Das Konzertprogramm FLÜSSE markiert den Start einer besonderen Neuheit für die Jungen Deutschen Philharmonie: Das Orchester hat erstmals mit Matthias Pintscher einen Composer in Residence eingeladen, der es die gesamte Saison 2023/24 begleiten wird. Im Herbst wird der ehemalige Musikdirektor des Ensemble intercontemporain zudem in seiner Doppelrolle als Komponist und Dirigent zu erleben sein. „Mit großer Freude sehe ich den Begegnungen mit den Musikerinnen und Musikern der Jungen Deutschen Philharmonie entgegen“, so Pintscher. „In unserer gemeinsamen Saison begreife ich mich vor allem als Composer in presence, der das Orchester virtuell und real begleitet. Mir ist wichtig, zu erfahren, was die junge und jüngste Generation von Musikern in Europa bewegt. Ich habe Initiativen dieser Art in Amerika gemacht und bin jetzt gespannt, in meinem Heimatland zu spüren, was heute geschieht. Dieser Dialog ist das, worauf ich mich am meisten freue.“
Pintschers Orchesterwerk Neharot, wird das abwechslungsreiche Programm eröffnen. Er komponierte es unter dem Eindruck der Corona-Pandemie, „während der schlimmsten Zeit der vielen täglichen Todesfälle im Frühjahr 2020“. Neharot bedeutet "Fluss" und leiht der Herbsttour der Jungen Deutschen Philharmonie seinen Titel, aber auch "Tränen". Das Werk ist als Kaddisch für die Opfer der Pandemie gedacht. Doch es erzählt nicht nur von Trauer und Angst, sondern auch von Hoffnung und Licht. Denn "Fluss" bezieht Pintscher auch auf die unterirdischen Flüsse, die sich unter der Kathedrale von Chartres kreuzen, die mehrmals zerstört, aber auch immer wieder aufgebaut wurde.
Ganz anders Felix Mendelssohns Konzert für Violine e-Moll op. 64: Es klingt so licht und zart, dass die gewagten musikalischen Neuerungen, die Mendelssohn darin einführte, fast überhört werden könnten: Der erste Satz beginnt direkt mit dem schwebenden Violinthema, erster und zweiter Satz fließen ineinander über, und auch zwischen den stark kontrastierenden Sätzen 2 und 3 vermittelt die Violine. Wie eine unendliche Melodie fließt das Werk, fortgetragen von der Violine, interpretiert von der jungen, international gefeierten niederländischen Violinistin Nora Wildschut.
In einen ganzen Ozean und bis zum Meeresgrund taucht das Publikum schließlich mit Alexander Zemlinskys Orchesterfantasie Die Seejungfrau. Andersens Märchen von der kleinen Meerjungfrau, die für ihre Liebe zu einem Prinzen alles aufgibt und dann stumm zusehen muss, wie dieser eine andere heiratet, ist wie die Geschichte von Zemlinskys unglücklicher Liebe zu Alma Schindler zu lesen, die mit ihm brach, um Gustav Mahler zu heiraten. Kurz vor Almas Hochzeit begann Zemlinsky mit der Komposition seines Werks. Als er vor den Nationalsozialisten ins amerikanische Exil floh, verblieb ein Teil der Partitur des Werks, an dem Zemlinsky selbst zweifelte, in Wien. Und so wurde Die Seejungfrau lange Zeit vergessen und erst 1984 wiederentdeckt.
