Alice Sara Ott spielt mit Grieg, Elfen und Trollen. Dietrich Buxtehudes frühbarockes Netzwerk wird aufgedeckt. Ein musikalisches Experiment von Friedrich Gulda führt zurück ins Jahr 1978. Matthias Höfs hat sich Mozart-Werke für Trompete arrangiert, und das Goldmund-Quartett setzt mit seiner Debüt-CD einen beachtlichen hohen Standard mit drei Haydn-Streich-Quartetten.
Alice Sara Ott: Wonderland. Die deutsch-japanische Pianistin Alice Sara Ott, 28, stellt auf ihrem neuen Album zwei Grieg-Einspielungen vor: das Klavierkonzert a-Moll des norwegischen Komponisten und eine Auswahl von zwölf Charakterstücken aus seinen 66 lyrischen Stücken und den Hits aus „Peer Gynt“. Sie geht dabei auf die Suche nach der klassischen Schlichtheit von Griegs Musik, spielt das Klavierkonzert ruhig fließend, zuweilen meditativ in sich gekehrt, in dieser Interpretation von Esa-Pekka Salonen mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unterstützt. Alice Sara Ott lässt die simplen Schönheiten des Konzerts unaufdringlich aufblühen, weit abseits virtuoser Effekte – wohltuend. Noch überzeugender spielt sie dann ihre 12er-Folge aus den Lyrischen Stücken und Musik aus „Peer Gynt“. Da ist sie ganz verträumte Geschichtenerzählerin, die von Elfen und Trollen und Schmetterlingen berichtet, in hübschen Miniaturen, von denen jede liebevoll gestaltet wird. Wie schon beim Konzert ist ihr Spiel abhold der großen romantischen Geste, man spürt bei ihr eher das Staunen mit Kinderaugen über Märchengestalten und sagenhafte Landschaften, das starke Gefühle und fantastische Bilder auslöst.
Alice Sara Ott: Wonderland – Grieg: Klavierkonzert
(mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Leitung: Esa-Pekka Salonen) und Lyrische Stücke.
CD Deutsche Grammophon
479 4631
Buxtehude and his Circle. Dietrich Buxtehude (1637-1707), ab 1668 Organist an der Marienkirche in Lübeck, war nicht nur Komponist, sondern auch Netzwerker. Zu ihm pilgerten nicht nur Bach und Händel, Buxtehude hatte in seinem Freundeskreis viele bedeutende Musiker. Vier von ihnen aus seiner norddeutsch-skandinavischen Connection versammelt jetzt Paul Hillier und sein 1990 in Kalifornien gegründetes und inzwischen in Dänemark arbeitendes Theatre of Voices gemeinsam mit dem im dänischen Helsingborg geborenen Komponisten auf einer CD: Christian Geist (1650-1711) aus Güstrow, Nachfolger Buxtehudes in Kopenhagen, der später nach Stockholm und Gothenburg ging. Buxtehudes Schwiegervater und Vorgänger als Marien-Organist, Franz Tunder (1614-1667), der wohl in Italien studierte, in Gottorf Hoforganist war und in Lübeck die berühmten Abendmusiken begründete. Kaspar Förster (1616-1673), Buxtehudes weit gereister Lehrer, geboren in Danzig. Und Nicolaus Bruhns (1665-1697), den sein Lehrer Buxtehude später nach Kopenhagen empfahl. Man kannte sich, lieh einander Notenbände aus und kopierte sie, man lernte von einander. Mit den schlackefreien Stimmen seiner Sängerinnen und Sänger besetzt Hillier die frühbarocken Motetten solistisch, dezent begleitet von wenigen Instrumenten. Interessant zu hören, wie in Buxtehudes Umkreis höchst unterschiedliche Stile gepflegt wurden, die den Boden bereiteten für die Musik der Generation Bachs und Händels.
Buxtehude and his Circle
Theatre of Voices, Paul Hillier.
