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Das Ensemble Resonanz, unter der Leitung des römischen Dirigenten Riccardo Minasi, stellte Anfang der Woche ein neues Album vor, das sich primär mit einem der wichtigen und begnadetsten Barock-Komponisten des 18. Jahrhunderts beschäftigt: Giovanni Battista Pergolesi.

 

Der neapolitanischen Schule angehörige Pergolesi (1710-1736), jung, mit 26 Jahren an Tuberkulose verstorben, komponierte in seinem Todesjahr seine Version der „Stabat mater dolorosa“ (Schaut die Mutter voller Schmerzen, wie sie mit zerrißnem Herzen unterm Kreuz des Sohnes steht). Das mittelalterliches Gedicht, wohl aus dem 13. Jahrhundert stammend und in lateinischer Sprache verfasst, kann keinem konkreten Autor zugeordnet werden.

 

Im 16. Jahrhundert, nach dem Konzil von Trient, wurde es durch die katholische Kirche aus der Liturgie verbannt. Knapp 10 Jahre vor Pergolesis Komposition, im Jahr 1727 wurde es neu bewertet und wieder aufgenommen: als Sequenz in den Messetext von „Septem Dolorum Beatae Mariae Virginis“ (Gedächtnis der sieben Schmerzen Mariens), allerdings zeitgleich vom Palmsonntag auf den Tag des Gedächtnisses des Schmerzes Mariäs, den 15. September (ab-)geschoben.

 

Pergolesis schmerzerfüllte Mutter unter dem Kreuz ist von der ersten Note an ergreifend und voll tiefem Mitgefühl, von stillem, in-sich-gekehrtem-, bis herausrufendem Leiden. Die Sopranistin Giulia Semenzato, mehrfacher Gast an der Mailänder Scala und die Mezzosopranistin Lucile Richardot, eine ausgezeichnete Interpretin Alter Musik, sind eine hervorragende sängerische Wahl. Sie harmonieren großartig miteinander, ihre Stimmen bereichern sich gegenseitig und färben den Klangraum überaus unterschiedlich. Das Ensemble Resonanz spielt in gewohnter Bestqualität und auch hier ist, im Vergleich zu anderen Aufnahmen anderer Ensembles, die eigene Klangsprache überzeugend.

 

Pergolesi Stabat mater Ensemble Resonanz COVERIm Mittelteil, der etwas über eine Stunde dauernden Gesamtaufnahme, ist die „Sonata a quattro“ des aus Neapel stammenden und in Wien verstorbenen Angelo Ragazzi (1680-1750) zu hören. Inhaltlich ausgesprochen gut passend zum gesamten Repertoire gewählt.

 

Wie Pergolesis „Stabat mater" ebenfalls im Jahr 1736 (allerdings in Rom) entstanden und für zwei Violinen, Viola und Generalbass in f-Moll komponiert, passt die Beschreibung des Physiker Hermann v. Helmhotz gut, die Tonart sei „erschütternd und melancholisch“. Diese Musik verwundet auf eine sachte Art, zeigt jedoch am Ende des dritten Satzes auch wiederum eine Größe, die in Hoffnung mündet. Eine Art Aufbäumen gegen den Schmerz.

 

Die letzte Komposition liest sich wie eine spannende Aufklärungsgeschichte. Es geht um das Gesangsgebet „Salve Maria“ (Sei gegrüßt, Königin). Jahrhundertelang wurde diese Version als Komposition Pergolesis vorgetragen. Jedoch lassen intensive Recherchen von Riccardo Minasi (*1978) konkrete Zweifel daran aufkommen. Die älteste Ausgabe des Werks findet sich aus dem Jahr 1773, herausgegeben von dem schottischen Musikverleger Robert Bremner (auch Brymer geschrieben, um 1713-1789) in London. Da sich Pergolesi-Werke Ende der 18. Jahrhunderts bereits großer Beliebtheit erfreuten, wurde ihm mehr zugeschrieben als er tatsächlich komponiert hatte – ließ sich besser verkaufen.

 

Riccardo machte – ob es Zufall oder Fügung war – eine besondere und unerwartete Entdeckung: er hörte ein „Salve“, eingespielt 2007 vom „Orquesta de Cambra Catalana“. Er traut seinen Ohren kaum, es ist das „Salve Regina“ in f-Moll, wurde aber unter einem ganz anderen Komponistennamen geführt: Joan Rossell (1724-1780), eines katalanischen Komponisten und Zeitgenossen Pergolesis – und klang auch an einigen Stellen anders als die „Pergolesi-Partitur".

Gemeinsam mit der katalanischen Musikwissenschaftlerin Anna Cazurra (*1965) analysierten und verglichen sie die beiden Veröffentlichungen und stellten fest, dass Bremner nicht nur das Werk unter falschem Namen veröffentlicht hatte, sondern auch noch in die Komposition eingegriffen hatte, um sie deutlicher nach Pergolesi klingen zu lassen.

Final entschied sich Minasi die ‚gefälschte‘, nach Pergolesi klingende Bremner-Version für die Aufnahme zu verwenden – wobei am Ende die Frage offenbleibt – und vielleicht auch einmal vom Ensemble Resonanz beantwortet werden wird – wie die Rossell-Version klingt.


Pergolesi: Stabat Mater

Ensemble Resonanz | Riccardo Minasi | Giulia Semenzato (Sopran) | Lucile Richardot (Mezzosopran)

Kompositionen von Giovanni Battista Pergolesi, Angelo Ragazzi, Joan Rossell

Label: Harmonia Mundi

EAN: 3149020943052

 

YouTube-Video:

Pergolesi: Stabat Mater // Ensemble Resonanz, Riccardo Minasi (9:50)

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