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Sicario Film Trailer

Verstümmelte Leichen baumeln von den Highways. Der brutale Drogenkrieg an der Grenze zwischen Mexiko und dem US-Bundesstaat Arizona wird täglich bestialischer. Die Macht der Narco-Kartelle wächst.
„Sicario” ist im Spanischen der Slang-Ausdruck für Auftragskiller und der Titel des neuen Films von Denis Villeneuve. Der frankokanadische Regisseur inszeniert seinen kompromisslosen suggestiven Thriller mit atemberaubender, ästhetischer Bravour. Wie in dem furiosen Kidnapping-Drama „Prisoners” (2013) entwickelt er ein besonderes Gespür für ungewöhnliche subtile Charakterstudien und die dunkle Poesie des Bösen.

Die versteckte Sprengfalle explodiert mit ungeheurer Wucht, als das SWAT-Team den Bungalow am Stadtrand von Phoenix stürmt. Das Haus gehört zum Netzwerk eines mexikanischen Drogenkartells. Hinter Gipswänden entdecken die FBI-Agenten Dutzende von Leichen, aufgereiht nebeneinander, alle mit einer Plastiktüte über dem Kopf. Diese ersten Sequenzen zeigen wie in einem Prolog die ganze Grausamkeit und Perversion solcher Massaker. Von nun wird Gewalt oft nur noch angedeutet, die Furcht davor aber ist immer präsent. Agentin Kate Macer (Emily Blunt, „Edge of Tomorrow”) erschießt beim Einsatz einen der Gangster. Die Vorgesetzten zeigen sich beeindruckt. Der smarte, undurchsichtige Matt Graver (Josh Brolin, „No Country for Old Men”), angeblich Beauftragter des Verteidigungsministeriums, wirbt sie an für eine Taskforce mit Spezialauftrag im Grenzgebiet. Es geht um die eigentlichen Drahtzieher, das Oberhaupt des Kartells. Der Plan ist, jemand aus dem engsten Umfeld des Drogenbosses zu kidnappen und zu foltern. So hofft man an die entscheidenden Informationen zu gelangen. Kate, überzeugt auf der richtigen Seite zu kämpfen, ahnt davon nichts. Vor ihren Augen ist gerade ein Kollege gestorben, sie will unbedingt etwas bewirken. Vielleicht hat die junge idealistische FBI Agentin zunächst noch Zweifel an der Operation, doch es schmeichelt ihr, dass Matt sie unbedingt dabei haben will. Alejandro (Benicio Del Toro, „Escobar- Paradise Lost”) reagiert auf Kates Erscheinen eher ablehnend, das „Herzlich Willkommen in Juarez” klingt höchst zynisch. Auf die Frage nach seiner Tätigkeit, antwortet er nur lakonisch: „Ich gehe dahin, wohin man mich schickt.” Der wortkarge verschlossene Kolumbianer war früher Staatsanwalt. Die Killer des Kartells ermordeten seine Familie. Heute ist Alejandro selber ein versierter Vollstrecker, der sich von amerikanischen Geheimdiensten anheuern lässt. Auf den Drogenumschlagplätzen hinter der Grenze sorgt er auf seine Art für Ordnung.

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Das Drehbuch schrieb Schauspieler Taylor Sheridan („Sons of Anarchy”, 2008). Er und Villeneuve konzentrieren sich auf die Ereignisse und Atmosphäre jener Tage. Die Hintergrundinformationen über die Hauptfiguren bleiben spärlich. Alles soll sich aus der unmittelbaren Situation heraus erklären. Kate weiß nicht viel mehr als der Zuschauer. Die Story wird fast ausschließlich aus ihrer Perspektive erzählt. Anfangs hatten sich die Studiobosse vehement gegen eine weibliche Protagonistin gewehrt. Aber Emily Blunt ist grandios in der Rolle der knallharten scheuen Agentin, eine wenig glamouröse Person im verschwitzten grauen T-Shirt, die sich plötzlich unendlich einsam fühlt, noch einsamer als sonst. Diese beängstigende fremde Welt, wo alle Moralbegriffe außer Kraft gesetzt scheinen, verunsichert sie, macht sie verwundbar. Einfach war es für sie nie in dieser von Männern dominierten Umgebung. Kate ist zwischen Panik und Wut hin- und hergerissen. Hilflos muss sie zusehen, wie hier im Grenzgebiet die Unterschiede zwischen Gut und Böse sich auflösen. Das Gesetz war für sie bisher unantastbar, doch nichts von dem was sie gelernt hat, gilt mehr. In der rauen Wirklichkeit des Drogenkrieges gerät ihr Idealismus zum lächerlichen Kuriosum. Die FBI-Agentin begreift, dass sie in diesem Spiel nur eine Alibifunktion hat und als Köder benutzt wird. Zornig begehrt Kate auf, verlangt Rechenschaft. In ihrer wilden, unbeugsamen Entschlossenheit erinnert sie an Jodie Foster in „Das Schweigen der Lämmer” (1991) und Jessica Chastain in „Zero Dark Thirty” (2012).

