Ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle, freundlich, zuvorkommend, immer gut gelaunt, immer humorvoll, oft den Schalk im Nacken. Wilfried Moll war nicht nur einer der besten Gold- und Silberschmiede Europas, er war auch ein außergewöhnlich liebenswerter Mensch. Am 9. Juni 2020 ist Wilfried Moll im Alter von 80 Jahren überraschend gestorben.
Auf der Werkbank steht noch eine unvollendete Silberkanne. Das Werkzeug liegt griffbereit. Das ganze Haus atmet seinen Geist. Es ist, als „sei er grad mal eben aus der Tür gegangen“, sagt Gerda Moll. Seine Frau, selbst eine vielfach ausgezeichnete Goldschmiedin, kann noch nicht fassen, was passiert ist. Die letzte Silberkanne ist erst wenige Wochen alt. Wilfried Moll hat sie für die bis zum 21. Juni laufende Ausstellung „Kunst Schaffen“ der Robbe & Berking Werft in Flensburg fertiggestellt, bei deren Eröffnung Ende Mai die „Mollies“, wie sie Kollegen liebevoll nennen, selbstverständlich anwesend waren.
Geschaffen hat Wilfried Moll sie in seinem charmanten, kleinen Stadthaus in Travemünde, schräg gegenüber der St. Lorenz Kirche, in der nun auch die Trauerfeier stattfand. Nach Travemünde zog sich Wilfried Moll in den vergangenen Jahren immer häufiger und immer länger zurück. In Hamburg hatte er seit 1965 eine gemeinsame Wohnung und Werkstatt mit seiner Frau Gerda. Travemünde jedoch war sein Refugium, sein Kraft- und Kreativzentrum. Dort konnte er Tag und Nacht hämmern und schmieden, ohne dass es jemanden störte. Zwischendurch mal schnell ans Meer gehen, durchatmen, sich inspirieren lassen - und in einem kleinen Restaurant seine geliebte Fischsuppe essen.
Vor knapp zwei Jahren durften einige Kollegen und Kolleginnen der Arbeitsgemeinschaft Kunsthandwerk (AdK Hamburg) die „Einsiedelei“ besichtigen. Wilfried Moll hatte zu einem Werkstattbesuch eingeladen. In eine Werkstatt wie aus einem Bilderbuch. Groß, hell mit Ausgang in einen verwunschenen, kleinen Garten und überreich an großen und kleinen Hämmern, die ordentlich sortiert an der Wand und in Holzständern hingen. Ein unvergesslicher Nachmittag war das, Eine Ehre und ein Vergnügen mit diesem Künstler so intensiv und ausgelassen beisammen zu sein. Getränke aus edlen Silberbechern serviert zu bekommen und über die Lieblingsstücke zu sprechen, die der Meister voller Freude vorführte. Eine Kanne mit Stövchen, einen Kirchenleuchter, ein Sahnekännchen. Für Wilfried Moll waren es Dinge mit Charakter und Seele, wie auch Rüdiger Joppien, ehemaliger Kustos der Moderne am Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe und langjähriger Freund, in seiner Trauerrede bestätigte. Eine Kanne, mit deren Form der Künstler lange gerungen hatte, bezeichnete er Joppien gegenüber einmal als „Primadonna“. Das wundert nicht, denn Wilfried Moll war sein Leben lang auf der Suche nach der perfekten Form. Wie die Zen-Meister der japanischen Schriftkunst, die ein Leben lang einen Pinselschwung perfektionieren, spezialisierte sich dieser begnadete Silberschmied auf Tee- und Kaffeekannen, getrieben von dem Ehrgeiz, immer harmonischere, immer vollkommenere Gefäße zu schaffen.
