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Die Jury des Pauli-Preises spricht im Jahr 2024 Gabriele Stötzer (vorgeschlagen von Hilke Wagner, Direktorin des Albertinum, Dresden) den mit 30.000 Euro dotierten Preis zu. Die öffentliche Preisverleihung findet statt am Dienstag, dem 17. September, um 19 Uhr in der Kunsthalle Bremen. Die Laudatio hält Hilke Wagner. Die Werke der Preisträgerin sowie der weiteren sieben nominierten Künstler*innen sind noch bis zum 13. Oktober in der Kunsthalle zu sehen.


Gabriele Stötzer, 1953 in Emleben (Thüringen) geboren, hat seit den 1970er Jahren bis heute ein eindrucksvolles Werk geschaffen, in dem sie sich mit Geschlechterrollen und kulturellen Normen kritisch auseinandersetzt. Mit dem weiblichen Körper als Ausgangspunkt und Subjekt ihres künstlerischen Schaffens trotzte Stötzer den ihr auferlegten Repressionen durch das politische System der DDR und entwickelte eine einzigartige Kunstpraxis, die bis heute relevant ist. Maßgeblich geprägt ist ihr Werk durch eine einjährige Haftstrafe, die sie wegen Staatsverleumdung im Frauengefängnis Hoheneck in Stollberg (Erzgebirge) ertragen musste. Sie hatte sich 1976 an einer Unterschriftensammlung gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann ausgesprochen. In vielen Arbeiten wie etwa dem Gemäldezyklus „Aus der Isolierung nach dem Knast“ (1978/79) verarbeitet Stötzer ihre psychischen und physischen Erfahrungen während der Haftzeit.


In ihren Werken verschmelzen ihre persönlichen Erfahrungen mit einer intensiven körperbetonten Arbeitsweise. Dabei drückt sich Stötzer in unterschiedlichen Medien aus – von Texten, textilen Arbeiten, Fotografie, Zeichnung, Performance, Video, Malerei, Keramik bis zu Plastik. Oftmals ist der selbstbestimmte, weibliche Körper Ausgangspunkt und Bildträger ihrer Auseinandersetzung. In ihren experimentellen Darstellungsweisen bewegt sich Stötzer fern vom gesellschaftlichen Frauenbild und fernab vom vorherrschenden männlichen Blick. „Gabriele Stötzer hat mit ihrer Kunst feministische Kritik und Themen zur Geschlechteridentität formuliert und diese zu einer Zeit visualisiert, als solche Ansätze in der DDR kaum vorhanden waren, als sie vom Staat stigmatisiert, kriminalisiert und von der männlich dominierten Kunstszene der ersten und zweiten Öffentlichkeit ausgegrenzt wurde. Ihre Bildwelten sorgten für Verwirrung, Irritation und Provokation.“, so Franziska Schmidt, Bearbeiterin des Werkverzeichnisses von Gabriele Stötzer.

Fotos: Gabriele Stötzer in der Kunsthalle Bremen, 2024; Installationsansicht mit Werken von Gabriele Stötzer aus der Ausstellung des Pauli-Preises 2024, Kunsthalle Bremen; Gabriele Stötzer, „Meine große Schwester“ (2022) aus dem Triptychon „Frauenkraft“, Figur aus verschiedenfarbiger originaler Schafwolle von 1986, auf originales Netz von 1984 geknüpft, mit Keramikelementen von 2021 assembliert.


Die Begründung der Jury:
„Mit Gabriele Stötzer wird eine Künstlerin ausgezeichnet, deren reichhaltiges Lebenswerk besondere Beachtung verdient. Die Vielfältigkeit ihrer Aktivitäten, von Fotografie, Performance, Malerei und Objektkunst im Kontext feministischer Selbsterkundung sticht besonders hervor und war auch für die Jury eine Entdeckung. Besonders ihr Wirken im Osten Deutschlands während der Teilung hat die Jury beeindruckt und wie sie diese künstlerische Handschrift bis heute fortschreibt. Sie durchbricht mit ihrem Werk, in dem häufig ihr eigener weiblicher Körper inszeniert wird, sowohl politische wie gesellschaftliche Grenzen und schafft beeindruckende Kunst von großer Widerständigkeit. Ihr Wirkungsort ist seit vielen Jahrzehnten Erfurt, eine Stadt im Osten Deutschlands, deren reiche Kunstszene es im Gegensatz zu Städten wie Leipzig und Dresden noch zu entdecken gilt. Ohne direkten Kontakt zum Westen hat Gabriele Stötzer in Erfurt Arbeiten entwickelt, die zuerst in kleinen Kreis der sogenannten Wohnungsausstellungen zu sehen waren und nach der Wende einem größeren Publikum vorgestellt werden konnte. Die Verleihung des Pauli-Preises 2024 an Gabriele Stötzer soll ihre Sichtbarkeit weiter unterstützen.“

