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Musik

„Wenn ich etwas mache, dann knie ich mich richtig hinein. Ich wäre bestimmt eine sensationelle Wirtschaftsprüferin geworden", lacht sie. Wenn sie in diesem einen Moment nicht mit ihren Eltern vor dem Fernseher gesessen hätte: Sie sieht einen Werbspot von British Airways, der eines der bekanntesten Opernduette der Welt als Musik verwendet, Leo Delibes' „Blumenduett" aus seiner Oper „Lakmé": „Dôme épais, le jasmin à la rose s'assemble..."

Gerade mal zehn Sekunden. Aber Pretty Yende, die nie zuvor eine Oper gehört hat, ist von dieser Musik tief in der Seele angerührt. Sie fragt ihren High-School-Lehrer aus nach dem Geheimnis dieses übernatürlich klingenden Gesangs und erklärt ihren Eltern: „Das will ich auch können. Opern singen."

Da ist sie 16 Jahre alt. „Meine Familie – der Vater im Transportgeschäft, die Mutter Grundschullehrerin, nicht reich, aber gut situiert – dachte, ich sei verrückt. Besonders mein Vater musste damals viel Druck aus der Großfamilie aushalten". Die hofft inständig, dass er ihr den unkalkulierbaren Weg in die Musik verbieten möge. Er sagt schließlich: „Geh und probier's aus."

Nur drei Monate danach steht sie zum erstenmal selbst auf einer Schulbühne und singt – im „Blumenduett" aus „Lakmé". Mit offenbar überzeugendem Ergebnis. Sie zieht 2001, gerade mal 17 Jahre jung, nach Kapstadt um, wo das einzige Opernhaus Südafrikas steht, und studiert Musik. Und sagt heute: „So konnte ich losfliegen." Ihre Lehrer glauben an sie, daran, dass etwas sehr Spezielles in ihrer Stimme liegt. „Mein Wollen und mein Hunger war es herauszufinden, was mich da so berührt hatte, warum mich diese Musik so glücklich macht. Was macht diese sehr direkte Kommunikation von Seele zu Seele aus?"

Sie lernt viel in Kapstadt, auch schon die ersten Opernrollen. Bekommt Kontakt zu dem musikalischen Förderprojekt ‚Miagi’ (Music Is A Great Investment) und seinem Gründer und Leiter, dem südafrikanischen Tenor Robert Brooks, der Jahrzehnte in Österreich studierte und arbeitete. „Es ist unglaublich, was er da leistet. ‚Miagi’ ist ganz groß in Südafrika und hat eine gewaltige Wirkung. Wenn ich nicht Leute wie ihn gehabt hätte, hätte ich es kaum nach Wien geschafft. Er gab bei uns Meisterkurse für Liedgesang, ich konnte beim Miagi-Festival singen, und wir bekamen durch Miagi die Chance, außerhalb Afrikas zu singen. Zuerst einen Meisterkurs bei Rajna Kabaiwanska, das war mein erster Trip nach Italien. Und dann kam 2009 die Reise zum Belvedere-Gesangswettbewerb in Wien, die sie auch gesponsert haben. Ich wollte einfach nur schauen, wo ich so stehe im internationalen Vergleich, und hätte nie geglaubt, dass ich da gewinnen kann. Aber Robert Brooks hat an mich geglaubt und mich ermutigt. Er ist einer derjenigen, denen ich immer dankbar sein werde."

