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Die Verlegerin Filmstill

Grandioses Polit-Kino als beschwörendes Fanal.
Das Doku-Drama „Die Verlegerin” ist Steven Spielbergs unmittelbare Reaktion auf das Jahr Eins der Ära Trump, jenes US-Präsidenten, der in geifernder Polemik Journalisten als „scum” bezeichnet oder „unehrlich”, der Meinungs- und Pressefreiheit zur Farce reduziert, während er selbst täglich für neue Schlagzeilen sorgt. Regisseur Spielberg steckte 2017 mitten in den Dreharbeiten seines Science-Fiction-Thrillers „Ready Player One”, aber kurz entschlossen schob er den Film über die umstrittene Veröffentlichung der geheimen „Pentagon-Papiere” dazwischen. Es ging um die Lage im Vietnamkrieg, der jahrzehntelange Vertuschungsskandal des Weißen Hauses erschütterte 1971 die Vereinigten Staaten ähnlich wie wenig später die Watergate-Affäre. Die Parallelen zur Gegenwart sind nur zu offensichtlich, die Zeit drängt, es gilt Widerstand zu leisten. Jetzt genau wie damals.

Katharine „Kay” Graham (Meryl Streep) ist die erste weibliche Zeitungsverlegerin der USA, die renommierte “Washington Post” steht kurz vor dem Börsengang, und ob Bankiers oder Vorstandsmitglieder, eine Frau in dieser Position halten fast alle für eine Art Risikofaktor. Die Mutter von vier Kindern ist sich dessen durchaus bewusst, wird grade deshalb schnell unsicher, ringt mit Worten, spricht zu leise, wenn sie unter den kritischen zweifelnden Blicken der Männer ihren Standpunkt verteidigen muss. Auf High-Society Partys dagegen bewegt sich Kay mit größter Selbstverständlichkeit, sie ist gebildet (Vassar College), hoch intelligent, Teil jener amerikanischen Aristokratie, die die Regeln und Privilegien des Establishments bestimmt. Doch das Medienunternehmen hatte immer der Vater geleitet, es später ihrem Ehemann anvertraut, aber Philip L. Graham war schwer manisch-depressiv, 1963 erschoss er sich. Die Zukunft der „Washington Post” hängt nun bald von den Aktienkursen ab, werden es $24.50 oder $27 sein, drei Millionen Dollar mehr würden 25 zusätzliche Stellen für Reporter bedeuten. Graham setzt auf Qualitätsjournalismus, während die Mehrheit des Vorstands bunte kommerzielle Stories favorisiert, um die Geldgeber nicht zu verschrecken.

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Der Film beginnt nicht in Washington sondern in Vietnam. Der Prolog zeigt Daniel Ellsberg (Matthew Rhys) als Beobachter des Außenministeriums im Kampfgebiet. Der Militäranalyst erkennt klar, dieser Krieg ist nicht zu gewinnen, 1967 wechselt er zu der im Auftrag des Verteidigungsministeriums agierenden RAND Corporation. Seine Berichte werden wie die der Vorgänger unter Verschluss gehalten, kein Wort soll an die Öffentlichkeit gelangen. Seit 1945 sind die Informationen als streng geheim eingestuft, die Wahrheit ist tabu. Im Gegenteil, den Bürgern wird das Eingreifen im Krisengebiet Indochina als erfolgreich verkauft und ein als Sieg sicher. „Geschichte des US-Entscheidungsprozesses in der Vietnam-Politik” lautet der offizielle Titel der 7.000 Seiten umfassenden Studie, von Nixons Vorgänger in Auftrag gegeben. In mühevoller Kleinarbeit macht sich Ellsberg heimlich daran, das Dossier Seite für Seite zu kopieren und schmuggelt es geschickt aus dem Archiv. Er spielt das brisante Material der „New York Times” zu, avanciert damit zum ersten Whistleblower der amerikanischen Geschichte. Vieles wird von der Kamera (Janusz Kaminski) nur angedeutet, angerissen, oft von oben aufgenommen, als gäbe es da eine höhere Instanz, die den Überblick hat, im letzten Augenblick rettend eingreifen könnte.

Jener sensationelle Scoop der Konkurrenz ist ein harter Schlag für Chefredakteur Ben Bradlee (Tom Hanks). Vier US-Regierungen hatten über Jahrzehnte ihre Landsleute arglistig getäuscht und die “Washington Post” macht an diesem Tag mit einer läppischen Politiker-Hochzeit auf, das Foto zu beschaffen war schon demütigend genug. Gelungen der Blick hinter die Kulissen der Zeitungsmacher, Journalismus ist oft wenig glamourös. Bradlee weiß, nur die Flucht nach vorn kann ihn retten, er setzt den Reporter Ben Bagdikian (Bob Odenkirk) auf die Story der “Pentagon Papers” an. Man ist nicht pingelig beim Recherchieren, schnüffelt auch vor Ort bei den Kollegen rum, wenn es denn sein muss. Ein Gericht untersagt der „New York Times” auf Druck des Weißen Hauses weitere Veröffentlichungen aus dem militärischen Geheimdossier. Jetzt landet plötzlich das Material auf dem Tisch eines verblüfften Journalisten der „Washington Post”. Hier beginnt die eigentliche Geschichte des Films. Steven Spielberg („Lincoln”, „Der Soldat James Ryan”) verzichtet bewusst auf Pathos, gibt sich nüchterner als es sonst seine Art ist, steckt doch in dem Stoff selbst genug Emotion und politische Sprengkraft. Die entsetzlichen Bilder jenes Krieges wie das kleine vietnamesische Mädchen, das nackt und weinend vor den Napalm-Angriff flüchtet, sind längst zur historisch globalen Erinnerung geworden genau wie Francis Ford Coppolas Anti-Kriegs-Epos „Apokalypse Now” (1979) oder Michael Ciminos „Die durch die Hölle gingen” (1978).