Was immer geschieht, steht unter dem Eindruck der ersten dramatischen Sequenzen. Im weiteren Verlauf des Films verkürzt Villeneuve die Handlung ganz gezielt. Die Bilder von Folter und Demütigungen erschienen in der Presse oft genug, „Homeland” war mehr als nur eine TV-Serie, sie brachte Terrorismus und dessen Bekämpfung in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit. Begriffe wie „Waterboarding“ gehören im 21. Jahrhundert fast schon zum allgemeinen Sprachgebrauch. Es genügt also, wenn Alejandro sich einen Wasserkanister schnappt und in den Verhörraum mitnimmt. Der Frankokanadier vertraut ganz der Aussagekraft der Landschaft und der Gesichter. Er lässt den Zuschauer manchmal bewusst über Zusammenhänge im Unklaren, will so die Vorstellungskraft des Publikums herausfordern. Flankiert von der martialisch aufgerüsteten mexikanischen Policía Federal überquert Matt Gravers Konvoi die Grenze. Die Jeeps mit ihren aufmontierten Maschinengewehren und die gigantischen Grenzmauern längs des Highways haben dystopische Dimensionen. Stacheldraht ersetzt die Natur. Eine triste Stadtwüste kleiner flacher Bauten erstreckt sich wie ein undurchdringliches Netz im Territorium des Kartells. Jeder Fremde würde hier sofort auffallen. Viele der Mexikaner hausen in Elendsquartieren, der Wohnsitz des Drogenbarons ähnelt in seinem antiquierten Prunk einer Festung.

Wo sonst auf der Leinwand Gefahr durch Bewegung und Action signalisiert wird, entscheidet sich Villeneuve genau für das Gegenteil: Seine spannendste Szene ist ein riesiger Verkehrsstau, der zu einer tödlichen Falle wird. Sie symbolisiert den ‚Krieg gegen Drogen’. Das politische Schlagwort vom ‚War on Drugs’ prägte Präsident Richard Nixon 1972 wahrscheinlich in Anlehnung an Lyndon B. Johnsons ‚Krieg gegen Armut’ (War on Poverty). Warum fast jede Schlacht als Niederlage enden muss, ist eine der vielen Fragen, die „Sicario” stellt. Es geht dem 47jährigen Regisseur weniger um die Kartelle selbst, sondern um ihre Opfer und Amerika, ein Land, das immer noch glaubt, seine Probleme mit Gewalt lösen zu können. Die schillerndste Figur in diesem Hybrid aus Drogenthriller und Kriegsdrama ist Alejandro, der Auftragskiller. Benicio del Toro spielte in „Escobar- Paradise Lost” (2014) einen berüchtigten kolumbianischen Drogenboss. Für die Rolle des Polizisten Javier Rodríguez in Steven Soderberghs Film „Traffic – Die Macht des Kartells” (2000) wurde er mit dem Oscar als Bester Nebendarsteller ausgezeichnet. In „21 Gramm” (2003), dem erschütternden Epos des mexikanischen Regisseurs Alejandro González Iñárritu verkörpert er einen von Schuldgefühlen gequälten Ex-Häftling. „Nichts wird für euch Amerikaner Sinn ergeben, und ihr werdet allem misstrauen, was wir tun. Am Ende aber werdet ihr sagen: Diese Typen hatten Recht”, behauptet der Sicario. Hinter seiner Aggressivität versteckt er eine ungeheure Sensibilität. Im Schlaf schreit er auf. Der Schmerz über den Verlust der Familie hat ihn innerlich zerstört.