Es wird der Startpunkt für eine strahlende Karriere: Mit 24 Jahren wird sie in Wien gleich mit vier Preisen überhäuft: Sie gewinnt in den Kategorien Oper und Operette, bekommt den Preis der internationalen Medienjury und den Kammeroper-Publikumspreis. Im selben Jahr erringt sie den 1. Preis des Internationalen Gesangs-Wettbewerbs ‚Montserrat Caballé’ und den 1. Preis beim ‚Vincenzo Bellini International Competition’, 2011 gewann sie bei Plácido Domingos Operalia-Wettbewerb den ‚Zarzuela Prize’, den Publikumspreis und den 1. Preis. Pretty Yende absolviert weitere Meisterkurse bei Montserrat Caballé und Renée Fleming.
Nach dem Belvedere-Preis bekommt sie die Einladung ins Opernstudio der Mailänder Scala, wo sie zwei Jahre weiterstudiert und Erfahrung auf einer der Traumbühnen jeder jungen Sängerin sammeln kann. Sie wird selbstbewusster und immer unabhängiger.

„Lirico puro", sagt sie, wenn man sie nach ihrem Stimmfach fragt. Nicht zu dramatisch, aber auch nicht zu lyrisch. Sie baut ihr Repertoire klug auf, singt vor allem Mozart und Rossini. „Im Augenblick ist meine Stimme ein Diamant, der noch viel durchmachen muss, bis er perfekt geschliffen ist." Pretty Yende bleibt im Bild: „Wir haben den Punkt hinter uns, wo er entdeckt worden ist. Jetzt schauen wir ihn an und versuchen herauszufinden, welche Möglichkeiten in ihm schlummern, was aus ihm werden kann. Er ist ein Instrument, und ein großartiges Geschenk, für das ich sehr dankbar bin. Aber ich lerne noch dazu, freunde mich mit seinen unterschiedlichen Facetten an. Manchmal hasse ich auch, wenn etwas partout nicht so klingt, wie ich das will. Der Diamant wird jetzt Facette für Facette geschliffen – Technik, Repertoire, Erfahrung, Druck, Ruhm. Ich muss auch lernen, ihm nicht zuviel auf einmal zuzumuten, auch mal zu sagen: Hallo Darling, zügel deine Pferde. Du bist ja erst 28, wirst 29 dieses Jahr. Leute, die große Karrieren machen, lassen es sehr überlegt angehen."

Zu ihrem Opern-Repertoire gehören u.a. die Fiordiligi („Così fan tutte"), die Contessa („Le nozze di Figaro"), die Musetta in „La Bohème", die Titelpartien in Massenets „Manon", und Monteverdis „Poppea", die Micaela in „Carmen". In diesem Jahr singt sie die Pamina an der Met.
Sie arbeitet hart, und sie scheut das Risiko nicht, wenn sie unverhoffte Chancen nutzen kann. Im Januar 2013 springt sie als Gräfin Adèle für die erkrankte Nino Machaidze in Rossinis „Le comte Ory" ein – an der Metropolitan Opera New York, neben Juan Diego Florez (Probenausschnitt)

Nach dem Anruf, der sie bei einer Familienfeier in Südafrika erreicht, hat sie gerade mal elf Tage, um die Rolle einzustudieren. Am Abend der ersten Aufführung stürzt sie auch noch während der Ouvertüre. Sie singt dennoch und erobert die Herzen des New Yorker Publikums im Sturm. Zwei Jahre zuvor schon war sie neben Andrea Bocelli bei einem Konzert im Central Park bejubelt worden (Ausschnitt). Kritiker loben die geschmeidige, volle, runde Fülle ihrer homogene Stimme, die farbenreiche Tiefe, die unhörbaren Registerwechsel, die scheinbare Mühelosigkeit, mit der sie die höchsten Töne von oben anpackt, die Präzision ihrer Koloraturen. Bei Vergleichen fallen längst schon Namen aus der Weltliga wie Anna Moffo, die junge Anna Netrebko, Renée Fleming oder Elina Garanca. Den Namen Pretty Yende sollten sich Opernfans ganz genauso merken.

