Bildende Kunst
Imi Knoebel. Werke 1966-2014

So nüchtern und sachlich ist der Titel der Ausstellung, die das Kunstmuseum Wolfsburg Imi Knoebel zum 75. Geburtstag in diesem Jahr offeriert.
Der in Düsseldorf lebende Künstler wechselte seine Vornamen Klaus Wolf – gemeinsam mit dem bereits 1974 verstorbenen Studien- und Künstlerkollegen Rainer Giese – zu Imi und so waren zunächst die beiden Imis (Giese und Knoebel) als Zweigestirn dabei, die Kunstwelt zu erobern. Das war nicht so ganz einfach, denn ihre Kunst war spröde, suchend und radikal zugleich – passend zu den 1960ern. Die ersten Ausstellungen, die Giese und Knoebel ab 1968 bestritten, hießen entsprechend „Imi & Imi“ oder „Imi Art“.
Knoebel gehörte zu jenen, die an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Joseph Beuys studierten und sich der Minimal-Art-Strömung verschrieben hatten. Reduktion war die Maxime und das Hinterfragen all dessen, was die Nachkriegskunst hervorgebracht hatte.

So nüchtern und sachlich wie der Ausstellungstitel ist auch ein Großteil des ausgestellten Œuvres des 1940 in Dessau geborenen Künstlers. Was allerdings beim Eintreten in den gigantischen Ausstellungsraum in Wolfsburg sogleich auffällt, ist die überzeugende Inszenierung. Knoebel nahm diese selbst vor, er komponierte geradezu; gestaltete und ließ seine Werke aus annähernd 50 Jahren miteinander in nachvollziehbare Dialoge treten. Zwar beginnt der „Rundgang“ durch die Ausstellung chronologisch, die frühen monochromen- und Linienbilder sind zu sehen, aber alsbald löst sich das zeitliche Band auf, und dem Besucher wird klar, dass die Bezüge weniger zeitlich, als künstlerisch begründet sind. Imi Knoebel bezieht sich nämlich immer wieder auf das eigene Werk, variiert, ergänzt bereits entwickeltes oder kreist ausgiebig und seriell um seine Themen. In der Ansammlung der Werke und der Rückschau lassen sich dann aber doch auch zeitliche Phänomene der Kunst per se festmachen. Die „Unfarbigkeit“ der 60er- und 70er-Jahre weicht zu den 90er-Jahren hin einer starken Farbigkeit, die bis ins Grelle hineinwächst. Das ist eine Reflexion auf die jeweilige Zeit und auf den Konsenz – ein sichtbares, koexistentes Zeichen der Hauptspur einer allgemein gültigen Kunstentwicklung in jenen Dekaden. Er kehrt aber auch immer wieder zur Reduktion und zu „seinen Nullpunkten“ zurück.

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In einem der raren Gespräche, das Johannes Stüttgen mit Imi Knoebel führen konnte und das im Katalog zur Ausstellung zu finden ist, verweist Knoebel mehrmals auf die Wichtigkeit von Nullpunkten. „Das Schwarze Quadrat“ von Kasimir Malewitsch ist so einer gewesen. Also ist das Bild des Russen seit seiner Auseinandersetzung mit Kunst eine große Inspirationsquelle für ihn geworden, weil es die höchste abstrakte Form darstellt. Auch er habe bei „null“ angefangen, sagt Knoebel, und das sei sehr reizvoll gewesen. Imi Knoebel geht sogar soweit: er habe auch bei „null“ angefangen, weil er ohne künstlerische Befähigung war und die Frage was man überhaupt noch machen könne, wenn doch schon alles in Kunst gesagt und gemacht wurde, hätte ihn extrem umgetrieben. Seine Antwort ist bis heute eine Abwehr gegen jegliche Form des Räsonierens über Kunst. Der Künstler entzieht sich Gesprächen über seine und die Kunst überhaupt. Interviewanfragen werden in der Regel abgelehnt. Er will Kunst nicht erklären. Ihm sei eher die Haltung eines Malers als eines Künstlers wichtig und er meint damit die Haltung eines Handwerkers gegenüber eines Erklärers.
Dieser Entzug und auch seine begriffliche Einfachheit machen die Bilder und den Umgang dennoch für viele Besucher nicht einfach. Die Werke und die Ausstellung sind neben den künstlerischen Kontexten auch Sinnbilder absoluter bildlicher Freiheit, die vieles von sich weder preisgeben können noch wollen.

Nimmt man sich Zeit in Ruhe die Ausstellungshalle und angrenzenden Räume zu durchqueren, ergeben sich zahlreiche bereichernde Blicke auf das Werk in seiner Gesamtheit. Viele Arbeiten lassen sich trotz reger Ausstellungstätigkeit Knoebels entdecken und wiederentdecken. Die große Installation „Raum 19“ (1968-2006) beispielsweise – das Werk entstand in Raum 19 der Düsseldorfer Kunstakademie – und „Batterie“ (2005) bilden einen Nukleus der Ausstellung. Sie sind sozusagen ein energetisches Zentrum. Die Kombination wirft in seiner Lagerform die Frage auf, wann ein Werk ein Werk ist. Und in welcher Form das Werk präsentiert sein muss, um es als solches zu erkennen und zu akzeptieren. Diese Fragen haben mindestens ein bis zwei Künstlergenerationen umgetrieben.