Während seine Frau Gerda ihr Herz früh an die Schmuckgestaltung verlor, war Wilfried mehr Bildhauer als Designer. Seine Spezialität war das Tafelgerät. Die große, klare Form. Ob Kirchenleuchter und Altaraufsätze, Schalen, Kannen oder Bestecke – die Formsprache seiner Objekte blieb stets minimalistisch reduziert und funktional. Die Liebe zum Bauhaus und zum skandinavischen Design war nur zu offensichtlich: Jedes seiner vielfach preisgekrönten Werke entstand aus einem geometrischen Grundkörper - Würfel, Kugel, Quader, Rechtecke oder Zylinder.
Eine Erfolgsgeschichte für sich sind seine vier Besteckentwürfe für die traditionsreiche Flensburger Silberschmiede Robbe & Berking, „Alta“ (1981), „Atlantic“ (1982) „Riva“ (2001), „Sphinx“ (2008) – bis auf das zweite Besteck in Edelstahl alle in Sterlingsilber gefertigt, „Alta“ wurde sogar vom New Yorker MOMA angekauft.
Modelle in Kunststoff oder Holz waren nie seine Sache, erzählte Oliver Berking einmal. Wilfried Moll präsentierte seine Prototypen grundsätzlich in Silber, „seinem Material“. Eine Vorgangsweise übrigens, die den gebürtigen Hamburger mehr in der Freien Kunst, in der Bildhauerei verortet, als im Design. Und bei der sein Studium in Nürnberg zweifellos zum Tragen kommt.
1940 geboren, absolvierte Wilfried Moll im Hamburg der Wirtschaftswunderzeit eine Goldschmiedelehre (1956-1959) und verbrachte anschließend seine Gesellenjahre in Kopenhagen, einer Stadt der er zeitlebens außerordentlich eng verbunden fühlte – nicht zuletzt, weil auch dänisches Blut in seinen Adern floss (ein Großvater war Däne).
Als Meisterschüler von Andreas Moritz an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg gewann er dann die gestalterische Reife für seine internationale Karriere als freischaffender Künstler, die ihn u.a. nach Australien, China und Japan führte, wo er nicht nur in großen Ausstellungen brillierte, sondern auch Workshops leitete. In der langen Liste seiner Auszeichnungen seien hier nur der Justus Brinckmann Preis Hamburg, der Bayerische Staatspreis und der Karl Gustav Hansen – Preis Dänemark genannt.
In die Arbeitsgemeinschaft des Kunsthandwerks Hamburg ist Wilfried Moll bereits 1965, mit 25 Jahren eingetreten – zeitgleich mit seiner gleichalten Frau Gerda wohlgemerkt, die er bereits Ende der 1950er Jahre währen der Goldschmiedelehre kennen und lieben lernte. Gerda war seine „Seelenverwandte“ und letzte Instanz. Wenn sie eine Arbeit für gut befand, dufte es in die Welt. So auch die letzte vollendete Kanne, gezeigt auf der Ausstellung „Kunst Schaffen“ in der Robbe & Berking-Werft. Sie hat mit Sicherheit die „perfekte Form“.
Wilfried Moll
In Hamburg geboren.
Goldschmiedelehre in Hamburg.
Gesellenjahre in Kopenhagen.
Studium an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg,
Meisterschüler von Andreas Moritz, Diplom.
Wanderungen in Frankreich, in der Schweiz, in Italien, in Skandinavien und England.
Bis zu seinem Tod am 9. Juni 2020 ätig als freischaffender Künstler, in gemeinsamer Werkstatt mit Gerda Moll.
Arbeitsgebiete: Einzelanfertigungen von Silbergeräten und Schmuck, Lieferung von Entwürfen und Prototypen für die serielle Fertigung, Design, Unikate, Kirchensilber.
Auszeichnungen: Justus Brinkmann-Preis, Hamburg; Staatspreis der Freien und Hansestadt Hamburg; Design-plus-Preis, Frankfurt a. M.; Bayerischer Staatspreis; "Jahres Besteck" der Niederlande; Karl Gustav Hansen-Preis, Dänemark.
Weitere Informationen zum Schaffen von Wilfried Moll
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