Fotografien des kanadischen Rockmusikers Bryan Adams präsentiert noch bis zum 7. Januar das Günter Grass-Haus in Lübeck.
Zur Tradition des Hauses gehört es, Doppelbegabungen vorzustellen, auch weil sich Grass immer selbst als Doppelbegabung begriffen hat, als Autor und als Graphiker. Deshalb wurden vor Jahren Aquarelle Gottfried Kellers präsentiert oder Fotografien Arno Schmidts. Jetzt also ein Musiker, der seit Jahren auf hohem Niveau fotografiert.
Der 1959 im kanadischen Kingston, Ontario geborene, in London wohnhafte Bryan Adams hatte – und hat wohl immer noch – als Musiker riesige Erfolge, nicht zuletzt auch ablesbar an den Klickzahlen seiner großen Hits bei YouTube. Es handelt sich dabei um radiotaugliche Mainstream-Rockmusik, die Experimenten ebenso wie anspruchsvollen Instrumentierungen ausweicht. Auch mit Filmmusiken gelangen Adams hohe Umsätze. Einnahmen aus Konzerten hat der sozial und im Naturschutz engagierte Musiker seit langem großzügig gespendet, unter anderem an Amnesty International oder Greenpeace.
Selbstporträts Bryan Adams. © Bryan Adams
Seit Jahrzehnten fotografiert Adams auf professionellem Niveau – mit verschiedenen Kameras, sowohl digital als auch analog und zu verschiedenen Themen. Die Lübecker Ausstellung im Günter-Grass-Haus zeigt Beispiele aus drei Fotobüchern bzw. Fotostrecken: „Homeless“, „Wounded“ und „Exposed“. Die Mehrzahl der in Lübeck gezeigten Bilder ist schwarzweiß, und sie alle haben Menschen und ihre Gesichter zum Thema, nicht Landschaften oder Architektur.
Das Grass-Haus hat für seine Wechselausstellungen nur einen einzigen, nicht besonders großen Raum, in den die drei Kapitel gerade eben so passen. Es sind Dutzende von Fotos verschiedener Größe, so dass die Gliederung der Ausstellung sehr interessant und abwechslungsreich geworden ist.
„Homeles“ entstand auf Anregung des britischen Magazins „The Big Issue“, ein Blatt, das wie in Deutschland wie „Hinz & Kunzt“, „Motz“ „Hempel‘s“ oder „Biss“ von Obdachlosen auf der Straße verkauft wird. In aller Regel ist der Hintergrund dieser Porträts weiß. Es sind sehr direkt von vorne und damit betont kunstlos aufgenommene Fotos von Menschen, deren Gesichter allesamt vom Schicksal gezeichnet sind oder waren. Viele der Männer sind vom Gürtel an aufwärts nackt. Trotz ihres schweren Lebens lachen viele in die Kamera – die wenigsten dieser Bilder sind traurig, ähnlich wie im dritten Kapitel. Deprimierte Gesichter finden die Besucher nur im zweiten Kapitel, also ausgerechnet bei den Leuten, denen es eigentlich gut gehen sollte.
Denn „Exposed“ zeigt Bilder von Prominenten, besonders von Models oder Designern. Als der wahrscheinlich Prominenteste präsentiert sich Mick Jagger in einer Pose, wie er sie auf der Bühne zeigt, und demonstriert damit, dass er nicht gewillt ist, die Kontrolle über seine Erscheinung aufzugeben. Dann die hohlwangige Schönheit Kate Moss, die irgendwie ins Leere schaut, und noch dazu Schauspieler und Designer, von denen etliche dem Berichterstatter ganz und gar unbekannt sind; von anderen kennt er immerhin den Namen. Fotografisch gelungen sind besonders einige sehr gekonnt ausgeleuchtete Studioaufnahmen, deren düsterer Hintergrund den Kontrast nicht allein zu der dargestellten Person, sondern auch zu den weißen Hintergründen der anderen beiden Porträtgruppen bildet. Besonders reizvoll wegen des nach rechts verschobenen Schwerpunktes ist das Foto, das Dustin Hoffman in einer Liege am Strand zeigt.
Manche, nein fast alle dieser Bilder sind nicht nur gestellt, sondern manche der Porträtierten haben sich in Posen geworfen, die nicht jeder glücklich finden wird. So hat sich die Modeschöpferin Daphne Guiness in einer transparenten Bluse dekorativ in einen Sessel sinken lassen, und ähnlich macht es der Schauspieler Udo Kier in einem roten Sakko; hinten wartet ihm ein schwarzer Butler mit einem Drink auf. Vielleicht war dies als Provokation gedacht? Ganz anders dagegen Amy Winehouse, die zweimal erscheint; und beide Male sind es Porträts einer Person, die sich eben nicht in Pose wirft.
Das dritte Kapitel, „Wounded“, schließt an die Obdachlosenporträts an. Wie bei „Homeles“ ging die Initiative nicht von Adams aus, denn er wurde von einem Rehabilitationszentrum angesprochen – sein soziales Engagement war offensichtlich bekannt. Gezeigt werden die schrecklichen Verletzungen von britischen Irak- und Afghanistan-Veteranen: vor allem der Verlust von Beinen und Armen wird in den Fotos schonungslos dokumentiert – schonungslos sowohl von der Kamera als auch von den Kriegsversehrten. Adams, der sich als Pazifist versteht, stellt sich damit in Gegensatz zu Margaret Thatcher, die auf einer Siegesparade zum Abschluss des Krieges um die Falklandinseln (las Malvinas) keine Krüppel zu sehen wünschte.
Bryan Adams Photography
Zu sehen bis 7. Januar 2024 im Günter Grass-Haus, Glockengießerstraße 21, 23552 Lübeck
Öffnungszeiten: Di-So 11-17 Uhr
Weitere Informationen (Museum)
Bryan Adams: Homeless.
Steidl Verlag 2019
160 Seiten
ISBN 978-3958293878
Bryan Adams: Wounded: Legacy of War
Steidl Verlag
304 Seiten
ISBN 978-3869306773
Bryan Adams: Exposed
Steidl Verlag 2013
304 Seiten
ISBN 978-3869305004
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