Das amerikanische, in New York ansässige, Barockensemble „Quicksilver“ erkundet auf seinem neuen Album die musikalischen Wurzeln Wiens, die lange von der Ära Mozarts und Haydns das Musikleben prägten.
Es ist die Zeit der Reformation, die Habsburger steigen zur mächtigsten Dynastie in Europa auf, der Dreizigjährige Krieg wird Mitteleuropa zerstören, Gegenreformationen und die religiöse Teilung sind besiegelt. Der Absolutismus kündigt sich an und beeinflusst das kulturelle Leben in Österreichs Hauptstadt Wien bis in die Eingeweide.
„Wien, diese herrliche Stadt am Rande Europas, ist heute in der Musik vor allem für zwei große Epochen bekannt: die von Mozart und Haydn in den 1780er Jahren und die der „Zweiten Wiener Schule" von Schönberg, Berg und Webern um 1900. Aber es gab noch eine andere, frühere historische Periode, in der die österreichische Musik blühte. Das war im 17. Jahrhundert, als der Hof der römisch-germanischen Kaiser zum einzigen ernsthaften europäischen Rivalen des berühmteren Hofes von Ludwig XIV. in Versailles wurde", so erläutern Quicksilver-Ensemble-Leiter Robert Mealy (Direktor des renommierten Historical Performance Program an der Juilliard School; Leiter des Boston Early Music Festival Orchestra) sowie die Geigerin und Grammy-Gewinnerin Julie Andrijeski diese Ära.
Komponisten und Interpreten wie Johann Heinrich Schmelzer (1623-1680), Johann Caspar Kerll (1627-1693), Heinrich Ignaz Franz Biber (1644-1704) und Johann Joseph Fux (um 1660-1741) waren in ihrer Zeit bedeutsam, verloren dieses Attribut aber ungerechtfertigter Weise im Laufe der Jahrhunderte. Heute dümpeln sie als Mitglieder der „Ersten Wiener Schule" dahin und nur Eingeweihte kennen noch ihre Namen, ihre Werke, ihr allgemeines und besonderes Können. In jenem Wien werden nämlich am laufenden Band neue Kompositionstechniken erfunden und ausprobiert – produktiv, kreativ und häufig von solch einer erzählerischen Reinheit und Schönheit, dass die Seele nur so bebt.
Und so ist auch dieses Album des Kammermusik-Ensembles ein solcher Ohrenschmaus. Die Frühmoderne, die in den Hochbarock gleitet, ist auf dieser CD künstlerisch vielseitig und überzeugend dargestellt – wunderbar interpretiert. Die Hörer verschwinden in der Welt der fließenden, teils leichtfüßigen Narrationen, holen tief Luft im Rausch der verschiedenen, anmutigen Sonaten und treiben im Klangstrom scheinbar ins Unendliche.
Quicksilver: Early Moderns – The (very) First Viennese School
Greg Ingles (Barockposaune) | Dominic Teresi (Dulzian | David Morris (Viola da Gamba) | Avi Stein (Cembalo und Orgel) | Charles Weaver (Theorbe-Laute)
CD, digital
Gotham Early Music Scene
VÖ: 11.02.2022
- Weitere Informationen und Hörproben (Homepage Quicksilver)
YouTube-Videos:
- QUICKSILVER LIVE: Schmeltzer Sonata „La Carioletta" (8:05 Min.)
- QUICKSILVER LIVE: Fux Sonata a 4, K. 347 (8:03 Min.)
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