Vor 500 Jahren geschieht schier Unglaubliches: Die Bauern begehren gegen den Adel, den Klerus und die ständische Ordnung auf. Diese „Revolution des gemeinen Mannes“ wird von der Obrigkeit brutal niedergeschlagen – und ist doch der Beginn eines Wandels, der in eine moderne Welt führen wird.
Der „Bauernkrieg“ ist die früheste politisch-soziale Massenbewegung im deutschen Sprachraum: Von Tirol und der Schweiz über das Elsass und Oberschwaben bis nach Franken und Thüringen rebellieren die Bauern.
Wenn die Bauern – die dreiviertel der Bevölkerung ausmachen – Luthers kämpferisches Postulat „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan“ skandieren, meinen sie damit die Abschaffung der Leibeigenschaft sowie die Befreiung von ungerechten Steuerlasten und Repressalien.
Es ist ein fatales Missverständnis, denn Luther bezieht seine Parole eigentlich auf das Seelenheil, das allein durch den Glauben zu erlangen sei. Die Befreiung von irdischen Nöten hat Luther nicht im Sinn, weshalb er schließlich – spätestens nach der „Weinsberger Bluttat“ von 1525 – gegen die Bauern Stellung bezieht. Lediglich der Reformator Thomas Müntzer hält bis zu seiner Hinrichtung 1525 zu den Bauern und unterstützt deren Aufbegehren.
„Es ist nicht wohl zu glauben, wie alle Herrschaft, Ritterschaft und Regenten in ganz Deutschland so verzagt wurden, daß auch zehen Bäuerlein ohne Harnisch ein ungewinnlich Schloß einnehmen konnte. – Darnach kehret’s sich wieder um, daß ein einziger Reuter zehen Bauern gefangen nehmen konnt.“ Friedrich Myconius (1490–1546)
Der Ruf nach geistlicher und weltlicher Freiheit hallt auch in den Werken der Künstler wider – und findet gerade im Medium der Druckgraphik weite Verbreitung. Auf diese Weise gelangen die neuen religiösen und politischen Ideen unter die Menschen und entfalten ihre Wirksamkeit. Mit oft hintersinnigem Bildwitz stellen die Künstler die großen Fragen ihrer Zeit: Haben wir einen freien Willen? Was ist Sünde? Was verschafft uns Erlösung? Hat unsere Vernunft unsere Sinnlichkeit unter Kontrolle? Und wie können wir in einer Welt im Aufruhr Orientierung finden?
Meisterhafte Blätter aus dem Bestand der Graphischen Sammlung u.a. von Albrecht Dürer, Lucas Cranach dem Älteren und den Beham-Brüdern zeigen uns, dass der Wunsch nach Freiheit und Gerechtigkeit zeitlos ist und immer wieder neu verhandelt werden muss.
Die Ausstellung führt in sechs Kapiteln durch die druckgraphische Bildwelt des frühen 16. Jahrhunderts und präsentiert berühmte Meisterwerke sowie selten gezeigte Blätter aus dem Bestand der Graphischen Sammlung. Dabei werden die geistigen und sozialen Voraussetzungen des Bauernkriegs ebenso zum Thema wie die Besonderheiten der verschiedenen druckgraphischen Techniken.
Sebald Beham: „Zwei Musikanten“ (Blatt 1 aus der Folge: Das Bauernfest), 1537. Und „Ein nach links tanzendes Paar“ (Blatt 9 aus der Folge: Das Bauernfest), 1537. Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung
Der Bauernkrieg von 1524/25 ist auch in anderen Museen des Bundeslandes im Fokus, so läuft parallel noch bis Oktober 2025 die Große Landesausstellung Baden-Württemberg 2024/25: „500 Jahre Bauernkrieg“. Mit gleich fünf Projekten erinnert das Landesmuseum an eines der bedeutendsten Ereignisse unserer Geschichte. Auch im Deutschen Bauernkriegsmuseum Böblingen sowie in Bayern (Memmingen, Residenz Ellingen) Thüringen (Mühlhausen, Bad Frankenhausen) und Sachsen-Anhalt (Halle, Eisleben, Mansfeld) sind oder waren bereits u.a. große Ausstellungen zu „Gerechtigkyt 1525“ und den Bauernaufständen zu erleben.
Wir Wöllen frei sein. Druckgraphik aus der Zeit des Bauernkriegs
Zu sehen bis zum 16. Februar 2025 im Grafik-Kabinett der Staatsgalerie Stuttgart, Konrad-Adenauer-Str. 30, in 70173 Stuttgart
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, Sa, So 10.00 – 17.00 Uhr. Abendöffnung Donnerstag 10.00 – 20.00 Uhr. Montag geschlossen
- Weitere Informationen (Staatsgalerie Stuttgart)
- Weitere Informationen zu „500 Jahre Bauernkrieg“ (Landesmuseum Württemberg)
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