Es gelingt, Ellsberg zu kontakten, in dunklen Zimmern werden tausende von Seiten sortiert, Ben Bagdikian hat die Kartons mit dem brisanten Material im Flugzeug neben sich auf dem Sitz verstaut, die Stewardess lächelt: „Muss ja eine kostbare Fracht sein”. „Nur Regierungsgeheimnisse” lautet die lakonische Antwort. Der Chefredakteur murrt wegen des Extra-Tickets und will die Auszüge aus den „Pentagon Papers” den nächsten Tag veröffentlichen. Graham zögert, sie kann alles verlieren, das weiß sie, ihr Vermögen, den Verlag, der ihr Leben ist, ihr und Ben drohen hohe Haftstrafen. „Wenn die Regierung gewinnt, wird es die „Washington Post” nicht mehr geben. Wenn wir sie nicht zur Verantwortung ziehen, wer dann?” insistiert Bradlee. „Wir können sie nicht zur Verantwortung ziehen, wenn wir keine Zeitung haben,” entgegnet die Verlegerin. “Journalistische Integrität contra Profit, ein zermürbender wie herzzerreißender Kampf um die Pressefreiheit, wahrhaft furios von Spielberg in Szene gesetzt. Er versteht sich auf Schlachtgetümmel, Grabenkämpfe, Angriffe aus dem Hinterhalt, die Perspektiven wechseln ständig. Ob düster verrauchte Redaktionsräume, sterile Sitzungszimmer, elegant-heimelige Georgetown-Salons oder etwas luxuriösere Restaurants, die Locations in leicht ausgeblichenen, verwelkten Farben, wirkt fast rührend bescheiden, museal, verglichen mit den protzigen lichtdurchfluteten urbanen Glas-Palästen des neuen Millenniums. Man könnte heulen, weil einen das Gefühl beschleicht, mit dem Ende des analogen Journalismus, dem tosenden Lärm der Setzmaschinen, den klappernden Schreibmaschinen und den schmuddeligen Münzfernsprechern, etwas unweigerlich verloren ist, der Respekt, das Vertrauen in eine Branche, die sich als vierte Gewalt definierte.

Das Drehbuch schrieb Newcomer Liz Hannah zusammen mit Josh Singer („Spotlight”, „The Fifth Estate” ). Die Dialoge sind manchmal etwas zu sehr auf smarte Schlagfertigkeit bedacht. „Darf ich Dir eine hypothetische Frage stellen?”- „Ich mag keine hypothetischen Fragen.” Ben Bradlee und Katharine Graham verbindet eine streitlustige Kameraderie, sie wollen beide aus der „Washington Post”, eine erfolgreichere überregionale Zeitung machen, nur wie, darauf können sie sich noch nicht einigen. Die Verlegerin verändert sich in diesen Tagen, sie ist nicht zur Rebellin geboren, aber sie wird jeden Tag selbstbewusster, unabhängiger, die 68jährige Meryl Streep ist hinreißend, wundervoll ihre subtile delikate Ironie. Robert McNamara, früher ein guter Freund, erklärt: „Nixon wird die ganze Macht seines Amtes nutzen und wenn es einen Weg gibt, Dich zu vernichten, dann wird er es.” „Ich bitte Dich um Deinen Rat, nicht um Deine Erlaubnis.” Sie ist es leid, die Männer, die alles besser wissen und so trifft sie eine ungeheuer mutige Entscheidung „Let’s do it”.

Auch Bradlee verändert sich, er der einstige Buddy von John F. Kennedy, begreift durch die „Pentagon Papiere”, der Schmusekurs mit Politikern bringt nichts. Richard Nixon tritt nur als diffuse Silhouette in Erscheinung, von Tonbandaufnahmen ertönt die Stimme des damaligen Präsidenten. Wenn er gegen die Presse wettert und fordert, dass nie wieder ein Journalist der „Washington Post” das Weiße Haus betritt, erinnert es unweigerlich an Trump und seine Fake-News-Tiraden, aber es geht um mehr als die Verfehlungen eines einzelnen Regierungsoberhauptes, es geht um das Prinzip der Demokratie, die Garantie des ersten Zusatzartikels der amerikanischen Verfassung. Spielbergs Widersacher sind auch unsere und Vietnam ein kollektives Trauma.

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Originaltitel Film: The Post

Regie: Steven Spielberg
Darsteller: Meryl Streep, Tom Hanks, Sarah Paulson
Produktionsland: USA, 2017
Länge: 117 Minuten
Kinostart: 22. Februar 2018
Verleih: Universal Pictures Germany

Fotos, Pressematerial & Trailer: Copyright Universal Pictures Germany

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