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Filmfest Hamburg: Coco Chanel und Igor Strawinsky

Dialoglastigkeit kann man diesem Film nicht vorwerfen. Vieles bleibt ungesagt – aber das ist ja im wirklichen Leben auch meistens so.
Über Gefühle reden die Protagonisten schon gar nicht, außer, realistischerweise, die betrogene Ehefrau. Die des berühmten Komponisten Igor Strawinsky nämlich, der sich eine Affäre mit der ebenso berühmten Modemacherin Chanel leistet, trotz besagter Ehefrau (die auch noch schwer lungenkrank ist) und immerhin vier Kindern.

Die interessante, mehr oder weniger auf Tatsachen beruhende Geschichte dieser Beziehung hat der Engländer Chris Greenhalgh zu einem 2002 erschienenen Roman verarbeitet und er schrieb auch das Drehbuch zum Film.

Filmfest Hamburg; Filmstill und Mats Mikkelsen auf dem roten Teppich von Filmfest Hamburg.Strawinsky, der Russe, wird vom Dänen Mads Mikkelsen gespielt, vermutlich, weil er einen ähnlich schwermütigen Mund hat wie der Komponist. Ansonsten musste der Maskenbildner den eigentlich sehr ansehnlichen Mads ziemlich niederschniegeln, um ihn Igor mit angeklatschtem Haar, unkleidsamem Oberlippenbart und randloser Brille anzugleichen. (Rolf Liebermann, der Strawinsky verehrte und seine Intelligenz ebenso wie sein Genie pries, hat mal gesagt, das Gesicht des Komponisten gleiche einem gotischen Wasserspeier.)
Coco wird von der unglaublich eleganten Anna Mouglalis dargestellt, selbst früher ein Chanel-Model. Sie geht nicht, sie schreitet nicht einmal, sie gleitet vielmehr schwanenhaft dahin. Und genau das ist eben nicht ganz stimmig. Während der nahezu gleichzeitig gedrehte Film ‚Coco Chanel - Der Beginn einer Leidenschaft’ eher treuherzig und manchmal fast dokumentarisch erzählt, wie die kleine Schneiderin Gabrielle die ersten Schritte in Richtung große Modeschöpferin macht, so hat doch Audrey Tautou, die hier tapfer ihre Niedlichkeit versteckt, mehr Ähnlichkeit mit dem Original. Coco Chanel, aus einfachen Verhältnissen stammend, war letztendlich eine sehr handfeste Person, ganz sicher schlank, doch nie ätherisch. Anna Mouglalis dagegen wirkt wie eine Mischung aus Gazelle und überzüchtetem Windhund, eher Model als Macherin.

Überhaupt ist es nützlich, wenn man ‚Coco Chanel - Der Beginn einer Leidenschaft’ schon gesehen hat, bevor man sich ‚Coco Chanel und Igor Strawinsky’ einverleibt. Dann ist man nämlich über Vieles bereits bestens im Bilde, beispielsweise mit wem die noch langhaarige Mademoiselle schmust (mit dem Engländer Arthur ‚Boy’ Capel natürlich), bevor sie wieder mal ein Korsett massakriert und anschließend ins Konzert geht, oder um wen sie derart trauert, dass sie jahrelang Schwarz trägt (um denselben) und wann sie lernte, so perfekt zu reiten.

Das Konzert übrigens steht ganz am Anfang des Films, ist ungeheuer aufwendig gemacht und zeigt den herrlichen Skandal, der entstand, als Impresario Djagilew (Grigori Manoukov) 1913 das Pariser Publikum mit der Uraufführung von Strawinskys ‚Le sacre du printemps’ erschreckte. Während die Zuhörer laut protestieren, aufspringen und sich teilweise regelrecht in die Haare geraten, steht der arme Choreograph Nijinsky (Marek Kossakowski) in den Kulissen und brüllt seinen Tänzern, die von der Musik nichts mehr vernehmen, zu :“Und eins – und zwei! Und eins – und zwei!“, damit sie im Takt bleiben und weitermachen können.
Die Chanel, im Zuschauerraum, lächelt derweil ihr rätselhaftes Lächeln und fühlt sich offenbar angeheimelt, da sie ja selber antritt, zu revolutionieren und zu schockieren.

Sieben Jahre später, der erste Weltkrieg und die Russische Revolution sind vorüber, lernen Chanel und Strawinsky sich dann richtig kennen. Da er in finanziellen Schwierigkeiten steckt, bietet sie ihm und seiner Familie an, in ihrer Villa ‚Bel Respiro’ zu wohnen, die konsequent (und bildschön) Schwarzweiß gestylt ist. Diese Farblosigkeit geht Katerina Strawinsky so an die Substanz, dass sie hier und da russische Kopftücher aufhängt, um es ein kleines Bisschen bunt zu haben. Ihr schwant sowieso, dass es nicht die schiere Menschenliebe ist, die Coco zu ihrer großzügigen Einladung bewegte. Dieser Dame, die über sich selbst gesagt hat: ‚Langeweile wirkt auf mich wie ein tödliches Gift, Güte ödet mich an und Vernunft bringt mich um’ vertraut man nicht so gern den interessanten Gatten an.

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