SACD Dacapo
6.220634
Message from G. Drei Abende im Wiener Musikverein, gespielt von Friedrich Gulda im Jahr 1978. Der Versuch des Pianisten, zwischen Epochen und Stilen Verbindungslinien zu finden, wo andere noch lange keine sehen. Am ersten Abend „Zusammenhänge I“ gibt es Bach und jazzige Eigenkompositionen, gespielt auf dem zarten Clavichord, dessen vibrierender Zupfklang nahe an E-Gitarren heranreicht. Und am Flügel wie die Variationen über „Come on, light my fire“, bei denen Keith Jarrett die Hände zu führen scheint. Der zweite Abend – „Zusammenhänge II“ – gehört Gulda, Mozart und Debussy auf der Suche nach einem gemeinsamen Nenner. Der dritte heißt „Darüber hinaus“ und enthält den „Besuch vom alten G.“ – mit Worten von Goethe, eine sehr poetische Zusammenstellung: Gulda spielt „Klavier, zweimanualiges Clavichord, Bass- und Altblockflöte, außerdem singt, pfeift und rezitiert er; Ursula Anders spielt Schlagzeug, Cymbal-String, Altblockflöte, singt und rezitiert“, immer auf der Suche nach der Liebe und der Poesie zur Musik. Ein hörenswertes, erstaunlich jung gebliebenes Experiment des Pianisten, der sich in keine Schublade sperren lassen wollte. Und eine aufregende Reise durch seine Klangwelten.
Gulda: Message from G. – 3 Concerts by Friedrich Gulda
(aufgenommen Oktober 1978).
4 CDs MPS/Edel Records
0300688MSW
Mozart con Tromba. Geht nicht gibt’s nicht – nach diesem Motto arrangiert sich der Trompeten-Virtuose Matthias Höfs (u.a. German Brass) das Repertoire für sein Instrument, das die großen Komponisten bestimmt nur vergessen hatten zu notieren. Diesmal trifft es Wolfgang Amadeus Mozart, und wo steht geschrieben, dass eine hohe Trompete sich nicht in eine kammermusikalische Besetzung einfügen kann? Für „Mozart con Tromba“ hat Höfs Sätze aus Divertimenti, Trios und Quartetten und einem Flötenkonzert ausgesucht; dazu ein komplettes Trio für Klavier, Klarinette und Viola sowie die Ouvertüre zur „Entführung aus dem Serail“. Und spielt das alles so feinfühlig und filigran perlend, dass das Wunderkind aus Salzburg bestimmt seinen Riesenspaß daran gehabt hätte. Mühelos, federleicht, ja schwerelos gelingen Höfs seine Raubzüge durch fremde Instrumentalparts mit ihren ganz anderen technischen Anforderungen, als sie an eine Trompete gestellt werden – für jeden Liebhaber des strahlenden Trompetenklangs ein großes Vergnügen.
Mozart con Tromba
Matthias Höfs (Trompete) mit einem Streichtrio.
CD Es-Dur
ES 2068
Haydn – String Quartets. Eines der ganz frühen (op.1,1), eines der mittleren Epoche (op.33,5) und eines (op.77,1), das zu den letzten gehört, die Haydn vollenden konnte. Gespielt wird diese Auswahl aus Joseph Haydns mehr als 80 Streichquartetten vom jungen Goldmund-Quartett (dessen Namensgeber ist Hermann Hesse mit „Narziss und Goldmund“). Die drei Werke zeichnen Haydns Fortentwicklung des Genres nach, der hier in seinem op.33,5 – einem der sogenannten „Russischen Quartette“ – etwa schon ein Scherzo anstelle des betulicheren Menuetts einfügt. Die vier jungen Musiker Florian Schötz und Pinchas Adt (Violine), Christoph Vandory (Viola) und Raphael Paratore (Cello), die sich auf einem Münchener Musikgymnasum kennen lernten, liefern mit ihrem unaufgeregten Ton Beispiele höchster Quartett-Kultur. Sie spielen schnörkellos, beseelt, mit Witz und Innigkeit, mit vollendeter Artikulation und Phrasierung und behutsam. So, als hätten sie die wunderbare Musik eben aus einer Vitrine alter Kostbarkeiten entnommen, um sie nun vorsichtig aufzupolieren, bis sie wieder funkeln und glänzen. Das gelingt ihnen überzeugend.
Haydn – String Quartets
Goldmund Quartet.
CD Naxos
8.573701
Abbildungsnachweis: CD-Cover
Kommentar verfassen
(Ich bin damit einverstanden, dass mein Beitrag veröffentlicht wird. Mein Name und Text werden mit Datum/Uhrzeit für jeden lesbar. Mehr Infos: Datenschutz)
Kommentare powered by CComment