CDs KlassikKompass

Für die Geigerin Anne Battegay und für den Dirigenten Marc-Olivier Oetterli ist die Veröffentlichung „The Essential Hebrew Violin“ etwas ganz Besonderes: Die eingespielten Werke der meist jüdischen Komponisten widerspiegeln Anne Battegays eigenen kulturellen Wesenskern.

Die meisten Werke dieser Aufnahme lagen bis dahin nur in kammermusikalischer Fassung vor und wurden auf Initiative von Anne Battegay hier zum ersten Mal für Orchester arrangiert. Für die Aufnahme mit dem Kurpfälzischen Kammerorchester Mannheim hat sich Marc-Olivier Oetterli tief ins Spiel der Schweizerin mit jüdischen Wurzeln hineingehört.

 

„Viele dieser musikalischen Juwelen sind in Vergessenheit geraten, aber ich denke, dass sie unsere Aufmerksamkeit verdienen. Nicht nur, weil sie die große Tradition des jüdischen Geigenspiels veranschaulichen, sondern weil sie die Türen zur inneren Welt von Künstlern öffnen, die ständig zwischen Kreativität und Unsicherheit hin und hergerissen werden. Ein Thema, das in heutiger Zeit aktueller denn je zuvor ist.“ Anne Battegay

 

„Ich wollte kennenlernen, wie sie phrasiert und wo sie hingeht. Wie sie den Klang sucht und wie sie auf dem Instrument singt“ beschreibt Marc-Olivier Oetterli seinen persönlichen Zugang zu dieser „neuen“ Musik. Viel Begeisterung lag in der Luft bei den Aufnahmesessions Ende März 2022 in der Mannheimer Epiphaniaskirche. Viele Musiker im Orchester hatten von diesem Repertoire noch nie etwas gehört. Einen immensen Erfahrungsgewinn markiert für die beiden Musiker das Einstudieren dieser Werke, welche von Albena Petrovic, Lukas Medlam und Alessandro Tardino für Orchester neu arrangiert wurden. Das klangliche Ausdrucksspektrum weitet sich im neuen orchestralen Gewand immens - allein durch den Einsatz der Harfe.

 

Anne Battegay fühlte sich schon früh von der Musiktradition ihrer Vorfahren magisch angezogen - vor allem, wenn es um die Rolle der Violine als ausdrucksstark „singendem“ Medium geht. Dafür begab sie sich auf Spurensuche nach Wien. Anfang des 20. Jahrhunderts, im ausgehenden Fin de Siecle, war Wien „der“ Melting Pot sämtlicher vom Judentum genährten kulturellen, geistigen und vor allem musikalischen Strömungen, die dem vorliegenden Album ihre programmatische Idee gaben.

 

Kann eine virtuos gespielte Violine mehr Leidenschaft entfalten als in Josef Achrons kurzen, prägnanten Stücken „Jewish Lullaby“ und „Jewish Melody“? Anne Battegay lässt ihr Instrument zu einer spirituellen Gesangsstimme werden. Die Melodien, auf welche Josef Achron zurückgriff, kommen aus der chassidischen Tradition. In dieser religiös-mystischen Strömung des Judentums geht Musik unmittelbar auf einen göttlichen Ursprung zurück. Max Bruchs „Kol Nidrei“ ist eine liturgische Komposition, die das jüdische Gebet am Vorabend des Jom Kippur nachzeichnet. Auch hier bilden überlieferte Melodien des Kantoren der Synagoge die Grundlage. Sergej Prokofiev schrieb eine Ouvertüre über Hebräische Themen. Ebenso hat sich Maurice Ravel einem jüdischen Gebet, dem Kaddish angenommen und den Sprachrhythmus dieses Gebets auf die musikalische Textur übertragen. Jetzt übernimmt die Solovioline den „sprechenden“ Part. Anne Battegay fasziniert bei diesem Stück, dass dieses Trauergebet zugleich eine kraftvolle Hymne für das Leben markiert. Fritz Kreisler darf hier nicht fehlen, wenn es um das spezielle Wiener Kolorit während der vorigen Jahrhundertwende geht. Auch dessen „Marche miniature viennois“ gehört zu den Entdeckungen dieser Aufnahme.