In Hamburg singt sie jetzt die Fiorilla in Rossinis „Il Turco in Italia", wieder ein Rollendebüt, wieder ein neues großes Haus. Und wieder Rossini. „Ich mag Rossini sehr, seine Musik macht mich glücklich, kann einfach lossingen und mit der Musik fliegen. Aber mit Geduld und guter Anleitung – ich bin sehr vorsichtig." Ihr geht es nicht nur um die glitzernden Koloraturen, die sind harte Arbeit. Sondern „vor allem um die Gefühle, die großen Linien, da geht der Himmel auf, das redet zu meiner Seele, dann sehe ich, wo es lang geht."

Pretty Yende ist eine gute und konzentrierte Erzählerin, und manchmal öffnet sich ihr Gesicht zu einem herzlichen Lachen, das von ganz tief drinnen strahlt, ganz so wie beim Applaus nach einer gelungenen Aufführung. Über ihre Anfänge hat sie gesagt: „Ich bin losgeflogen und habe nicht zurück geschaut." Was natürlich nicht ganz stimmt, denn Südafrika ist ihre Kraftquelle geblieben, „ich versuche, oft zurück zu kommen. Da kann ich Pause machen, und ich habe die afrikanische Sonne, die Wärme von zuhause, die kann ich dann nach Europa mitbringen." Über Politik spricht sie nur ungern. War es in Südafrika ihrer Hautfarbe wegen für sie schwierig, den Weg zur Sängerin zu gehen? "Ich habe diesen sehr hässlichen Teil der Geschichte nicht erleben müssen, zum Glück. Ich bin sehr dankbar, dass ich mich nicht mehr mit Gedanken herumschlagen musste, ob ich anders bin als andere. Das hätte eine Menge mentaler Kraft gekostet. Wenn ich ständig daran hätte denken müssen, wäre ich vielleicht heute nicht hier." Sie verehrt den Mann, dessen Standhaftigkeit Südafrika verändert hat, Nelson Mandela. Sie nennt ihn auf ihrer Facebook-Seite „Mein Vorbild. Mein Held, der mich ermutigte, meine Flügel zu spreizen und mir ohne Angst die Welt zu erobern."

Ihre eigenen Anfänge hat Pretty Yende nicht vergessen. „Das ist schon eine ziemliche Cinderella-Story, ich hatte ja nichts außer der Idee: Wenn ich es tun will, dann wird es gehen. Dieses Selbstbewusstsein will ich weitergeben." Deshalb hat sie im vergangenen Jahr selbst in Südafrika eine Stiftung gegründet, die jungen Menschen in ihrer Heimatregion Kontakt zur klassischen Musik ermöglicht und musikalische Ausbildung. „Alle sind musikalisch", sagt sie, „sie müssen das nur in sich finden können." Zur Gründung der Stiftung hat sie selbst wieder in Piet Relief gesungen, mit einem Orchester. „Da war die ganze kleine Stadt auf den Beinen." Sie ist inzwischen selbst Vorbild geworden, hat auch schon einen Orden bekommen. Sie zeigt Jüngeren, dass man es schaffen kann - mit Vertrauen ins eigene Können, in die eigene Kraft. Und mit harter Arbeit. Eine Botschaft, die ankommt in Südafrika.

Wann sie gemerkt hat, dass sie besser singen kann als andere? Darum geht es ihr gar nicht. „Meine Eltern haben mich so erzogen, dass niemand besser ist als die anderen, sondern jeder ist besonders. Ich habe natürlich Leute, von denen ich lernen kann. Positives und Negatives - man kann von beidem lernen. Ich kann nie besser werden als andere, immer nur besser als ich selbst."


Pretty Yende singt an der Hamburgischen Staatsoper , Dammtorstraße in Hamburg; in „Il turco in Italia" am 20.2., 27.2.. 1.3. und 4.3.2014, jeweils 19.30 Uhr.
Karten unter (040) 3568 68
HVV-Haltestellen: (Bus oder U Gänsemarkt/ Bus oder U Stephansplatz, S Dammtor)
Weitere Informationen


Fotonachweis: Yende Pretty (c) Hamburgische Staatsoper

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