Film
Fences

Denzel Washington inszeniert das wortgewaltige Familiendrama „Fences” als Psychogramm schwarzer Identität Ende der Fünfziger Jahre in den USA. Es ist sein dritter Film als Regisseur, für vier Oscars nominiert und schauspielerisch atemberaubend.
Troy Maxson (Denzel Washington) schweigt nie, er prahlt, poltert, provoziert. Sein Geld verdient der selbstgefällige schwadronierende Patriarch bei der Müllabfuhr. Als Afroamerikaner muss er dort immer nur die Drecksarbeit verrichten, den Truck fahren die Weißen. Er ist zutiefst verbittert, trotz Talents scheiterte seine Karriere als Baseballspieler. Für all die Enttäuschungen und Demütigungen rächt sich Troy nun an seiner Frau Rose (Viola Davis) und den beiden Söhnen.

„Fences” basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von August Wilson, das 1987 am Broadway seine Premiere hatte. Es gehört zu dem berühmten zehnteiligen Pittsburgh Zyklus, dort schildert der Bühnenautor und zweifache Pulitzerpreisträger den Alltag des Rassismus aus wechselnden Perspektiven, hautnah und erschütternd. Aber Wilson, der auch das Drehbuch schrieb, reduziert die Protagonisten nie auf eine Opferrolle, seine Figuren sind komplex, widersprüchlich, manchmal bewundernswert rebellisch, aber auch verlogen, kriminell oder gefühllos. Wenn Troy mit dem jüngeren Sohn Cory (Jovan Adepo) spricht, bekommt seine Stimme einen ironisch drohenden Unterton: „In welchem Gesetz steht, dass ich Dich mögen muss?” Der alternde Athlet kann auch charmant sein, amüsant, jovial. Sein Anekdotenschatz ist unerschöpflich. Er knutscht und neckt liebevoll Rose, selbst das geht nicht ganz ohne Eitelkeit ab.

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Der Zaun des Hinterhofes symbolisiert Schutzwall, Abgrenzung und Ausgrenzung zugleich. Hier regiert Troy wie ein egomanischer Feudalherr, er verlangt Dankbarkeit und rückhaltlosen Gehorsam. Er rechnet gern den Anderen vor, wie viel er verdient und nur für sie. Mit Genuss erniedrigt er Lyons (Russell Hornsby), den Sohn aus erster Ehe und freiheitsliebenden Musiker, wenn der mal wieder ein paar Dollar borgen will. Was der tyrannische Familienvater natürlich vergisst, das Haus, Zentrum seines kleinen Imperiums, konnte er nur erwerben mit der Invalidenabfindung seines Bruders Gabriel (Mykelti Williamson). Der Kriegsveteran zieht wie ein heruntergekommener Tramp mit seiner Trompete verwirrt die Straßen auf und ab, geistig auf dem Niveau eines Kleinkindes und hat doch eine rührende Sensibilität und Momente verstörender Einsicht. Dem Zugriff des Bruders hat er sich entzogen, woanders einquartiert, obwohl er auf Hilfe angewiesen ist, sich nie selber ein Erdnussbuttersandwich schmieren könnte, aber er vertraut auf das Jenseits und himmlische Heerscharen.

Mit der Wahrheit nimmt es Troy nicht besonders genau und sie kommt auch erst am Ende des Films heraus. Die große Karriere als Baseballstar, er hat sie nicht verpasst, nur weil er Afroamerikaner ist, sondern vor allem, weil er fünfzehn Jahre wegen Raubüberfalls und Totschlags im Knast saß. Notwehr war es, behauptet der Protagonist. Er hatte Talent, aber seine Chance verspielt. Die eigene Jugend muss grauenvoll gewesen sein, von Gewalt geprägt. Er flüchtete, nur wohin soll einer wie er gehen? Die Armut, von der „Fences” erzählt, verschlägt einem den Atem. Inzwischen hat der Zuschauer gelernt zwischen Angstvisionen, Allmachtsanspruch, Übertreibungen und purer Aufschneiderei, die Wahrheit aufzuspüren. Es ging damals ums nackte Überleben. Schwarz, arbeitslos, ohne Unterschlupf, jemand wie Troy war vogelfrei. Das ihm heute sein Haus als Inbegriff des Wohlstands erscheint, ist verständlich. Unverständlich dagegen, warum er die Karriere seines Sohnes Cory torpediert. Der hat ein Footballstipendium am College in Aussicht, aber nein, sein Vater lässt es nicht zu, verweigert die Unterschrift. Er zwingt den Jungen, das Training aufzugeben, um sich als billige Aushilfe zu verdingen. Troy, der Verlierer, gönnt niemandem Erfolg, er fürchtet die Überlegenheit des Jüngeren.