 

Anne Battegay

Geboren 1988 in Zürich in einer traditionell jüdischen Familie, wuchs Anne Battegay in Zürich, Washington D.C. und Basel auf. Im Alter von sechs Jahren begann sie mit dem Geigenspiel. Nach der Matura am MusikGymnasium in Basel setzte sie ihr Studium an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) bei Nora Chastain fort und später in München bei Ingolf Turban. Danach schloss sie sich dem Schweizer Belenus Quartett an und gewann mit dem Ensemble mehrere nationale und internationale Preise. Kammermusikpartner wie Valentin Erben, Claudius Herrmann und Anna Malikova stehen regelmäßig mit dem Ensemble auf der Bühne. Seit 2015 hat Anne Battegay zwei Lehraufträge an der Kantonsschule Zürcher Unterland und am Gymnasium Liestal und wirkt regelmäßig im Orchester der Oper Zürich mit.

 

Marc-Olivier Oetterli

Marc-Olivier Oetterli wurde in Genf geboren. Im elften Lebensjahr erhielt er seinen ersten Klavierunterricht und trat den Singknaben der St. Ursen-Kathedrale Solothurn bei. Nach einem Gesangsstudium an der Hochschule der Künste in Bern bei Jakob Stämpfli folgten Kurse bei Miriam Arman, Margreet Honig, Alexandrina Milcheva, Jan-Hendrik Rootering und Elisabeth Schwarzkopf. Schon früh vereinte MarcOlivier Oetterli mehrere Leidenschaften zu einem Beruf: Er ist mit gleicher Leidenschaft Sänger, Dirigent – und Fluglehrer! Als Bassbariton ist er auf allen internationalen Bühnen zu erleben, unter anderem an der Opéra National de Bordeaux, am Luzerner Theater, an der Opéra de Nantes, bei den Herrenchiemsee-Festspielen und im Prinzregententheater München. Als festes Ensemblemitglied war er am Luzerner Theater und beim Staatstheater Kassel engagiert.

 

OetterliUnter den mehr als 50 Rollen, in denen Oetterli bislang auf der Bühne stand, ragt vor allem die anspruchsvolle Partie des Prospero in „Un Re in Ascolto“ von Luciano Berio heraus. Als Dirigent hat er mittlerweile zahlreiche Werke aus dem Orchester-, Chor- und Opernkonzertrepertoire aufgeführt. Besonders viel Freude macht ihm die Personalunion von Sänger und Dirigent auf der Bühne - etwa in Mozarts Zauberflöte, die er mit dem Kurpfälzischen Kammerorchester Mannheim aufgeführt hat. Seine dritte Passion gilt der Fliegerei, wenn er heute als Fluglehrer den fliegerischen Nachwuchs ausbildet.

 

Seit seiner Gründung im Jahr 1952 engagiert sich das Kurpfälzische Kammerorchester für die Wiederentdeckung und Pflege der berühmten „Mannheimer Schule“ weit über die Grenzen dieser Region hinaus und steht damit in direkter Nachfolge der berühmten Mannheimer Hofkapelle aus der Zeit des Kurfürsten Carl Theodor (1724-1799). Zahlreiche Auftritte in überregionalen Konzertsälen wie dem Gasteig in München, der Glocke in Bremen oder der Frauenkirche in Dresden sowie regelmäßige Einladungen zu nationalen und internationalen Festivals zeugen von der hohen künstlerischen Qualität des Orchesters. Durch zahlreiche Konzertauftritte, Rundfunk – und Tonaufnahmen oder auch Werkeditionen – fanden viele bedeutende Werke der Mannheimer Komponisten wieder Einzug in die weltweiten Konzertprogramme.


Anne Battegay: „The Essential Hebrew Violin“

Anne Battegay Violine | Francois Robin Cello | Alessandro Tardino Kurpfälzisches Kammerorchester Mannheim, Piano | Marc-Olivier Oetterli Dirigent

Mit Werken von: Maurice Ravel (1875-1937), Jerry Bock (1928-2010), Joseph Isidor Achron (1886-1943), Joel Engel (1868-1927), Max Bruch (1838-1920), Serge Prokofieff (1891-1953), Alexander Krejn (1883-1951), Fritz Kreisler (1875-1962)   

Ars Production

EAN: 4260052383483

- Weitere Informationen (Homepage Anne Battegay)

- Weitere Informationen (Booklet)

 

YouTube-Video:

The Essential Hebrew Violin | Anne Battegay | Marc-Olivier Oetterli (9:29 Min.)

 

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