Fotografie
„Ballverliebt“ – eine Fotoausstellung rund um Fußball

Was könnte besser passen zur Zeit der Fußball-WM in Russland als sich diesem Thema im Allgemeinen zu widmen. Auch wenn der Enthusiasmus in Deutschland auf sich warten lässt und es nicht sicher erscheint, ob dieser sich überhaupt noch blicken lässt, so ist die Ausstellung „Ballverliebt“ in der Handelskammer Hamburg nicht nur etwas für Fußball-Fans, für Verrückte des Leders, für 11 Freunde oder WM-Kenner, sondern auch für alle, die sich für dokumentarische Fotografie interessieren.

Die Agentur Marcard Pro Arte, geführt von Fußball-Enthusiast Mathias von Marcard, hat einen Fotografen und einen Photographie-Sammler zur Ausstellung eingeladen, die sehr unterschiedliche Interessen am „Treibballspiel“ haben.
Dass der moderne Fußball auch für die Kultur taugt, zeigt sich deutlich in der Ausstellung, in der über 70 Exponate und 13 erklärende Textfahnen zu sehen sind.

Der in Bayern beheimatete Fotograf Jens Heilmann hatte 2007 die Idee, alle Original-Bälle, die seit 1930 bei den Fußball-Weltmeisterschaften gespielt worden sind – und wenn möglich, jene aus dem jeweiligen Finale – ausfindig zu machen und immer identisch auf schwarzem Grund abzulichten. Er forschte in Privatsammlungen, Museen, bei Schiedsrichtern rund um den Globus. Nicht zu vergessen, beim Hersteller Adidas in Herzogenaurach. Dort fanden sich im Archiv allerdings lediglich Replikate. Immerhin wurde er beim DFB in Frankfurt/M. fündig: Der von allen Spielern signierte Endspielball von 1954 – sie wissen oder erinnern sich: Bern, und an den legendären und noch immer mitreißenden Kommentar von Herebert Zimmermann: „Rahn müsste schießen“ – Tor, TOOOR, TOOOOR für Deutschland...
Auch im englischen Preston, wo der Moderne Fußball zur Zeit der Industrialisierung erfunden worden sei (manche behaupten, es sei in Sheffiled gewesen), fand Heilmann WM-Bälle: den von 1930 und 1966 – letztgenannter ist der, den Helmut Haller aus dem Wembley Stadion entführte.

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Die weitere Suche, berichtet Jens Heilmann, war dann sehr beschwerlich und langwierig, mehrfach stand er mit seinem Projekt vor dem Aus. Jedoch nach drei Jahren und vielen Reisen stieß er auf den letzten ihm noch fehlenden Ball aus dem Jahr 1958 – er fand ihn in Schweden. Von den 20 Fußball-Weltmeisterschaften hat er nun jeden Endspielball fotografiert, zudem sind in der Ausstellung zwei weitere zu sehen, nämlich von legendären Spielen wie z.B. den vom sogenannten „Sommermärchen 2006“ – dem Deutschland : Argentinien-Spiel.
Jens Heilmann ist nun nicht nur die lückenlose Dokumentation gelungen, sondern gilt auch als Experte. Durch seine Begegnung mit dem in Leipzig ansässigen Fußball-Sammler René Sopp ist letztlich das Projekt von Erfolg gekrönt gewesen.

Auch wissen wir durch Heilmann jetzt, warum die Spielbälle ab 1970 plötzlich schwarz-weiß waren. Der Telstar, sicher einer der ikonischen Designs des 20. Jahrhundert, wurde 1968 bei der EM zum ersten Mal bei einem internationalen Turnier eingesetzt (zuvor war der Ball Leder-braun), da aber schließlich das Fernsehen mit Übertragungsaufnahmen anfing, und sich auf den schwarz-weiß Bildschirmen ein brauner Ball nicht deutlich erkennen ließ, wurde dieser eben kontrastreich schwarz-weiß.
„Die Zusammenstellung dieser 32 Felder, 12 fünfeckige und 20 sechseckige Felder, ist universell, für die Ewigkeit, ein schlichtes, wunderbares Design. Wenn man es sieht, denkt man „Fußball“. Dabei muss es nicht einmal rund sein“, kolportierte in einem WELT-Interview Louis Vuitton-CEO Michael Burke und bringt Hexagon-Design auf den Markt.

Jochen Raiß ist seit über 25 Jahren Sammler historischer Fotografien, er muss nicht unbedingt um die halbe Welt reisen, um seine Sammelobjekte zu finden, ihm genügen Flohmärke und Haushaltsauflösungen mit alten Fotobüchern. Bekannt wurde Raiß mit Themensammelgebieten, auf das man erst einmal kommen muss: „Frauen auf Bäumen“ – dazu gibt es zwei wunderbare Bücher, „Eisbären“ und eben Fotografien Unbekannter zum Thema Fußball. Die Publikation „Ballverliebt“ gab dann auch der Ausstellung den Titel.
Die größtenteils skurrilen und häufig urkomischen Aufnahmen entstanden ab Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts, sind überwiegend undatiert, unbetitelt, noch kennt man die Person, die die Aufnahmen gemacht hat oder gar den Ort an denen sie entstanden sind.
Die Fotos erzählen alle Geschichten von Situationen auf und um den Fußballplatz, von Hinterhöfen und Gärten, von Kindheit mit Ball, von Fans und Zuschauern, von Engagement und Einsatz, von Leidenschaft und Herzblut, von Mannschaften und Teamgeist, und vielem mehr. Es sei betont, dass Fußball nicht nur ein Männersport (gewesen) ist, in der Ausstellung sind auch kickende Frauen zu sehen in Kostümen oder posierend am Ende eines Spiels.

Jochen Raiß erzählt gerne, dass er selbst Fußball spielt, bei Komet Blankenese und die Nr. 10 trägt – „wie mein Held, Günter Netzer“. Auch er ist also „Ballverliebt“.

„Ballverliebt“

Zu sehen bis 10. August 2018
Montag bis Donnerstag von 9 bis 17 Uhr sowie Freitag von 9 bis 16 Uhr geöffnet
In der Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz 1, in 20457 Hamburg
Eintritt frei
Weitere Informationen
- Handelskammer Hamburg
- Marcard Pro Arte


Abbildungsnachweis:
WM-Bälle 1930 bis 2014. Fotos: © Jens Heilmann.
Unbekannte Fotografen; Sammlung Jochen Raiß, Hamburg.

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