Die Zeiten haben sich geändert, Schwarze und Weiße spielen zusammen im Team, trotzdem beharrt der geschwätzige Patriarch darauf, der Sohn hätte eh keine Chance. Er projiziert das eigene Versagen auf ihn. Rage und Reue vermischen sich mit Selbstmitleid. Fast ist es, als würde er auf der Rassendiskriminierung beharren, war sie doch jahrzehntelang sein Alibi für jede Art von Scheitern. So zu argumentieren, ist uns wohl wohlbekannt, im sozialen Abseits schwindet vielen der Mut, in den USA aber auch hier in Deutschland. August Wilson ist in Pittsburgh aufgewachsen, sein Vater war sudetendeutscher Einwanderer, von Beruf Bäcker und Konditor. Die Mutter, Afroamerikanerin, meist allein auf sich gestellt, musste ihre sechs Kinder als Putzfrau durchbringen. Der Autor nahm später ihren Namen an. Die Großmutter mütterlicherseits hatte einst den Weg von North Carolina nach Pittsburgh zu Fuß zurückgelegt in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Für die meisten Farbigen in den Armenvierteln blieb der Amerikanische Traum eine Illusion, ein Versprechen, das sich nie erfüllen sollte. Wilson kennt die Mechanismen von Troys Selbstaufgabe als Resultat der Unterdrückung, die Flucht vor neuen Herausforderungen, nie enden wollenden Hindernissen, eine bewusste oder unbewusst Angst immer wieder enttäuscht zu werden. Noch steckt die Bürgerrechtsbewegung in den Anfängen.

„Fences” verleugnet nie seinen Ursprung als Theaterstück, es erinnert an Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden” (1949) oder Eugene O’Neills „Eines langen Tages Reise in die Nacht” (1956). Die Familien zerbrechen im scheinbar unentrinnbaren Geflecht gegenseitiger Abhängigkeiten und Schuldzuweisungen. Rose versucht zu vermitteln zwischen Vater und Sohn. Vergeblich. Troys Tiraden haben eine frappierende bösartige Logik, er ist wie ein brodelnder Vulkan von Selbsthass, der jederzeit ausbrechen kann. Der poetisch überhöhte nuancenreiche Realismus packt den Zuschauer unerwartet wie ein knallharter Psychothriller und hat zugleich trotz des Slangs manchmal etwas von einer Shakespeare Tragödie. Der Protagonist richtet sich gemütlich ein zwischen Minderwertigkeitskomplex und Überheblichkeit, kippt wie immer am Wochenende eine Flasche Gin im Hinterhof zusammen mit Bono (Stephen Henderson), seinem weißen Kumpel von der Müllabfuhr, einer der ebenso wenig Erfolg hat wie er, meist breit grinst und ein dankbares Publikum abgibt, schon weil er kaum etwas sagt genau wie Rose. Doch jede Bemerkung des lärmenden aufbrausenden, witzigen oder zynischen Troys spiegelt sich in den Gesichtern der Beiden und ihrer Körpersprache. Das ist einfach grandios, Theaterkunst alter Schule. Denzel Washington („Glory”, „Trainingday”) und Viola Davis („The Help”) standen schon 2010 in der Neuinszenierung des Broadwaystücks zusammen auf der Bühne.

Die Zuneigung und Zärtlichkeit zwischen den ungleichen Ehepartnern ist fast körperlich spürbar. Wir, die Zuschauer, haben uns darauf verlassen, die Beziehung zu Rose machte uns diesen Antihelden sympathischer, etwas menschlicher, hier verziehen wir ihm plötzlich seine Übertreibungen. Aber er, der unaufhörlich von Pflichterfüllung, Ehrlichkeit, Sparsamkeit und Moral predigte, schwadronierte von siegreichen Kämpfen mit Teufel und Gevatter Tod, muss seiner Frau gestehen, dass er sie betrogen hat. Die junge Geliebte ist schwanger. Troy sucht nach Rechtfertigungen, faselt von unerfüllten Sehnsüchten, Freiraum, einfach einmal unbeschwert lachen können, hier hätte man ihm die Luft zum Atmen genommen. Das muss nun grade einer wie er sagen. Rose bricht zusammen, ihr Schluchzen zerreißt uns das Herz. „Und was ist mit meinem Leben?”, stößt sie voller Wut und Enttäuschung hervor. Dieser Moment offenbart alles, was eine Ehe uns abverlangt. Rose hat 18 Jahre lang jedes Opfer gebracht, ihre eigenen Träume verleugnet, nur um die Familie zu schützen. Kann das heute im Zeitalter der Gleichberechtigung und Online-Dating uns überhaupt noch berühren? Kaum eine Trennung der Kinogeschichte hat diese Power, diese unglaubliche Verzweiflung. Denzel Washingtons Film ist eine universelle Geschichte, von der unzerstörbaren Hoffnung und dem Vertrauen auf die Beständigkeit der Gefühle. „Fences”, Titel und Thema könnten nicht aktueller sein. Die Kluft zwischen Reich und Arm wächst, die sozialen Unterschiede werden zum unüberwindlichen Hindernis. Männliche Überheblichkeit scheint in diesem Moment gefährlicher als je zuvor. 

Rose ist von nun an als Rebellin zentrale Figur der Handlung. Sie wird sich nie mehr unterdrücken lassen und entwickelt eine ungeheure Kraft. Sie muss weiterleben mit dem Schmerz, aber sie schließt das Kind der toten Geliebten ebenso in ihr Herz wie den eigenen Sohn oder den durch die Kriegsverletzung verwirrten Schwager.

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Originaltitel: Fences 
Regie: Denzel Washington 
Darsteller Denzel Washington, Viola Davis, Stephen Henderson 
Produktionsland: USA, 2016   
Länge: 138 Minuten
Verleih: Paramount Picture Germany
Kinostart: 16. Februar 2017

Fotos & Trailer: Copyright Paramount Picture Germany

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