 

Terminhinweise:
• Dienstag, 17. September, 19 Uhr: Preisverleihung
• Donnerstag, 26. September, 13 Uhr: Kunstpause
• Dienstag, 1. Oktober, 19 Uhr: DIE JUNGEN, Führung für alle von 20-40 Jahre
• Donnerstag, 10. Oktober, 13 Uhr: Kunstpause

 

Mitglieder der Jury des Pauli-Preises 2024:
• Dr. Yilmaz Dziewior, Direktor des Museum Ludwig, Köln
• Johan Holten, Direktor der Staatlichen Kunsthalle Mannheim
• Christoph Ruckhäberle, Künstler, Leipzig
• Dr. Andrea Schlieker, Ausstellungsdirektorin an der Tate Britain, London

 

Die acht nominierten Künstler*innen und Nominator*innen für den 49. Pauli-Preis:
• Katrin Brause (*1972 in Leipzig, lebt und arbeitet in Leipzig) vorgeschlagen von Anna Wesle, Museum Franz Gertsch, Burgdorf/ Schweiz
• Benjamin Hirte (*1980 in Aschaffenburg, lebt und arbeitet in Wien) vorgeschlagen von Severin Dünser, freier Kurator, Wien
• Christof John (*1984 in Hannover, lebt und arbeitet in Köln) vorgeschlagen von Dr. Roland Mönig, Von der Heydt-Museum, Wuppertal
• Annika Kahrs (*1984 in Achim, lebt und arbeitet in Hamburg und Berlin) vorgeschlagen vom Stifterkreis für den Pauli-Preis, Kunstverein in Bremen
• Marcus Neufanger (*1964 in Nürnberg, lebt und arbeitet in Schwäbisch Hall) vorgeschlagen von Prof. Dr. Christoph Grunenberg, Kunsthalle Bremen
• Cemile Sahin (*1990 in Wiesbaden, lebt und arbeitet in Berlin) vorgeschlagen von Mirjam Varadinis, Kunsthaus Zürich
• Gabriele Stötzer (*1953 in Emleben, lebt und arbeitet in Erfurt) vorgeschlagen von Hilke Wagner, Albertinum, Dresden
• Jenna Sutela (*1983 in Turku, Finnland, lebt und arbeitet in Berlin) vorgeschlagen von Stefanie Böttcher, Kunsthalle Mainz

 

Hintergrundinformationen zum Pauli-Preis:
Seit 2023 trägt der Kunstpreis der Böttcherstraße den Namen Pauli-Preis. Der Name Pauli steht für Fortschritt und mutige Sammlungspolitik. An diese Geisteshaltung knüpft der Name des Kunstpreises an. Gustav Pauli verdankt die Sammlung der Kunsthalle Bremen Werke unter anderem von Courbet, Manet, Monet, Rodin und van Gogh – damals zeitgenössische Werke, die höchst umstritten waren. Er propagierte die Idee eines modernen Museums und einer demokratischen Institution, die in der Gegenwart verwurzelt ist und allen Bevölkerungsschichten offensteht. Auch der Pauli-Preis steht ganz im Sinne Gustav Paulis für die zeitgenössische Kunst ein. Finanziert wird der Pauli-Preis vollumfänglich vom Stifterkreis für den Pauli-Preis, der sich aus einer Gruppe von Mitgliedern des Kunstvereins in Bremen zusammensetzt sowie dem Senator für Kultur und der Sparkasse Bremen. Der Stifterkreis ist seit 1985 Träger des Kunstpreises der Böttcherstraße und machte sein Fortbestehen möglich.


Dank des Stifterkreises konnten in der Vergangenheit auch Kunstwerke der jeweiligen Preisträger*innen für die Sammlung der Kunsthalle Bremen angekauft werden.

 

Quelle: Kunsthalle Bremen

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