Meine Wiederentdeckung ist der Arbeitszyklus „Eigentum Himmelreich“ aus dem Jahr 1983, eine Leihgabe des Bonnefantenmuseums im niederländischen Maastricht. In der Ausstellung hat ihn Knoebel einzigartig inszeniert: in mehreren, kabinettartigen Räumen, die an den japanischen Garten des Kunstmuseums grenzen. Einzigartig deshalb, weil der Besucher nicht nur den inneren Raum mit den Werken sieht, sondern auch den fernöstlichen dahinter und dadurch wunderbare visuelle Bezüge zwischen Kunst und Architektur, zwischen europäischem und japanischem Purismus entstehen. Die Werke wirken grafisch mit ihren bemalten Gestängen, eisernen Linien, Schläuchen und gestapelten Fundstücken – wie riesige Zeichnungen im Raum – und stehen den an der Wand hängenden Sperrholzbildern des Zyklus’ gegenüber. „Eigentum Himmelreich“ fällt auch deshalb in der Werkschau auf, weil diese Arbeiten einen eigenen künstlerischen Kosmos und einen unabhängigen magischen Ort bilden. Knoebel wirkt in diesen Werken noch immer geradezu zeitlos frech und jung.

Die farbigen, sogar bunt daherkommenden Serien „Grace Kelly“ (1990) und „Anima Mundi“ (2010-2014) sind Variationsrhythmen. Imi Knoebel spricht in dem bereits erwähnten Gespräch mit Johannes Stüttgen davon, sich regelrecht in Variationen verlieren zu können. Ein Indiz für die Idee der Unendlichkeit. Zwar ist der Aufbau der mehrteiligen Arbeiten aus Aluminium streng vorgegeben, die Größen der Rahmen und Farben, die auf den Oberflächen zu finden sind variieren. Gerade in den Reihungen und der Ansammlung der Wolfsburger Ausstellung wird das Prinzip der nicht enden wollenden Modifikation evident.
Lediglich die Werke, die Bezug auf den Farbfeld-Maler Barnett Newman nehmen und dessen Titelfrage nachstellen „Who is Afraid of Red, Yellow and Blue“ (1966-70), bleiben in der Ausstellung seltsam spannungslos. Bei Knoebel heißen die Titel „Ich Nicht X“ (2006), „Fishing Yellow“ und „Ort – Blau Gelb Rot“ (2008).

Auf der Galerie präsentiert der Künstler acht farbige Tische, an denen die Besucher der Ausstellung Platz nehmen und in den ausgelegten Katalogen stöbern können. Auch die Benutzbarkeit von Objekten ist ein Phänomen der 1960er-Jahre, beispielsweise des ebenfalls aus der Düsseldorfer Kunstakademie stammenden und ein Jahr älteren Künstlers Franz Erhard Walther oder jene minimalistischen Bezüge zu Blinky Palermo. Diese Brücken zu anderen Künstlern stören Knoebel nicht im geringsten, vielmehr hat man den Eindruck, sie sind gewollt.

Imi Knoebel. Werke 1966 – 2014
Zu sehen noch bis zum 15.02.2015 im Kunstmuseum Wolfsburg, Hollerplatz 1, in 38440 Wolfsburg
Gastkuratorin: Marie-Amélie zu Salm-Salm
Es ist ein Katalog erschienen mit Essays von Marie-Amélie zu Salm-Salm, Martin Schulz und Max Wechsler, Interview des Künstlers mit Johannes Stüttgen, Statements von Ausstellungsmachern und Wegbegleitern sowie einer ausführlichen Werkbiografie von Carmen Knoebel und zahlreiche Installationsaufnahmen. Kerber Verlag. Museumspreis € 38. Erscheint während der Ausstellungslaufzeit.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 11 - 18 Uhr, montags geschlossen
Eintrittspreise: Tageskarte 8 €; ermäßigt 5 €, Familienkarte 12 €, Jahreskarte 30 €, Gruppen ab 12 Personen pro Person 5 €

Weitere Informationen: www.kunstmuseum-wolfsburg.de


KulturPort.De dankt der DB Bahn für die Unterstützung.


Abbildungsnachweis: VG Bild-Kunst, Bonn 2014
Header: Blick in die Ausstellung. Foto: Claus Friede
Galerie:
01. Imi Knoebel. Foto: Marek Kruszewski. © VG Bild-Kunst, Bonn 2014
02. s 0,7 w 0,8, 1967, weiße und schwarze Dispersion auf Linnen über Hartfaser, 160,4x130,3x5cm. Kunstmuseum St.Gallen, St. Gallen. Erworben von der Marie Müller-Guarnieri-Stiftung und der Ernst Schürpf-Stiftung 2000. Foto: Nic Tenwiggenhorn.
03. Schwarzes Kreuz, 1968, schwarze Dispersion auf Linnen über Hartfaserplatte, 308x208x5,1cm, 4 Teile je 99,5x99,3x5,1cm, Sammlung Olga und Stella Knoebel. Foto: Nic Tenwiggenhorn
04. Raum 19 III, 1968/2006, Hartfaser, Holz, Keilrahmen, Besitz des Künstlers. Foto: Ivo Faber
05. und 06. Blick in die Ausstellung „Imi Knoebel. Werke 1966-2014“ – „Eigentum Himmelreich“ im Kunstmuseum Wolfsburg, Foto: Marek Kruszewski
07. Grace Kelly III-5, 1990, Acryl, Holz, 250x170x9cm. SCHAUWERK Sindelfingen. Foto: Nic Tenwiggenhorn
08. Anima Mundi 6-4, 2014, Acryl, Aluminium, 4-teilig, je 37x29x5,8 cm. Courtesy Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg. Foto: Ivo Faber
09. bis 12. Blicke in die Ausstellung „Imi Knoebel. Werke 1966-2014“. Foto: Marek Kruszewski
Video: Claus Friede.

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