Alejandro ähnelt einem einsamen mutigen General ohne Armee auf verlorenem Posten. Rache muss Zärtlichkeit ersetzen. Der überzeugte Einzelgänger hat eine schwere Mission. Er scheint abgebrüht, ohne die Fähigkeit zu Mitleid, und doch wird gerade er Kates Beschützer. Sie verdankt ihm ihr Leben, er ist ihr einziger wirklicher Verbündeter. Der Kolumbianer kann in einem Moment fürsorglich sein und im nächsten erbarmungslos. Auf eine seltsame spröde Art beginnt die FBI-Agentin sich in den Sicario zu verlieben, nur für solche Gefühle ist kein Platz in dieser Welt. Produzent Basil Iwanyk („Kampf der Titanen”, 2010) nennt Alejandro „Herz und Seele des Films”. Matt Graver dagegen lässt sich von niemandem in Karten schauen bei seinen dubiosen Machenschaften. Er wirkt aalglatt, die joviale Fassade des relaxten Kaugummikauenden Amerikaners in Flip-Flops ist nur Tarnung. Mit wem er taktiert und paktiert, welche Absprachen er trifft, ob mit Gegnern oder Politikern, der Zuschauer wird es nie erfahren. Für seine geheimen illegalen CIA-Operationen auf internationalen Territorium gilt allein die Lebensphilosophie: die oder wir. Jene barbarische Selbstverständlichkeit mit der getötet wird, lässt das Blut in den Adern frieren. Die beklemmenden Bilder des britischen Kameramanns Roger Deakins („Skyfall”, 2012) sind von unglaublicher Intensität. Die expressive Farbdramaturgie und der faszinierende düstre Soundtrack (Jóhann Jóhannsson) erzeugen eine unvergleichliche Atmosphäre. Die Dialoge sind kurz, eindringlich, eigentlich mehr Monologe oder Selbstgespräche. Die Akteure erwarten keine Antwort, kein Verständnis.

Villeneuves Filme „Die Frau, die singt”, „Prisoners” und nun „Sicario” bilden eine Art loser Trilogie zum Thema extremer Gewalt und Rache. Auch in Steven Soderbergs Drogen-Thriller „Traffic“ gab es weder Helden noch Sieger, aber dieses Kriegsepos ist zynischer und moralisch ambivalenter. Die Schicksale der Akteure sind auf unheilvolle tragische Weise miteinander verwoben. Der Zuschauer erlebt Gefahr, Korruption, Brutalität, Angst hautnah. „Du wirst hier nicht überleben. Du bist kein Wolf. Dieses Land wir jetzt von Wölfen beherrscht“, warnt Alejandro Kate. Doch für Ratschläge ist es zu spät. Drehbuchautor Taylor Sheridan, ein gebürtiger Texaner, fuhr in seiner Kindheit und Jugend häufig über die Staatgrenze nach Süden. Dieses Mexiko existiert nicht mehr. „Es ist inzwischen ein gesetzloser Ort geworden”, erklärt Sheridan. In den, von der glühenden Sonne versengten, staubigen Städte der Chihuahua-Wüste begann der Drehbuchautor seine Recherchen. Mit wenig Erfolg, es herrschte absolute Funkstille. „Die einzige Möglichkeit, Zugang zu dieser Welt zu bekommen, war Vertrauen zu den Menschen aufzubauen, die von den Entwicklungen am stärksten betroffen sind. Zu den Migranten also, die aus purer Not diese Grenze überschreiten und das Niemandsland zwischen Südarizona, New Mexiko und Nordamerika besiedeln. Diese Menschen waren meine Quellen.”

Die Luftaufnahmen in „Sicario” suggerieren eine trügerische Übersichtlichkeit, doch die Territorien der Kartelle sind undurchdringlich. Auf Schleichwegen und Tunneln gelangen die Drogen ungestört über die Grenze zu ihren Abnehmern. Genau hier setzt der Dokumentarfilm „Cartel Land” des amerikanischen Regisseurs Matthew Heineman an, er schildert den wachsenden Widerstand der Bevölkerung gegen die blutige Schreckensherrschaft der Mafia nicht nur in Mexiko, sondern auch auf der anderen Seite der Grenze in Arizona. Die Politik ist schon lange Teil der milliardenschweren Geschäfte und paktiert mit den mächtigen Bossen. Matthew Heineman („Escape Fire”, 2012) wollte mehr erfahren „über die Welten, in denen ganz normale Menschen für sich keinen anderen Ausweg mehr sehen, als das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen. Mir war es dabei wichtig, ihre Geschichten von innen heraus zu erzählen, so authentisch und unmittelbar wie möglich. Ohne die Erklär-Ebene von Experten oder Texttafeln.”

