Es war ein immenser Kraftakt, der Energien und Zeit benötigte, aber auch vieles freisetzte und eine Reihe von Fragen aufwarf. Woods Of Birnam, 2011 gegründet, und passend zum vierten Album schon von Anbeginn an derlei Produktionsquantitäten auswarf, hat mit „How To Hear A Painting“ ein kleines Gesamtkunstwerk abgeliefert.
Wie kann man Bilder hören? Kann man Bilder überhaupt hören? Oder handelt sich es einfach nur darum, eine genreübergreifende Sinnbild- und Sinnesfrage zwischen Musik und Bild zu stellen? Fragen, die sich schon Modest Mussorgski im Jahr 1874 mit seinem Klavierzyklus „Bilder einer Ausstellung“ stellte. Seine Komposition sollten einem Ausstellungsrundgang gleich Gemälde und Zeichnungen seines im Jahr zuvor verstorbenen Freundes Viktor Hartmann beschreiben.
Eine andere Herangehensweise als das „Woods of Birnham" postuliert, denn sie liefern weder Anleitung noch Gebrauchsanweisung für das neue Album in einer vergleichbaren Weise. Vielmehr bleiben die Musiker um den Schauspieler Christian Friedel (Elser – Er hätte die Welt verändert, 2015) daher auf eine subtile Art etwas schuldig. Dies ist keineswegs ein Manko, denn die Künstler der Gruppe, die Sächsische Staatskapelle Dresden und alle weiteren beteiligten Protagonisten liefern dafür etwas anderes: Freiräume zwischen Malerei und Musik, Freiräume von historischen Setzungen zum Heute und Freiräume des Denkens und Umgehens. Dies ist nicht allein eine Möglichkeit des respekt- und achtungsvollen Umgangs miteinander, sondern auch mit der Erkenntnis verbunden, dass Kunst grundsätzlich jene interpretatorischen Freiräume benötigt, die nicht aufzuklären sind und eine dadurch mystische Kraft bewahren dürfen. Diese mystische Kraft erhält mit dieser Haltung auch das Album. Wer also glaubt, die Musik würde einen Dekodierungsschlüssel für die von der Gruppe ausgewählten und zugeordneten Werke der Malerei des 16. bis 18. Jahrhunderts darstellen, der wird nicht wirklich fündig. Die Eigenleistung der Hörer, des Publikums ist gefragt, um möglicherweise eine eigene Entdeckungsreise durch die Bilderwelt der Galerie Alte Meister in Dresden zu starten.
Musikalisch ist sich „Woods Of Birnam“ im Pop, Indie und dem Balladenhaften treu geblieben, erweitert sich um Klassik und spielt in mehrfacher Hinsicht mit den Instrumentarium und den Gegebenheiten.
Zwar fehlt einerseits bei der Release des Albums „How To Hear A Painting“ jene kraftvolle Live-Installation zur Wiedereröffnungsfeier der Galerie Alte Meister in Dresden, wie sie Ende Februar 2020 stattfand, aber andererseits wird man sie nicht vermissen müssen, ist man auf das Album zurückgeworfen, weil es sich selbst genügen kann.
Die Bilder, die als Inspirationsquelle dienen sind beispielsweise Peter Paul Rubens‘ (1577-1640) „Quos ego – Neptun die Wogen beschwichtigend“, um 1635 (zugeordnet dem 2. Track „The Wind“); ein Gemeinschaftswerk von Jan Brueghel d. Ä. (1568–1625) und Hans Rottenhammer (1564-1625) mit dem Titel „Juno in der Unterwelt“ aus dem Jahr 1598 (Track 4: „The Machine“); sowie Johannes Vermeer (1632-1675) „Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster“ um 1657, (Track 15: „Fruit“) und eines des niederländischen Marinemalers Hendrick Jacobsz. Dubbels (1621-1707) namens „Seestück“ um 1655 gemalt (Track 16: „The Ship“) und schließlich Rembrandt van Rijn (1606-1669) „Ganymed in den Fängen des Adlers“.
Weitere Informationen, Liedtexte und alle präzisen Zuordnungen von ausgewählten Gemälden der Galerie Alte Meister in Dresden sind ab 13. März 2020 in der projektgleichnamigen How-To-Hear-A-Painting-App erfahrbar.
Woods Of Birnam: „How To Hear A Painting”
Christian Friedel: Gesang, Keyboard | Philipp Makolies: Gitarre, Gesang | Uwe Pasora: Bass, Gesang | Christian Grochau: Schlagzeug u.a.
Sächsische Staatskapelle Dresden
CD, Vinyl, digital
Label: Royal Tree Records
EAN: 4250137224343
VÖ: 13.03.2020
Ein Mittschnitt des Jubiläumkonzerts durch den MDR ist in der ARD-Mediathek zu finden
YouTube-Video:
- How To Hear A Painting (7:56 Min.)
- Woods Of Birnam: How To Hear A Painting – ARTE Concert (Live 28.02.2020, 1:21 Std.)
Abbildungsnachweis:
Bandfotos: Lutz Michen
CD-Cover
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