münchens "Galerie für hochwertige Photographie und digitale Bildkunst" zu sehen.
In der Serie „Secular Nite Glint“, was ins Deutsche mit ‚langandauerndes nächtliches Flackern, Glitzern’ oder ‚sich wiederholender nächtlicher Glanz’ zu übersetzen ist, lud Bayerlovsky im Jahr 2011 zehn Personen während zehn Tage und Nächte in eine riesige Halle ein, um sie dort wie ein Regisseur zu inszenieren. Das ist insofern wichtig zu erwähnen, weil Bayerlovsky sich, vergleichbar einem Theaterregisseur, auf keinem der Fotos selbst inszeniert, also nie – wie so häufig in der Geschichte der inszenierten Körperfotografie – gleichzeitig Autor und Modell ist, sondern als ‚Spielleiter’ seine Verantwortung übernimmt. Das Dauer-Happening der Protagonisten sollte in der dunklen Halle, die lediglich mit einigen Handscheinwerfern ausgeleuchtet war, zu Orientierungsverlusten sowie zu unterschiedlichen Handlungs- und Erfahrungssituationen im Raum führen.
Der Dreiklang des Titels spielt die erste entscheidende Rolle: „Secular“ verweist auf ein sich wiederholendes zeitliches und weltliches Modul, während bei „Nite“ zwar eine tageszeitliche Komponente benannt wird, die sich aber lediglich als Behauptung oder persönliche Assoziation erweist. „Glint“ hingegen benennt die Flüchtigkeit des Augenblicks, ein kurzes Aufflackern ein Glitzern, das wiederum anhängig ist vom Dreiecksverhältnis von Licht, Objekt/Körper und Standpunkt des Fotografen oder später des Betrachters. So spielt der Fotograf bereits im Titel der Werkserie mit unterschiedlichen zeitlichen Komponenten und Wahrnehmungen.
Herausgekommen sind kosmische Bilder von Licht und Schatten, Körpern in einem diffusen Raum, Zeit und Vergänglichkeit – Fragmenten eines kurzen Moments. Gegensatzpaare wie Sichtbar- und Unsichtbarkeit, Gesagtem und Unaussprechlichem durchziehen die offenen inszenierten Situationen. Bayerlovsky tut dies in dem Bewusstsein, dass sich der Betrachter zum einen jenen virtuellen, geistigen Raum erobern muss, in dessen riesigen realen Pendent er selbst die Aufnahmen vorbereitete und schoss und indem seine Modelle agieren. Auch wenn der Raum auf den Fotos weder gänzlich sichtbar noch detailliert spürbar ist, so ist er dennoch als Arbeitsraum vorhanden. Zum anderen konterkariert er bewusst den Begriff der Inszenierung für den Betrachter, denn seine Inszenierung ist keine Erzählung mehr, weil sie ohne jedwede Hintergrundinformation und Geschichte auskommt. Ein Vorher oder Nachher der fragmentarisch festgehaltenen Situationen ist allem Anschein nach vorhanden, eine Decodierung aber nicht mehr sinnhaft möglich. Das was während des Happenings noch Erlebniszeit war, ist nun für den Betrachter nicht mehr übernehm- und verwertbar, er muss sein eigenes zeitliches Konstrukt bemühen.
Bayerlovsky zeigt mit starken Kontrasten und dunklen Schattenwürfen Körper. Überwiegend menschliche Körper, männliche und weibliche und immer nur einen einzigen je Aufnahme, aber auch Objekte, die nicht weiter dechiffrierbar sind. Alle Körper sind bemalt, geschminkt, golden bestäubt oder beträufelt sowie farbig beleuchtet. Sie wirken wie von Moss überzogen oder metallisch oxidiert. Die Fotoarbeiten erweisen sich somit, geprägt von einer Position des außenstehenden Beobachters im Umgang mit Körpern, die aufgrund ihrer physischen und inszenierten Verfasstheit, historisiert wirken. Trotz dieser Verfremdungen entsteht dennoch keine Irritation. Der einzelne Körper und somit der Mensch verweist auf das eigene Rollenspiel und probiert unterschiedliche Zuschreibungen aus. Daraus resultiert zwar seine Identität, die Bedeutung bleibt aber nebulös. Die fotografierten Situationen verweisen neutral ausgedrückt auf körperliche Tätigkeit und mühevolle Arbeit aber auch auf geistige Ruhe und in sich gekehrte Nachdenklichkeit. Sie können, befreit von einer historischen Mythologie, auch im Heute und Jetzt verstanden werden.
All diese Elemente geben jedem individuellen Foto eine unwiderrufliche ästhetische Atmosphäre – die Mimesis eines jeweils konzentrierten, teilweise kontemplativen Augenblicks, unabhängig vom Tätigkeitsmoment oder der Ruhe. Hinzu kommt die optische Interpretation: Tiefenunschärfe und Kamerapositionen lassen die Körper quasi in einem nunmehr mystischen Raum agieren und das Spiel von Nähe und Distanz wird modellhaft verdeutlicht. Die Körper verschmelzen in den Bildwerken von Bayerlovsky mit dem Raum. Die lichtabgewandte Seite eines Körpers löst sich im Schwarz des Raumes auf. Es ist keine räumliche Trennung mehr sichtbar. Kamera und Lichtführung sind Instrumente, um jedweden „osmotischen Austausch“ zwischen Industriehalle (Arbeitsraum) und dem aktiven oder ruhenden Körper aufzulösen. Es kreiert sich eine eigene, neue Wirklichkeit.
Der Schauplatz ist in den Fotografien – im Gegensatz zum vormals stattgefundenen Happening – nicht mehr der Ort des Geschehens. Der Körper ist es nun, er ist Skulptur.
Die Werke Bayerlovskys „Secular Nite Glint“ sind in der Galerie für hochwertige Photographie und digitale Bildkunst zu sehen, Pestalozzistraße 34, in 80469 München.
www.art-creation-net.com
Fotonachweis: Alle © Bayerlovsky
Header: Reihung aus Secular Nite Glint
Galerie: Einzelwerke aus Secular Nite Glint
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