Matthias Pintscher
Matthias Pintscher ist in der Saison 2023/24 Composer in Residence der Jungen Deutschen Philharmonie und im Rahmen der Herbsttournee in seiner Doppelrolle als Komponist und Dirigent zu erleben. Seine Ausbildung als Dirigent begann Pintscher bei Peter Eötvös. Zu dieser Zeit wurde für ihn das Schreiben eigener Werke immer wichtiger – schon bald nahmen das Dirigieren und Komponieren den gleichen Raum ein. Als Komponist und Dirigent gehört Pintscher zu den wichtigsten Fürsprechern der zeitgenössischen Musik. 2022/23 war seine letzte Saison als Musikdirektor des Ensemble intercontemporain, dem er seit 2013 vorstand. Von 2016 bis 2018 leitete er als Nachfolger von Pierre Boulez das Lucerne Festival Academy Orchestra. Ab der Saison 2024/2025 wird Pintscher das Kansas City Symphony Orchestra als musikalischer Direktor begleiten. Pintscher gehört zu den führenden Komponisten unserer Zeit. Zu den jüngsten Höhepunkten zählt die Premiere seines Cellokonzerts Un Despertar mit Alisa Weilerstein und dem Boston Symphony Orchestra sowie sein 2020 uraufgeführtes Konzert für Bariton, Chor und Orchester Shir IV mit Georg Nigl, Chor und dem BRSO. 2022 wurde sein drittes Violinkonzert Assonanza II vom Cincinnati Symphony Orchestra und Leila Josefowicz uraufgeführt. Seit 2014 ist Pintscher außerdem Professor für Komposition an der Juilliard School in New York.
Noa Wildschut
Im Alter von sieben Jahren gab Noa Wildschut (*2001) ihr Debut im Concertgebouw Amsterdam, heute hat sie bereits ihren Platz auf den internationalen Bühnen erobert. Von Anne-Sophie Mutter als „zweifellos eine der musikalischen Hoffnungen ihrer Generation“ bezeichnet, arbeitet sie mit Orchestern wie dem Pittsburgh Symphony Orchestra, dem Radio Philharmonic Orchestra of Holland, der Niederländischen Philharmonie und dem Kammerorchester des Concertgebouw Amsterdam, der Dresdner Philharmonie, dem Royal Scottish Symphony Orchestra, dem Royal Liverpool Philharmonic und der Camerata Salzburg zusammen. Als ehemaliger "Rising Star" der European Concert Hall Organisation spielte Wildschut Rezitale in den wichtigsten Konzertsälen Europas. Als Kammermusikerin trat sie bereits bei führenden Festivals wie den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, wo sie mit dem Preis "Solistin des Jahres 2018" ausgezeichnet wurde, dem Rheingau Musik Festival, dem Festival Heidelberger Frühling und dem Vevey Spring Classics Festival auf. Die Junge Deutsche Philharmonie arbeitet im Rahmen der Herbsttournee 2023 erstmalig mit Wildschut zusammen.
Junge Deutsche Philharmonie
Die Junge Deutsche Philharmonie alias das „Zukunftsorchester“ – kreativ, lebendig und voller Tatendrang, die Musikwelt von morgen zu gestalten! Das Orchester versammelt die besten Studierenden deutschsprachiger Musikhochschulen zwischen 18 und 28 Jahren, die mit Herzblut Musik machen und Zukunftsvisionen kreieren. Die Orchestermitglieder musizieren mit höchsten künstlerischen Ansprüchen, entwickeln für das Festival FREISPIEL experimentelle Konzertformate und touren regelmäßig in die größten Konzertsäle Europas und weltweit. Seit 2014 begleitet Jonathan Nott das Orchester als Erster Dirigent und Künstlerischer Berater.
FLÜSSE
Mit ihrem Composer in Residence Matthias Pintscher am Dirigentenpult präsentiert die Junge Deutsche Philharmonie Werke von Pintscher, Mendelssohn und Zemlinsky in Köln (19.09.) und Hamburg (20.09.)
Junge Deutsche Philharmonie
DIRIGENT
Matthias Pintscher
SOLISTIN
Noa Wildschut, Violine
PROGRAMM
Matthias Pintscher (*1971)
Neharot für Orchester (2020)
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847)
Konzert für Violine e-Moll op. 64
Alexander von Zemlinsky (1871–1942)
Die Seejungfrau
KONZERTE
DI 19.09.23 / 19.00 Uhr Köln, Philharmonie
Mi, 20.09.23 / 20.00 Uhr Hamburg, Elbphilharmonie
Quelle: Ophelias Culture PR
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