Auf der anderen Seite des Rio Grande, rund 1.000 Kilometer südlich im mexikanischen Bundesstaat Michoacan, ist Jose Manuel Mireles täglich mit Gewalt und Brutalität konfrontiert. Der Terror der Tempelritter – ein Drogenkartell mit pseudoreligiösem Anstrich – beherrscht die Gegend seit vielen Jahren. Das Syndikat versteht sich selbst als „LA Empresa“ (DAS Unternehmen). Zu seinen Einnahmequellen gehören neben dem Drogenhandel, Wegzölle und Schutzgelder sowie Abgaben auf Nahrungsmittel. Wer sich den Tempelrittern in den Weg stellt, bekommt ihre bestialische Grausamkeit zu spüren. Sie löschen ganze Familien aus. Immer wieder. Vergewaltigungen und Entführungen sind an der Tagesordnung. Auch Angehörige von Mireles fielen den Todesschwadronen zum Opfer. Im Herbst 2013 stellte sich der Arzt mit dem markanten Schnurrbart an die Spitze einer Bewegung, zu der sich verschiedene „Grupos de Autodefensa“ zusammengeschlossen hatten. Diese Bürgermilizen erhoben sich gegen das Syndikat und ihre Verbündeten in Politik, Justiz und Polizei. Ihr Erkennungszeichen: weiße Shirts. Symbol ihres reinen Gewissens und ihrer Nicht-Korrumpierbarkeit. Ihre Losung: Die Macht kommt von den Menschen. Nicht von der Mafia oder korrupten Gouverneuren.

Mireles ist der geborene Leader. Ein begnadeter Volksredner, der die Sprache der einfachen Leute spricht und sie auf seine Seite zu ziehen weiß. Er ist einer von ihnen, er lebt und kämpft mit ihnen. So scheint es zumindest. Er wird schnell zum Liebling der Medien und zum Schreckgespenst der Drogenbosse und Polizeichefs. „Wir werden unsere Familien und unser Eigentum selber schützen, wenn es der Staat nicht tut“, lautet die Kampfansage an seine mächtigen Gegner und Widersacher. Mireles pfeift auf das Gewaltmonopol des Staates. Die Regierungstruppen versuchen die Bürgerwehren in ihre Schranken zu weisen. Vergeblich. Ein Dorf nach dem anderen wird von den „Autodefensas“ befreit, schon bald bringen sie die ersten Städte in ihre Gewalt. Woher ihre Waffen kommen? Von Unternehmen und Bauern, die sie unterstützen, sagen sie. Erbeutet von den Tempelrittern.

Auf dem Höhepunkt seiner Macht stürzt „El Doctor“ mit einem Flugzeug ab. Er überlebt zwar, erleidet aber eine schwere Rückenmarksverletzung. An seine Stelle tritt als Interimsführer Estanislao Beltran Torres. Kein guter Redner, ihm fehlt das Charisma. Die ersten Bewohner in den „befreiten“ Gebieten wehren sich gegen das Regime der Bürgermilizen. Mit welcher Legitimation diese regieren würden, fragen sie. Torres findet keine überzeugenden Antworten. Jose Manuel Mireles kehrt noch einmal zurück, als Mann am Stock und mit einer halbseitigen Gesichtslähmung. Er ist weiterhin populär, der Nimbus der „Autodefensas“ aber verblasst. Ihnen werden brutale Methoden vorgeworfen, Plünderungen, Folterungen. Man weiß nicht, wer alles mittlerweile weiße Hemden trägt. „Wir können nicht zu den Kriminellen werden, die wir bekämpfen“, warnt Mireles. Mehr und mehr gerät er ins Abseits. Sein Heldenimage bröckelt. Ein alter Mann, der mit seinem Ruhm bei jungen Frauen punkten will. Doch „El Doctor“ kämpft weiter – während sich seine ehemalige rechte Hand, Estanislao Beltran Torres, mit vielen Milizionären in die regulären Polizeieinheiten eingliedern lässt. Sind die „Autodefensas“ am Ende?

„Klar wissen wir, dass wir Schaden anrichten“, sagt einer der maskierten Männer, der die Crystal-Meth-Küche in der Wüste bewacht. „Aber was bleibt uns übrig? Wir sind arm... Ich werde das solange machen, wie es Gott zulässt.” Zugleich ist er auch stolz auf die Qualität der Ware. Tim „Nailer” Foley weiß aus eigener Erfahrung, was Meth mit einem anrichtet. Der Ex-Fallschirmjäger bei der US-Army war selbst nach dem Stoff süchtig, der das Ego größer macht und den Körper in kürzester Zeit zerstört. Heute führt er seinen ganz persönlichen Kreuzzug. Mit einem Trupp Gleichgesinnter, die meisten ebenfalls ehemalige Angehörige der Marines oder der Navy, patrouilliert Foley an der mexikanischen Grenze. „Arizona Border Recon“ nennt sich die von ihm gegründete paramilitärische Privatarmee, die ursprünglich einmal angetreten war, um illegale Immigranten zu fassen und den Grenzbehörden zu übergeben. Mittlerweile macht die Miliz in erste Linie Jagd auf Drogenkuriere. Mit High-Tech-Geräten und reaktionärer Ideologie. „Der Begriff Bürgerwehr wird in den Medien heutzutage meistens nur noch negativ verwendet“, bedauert Foley. Der ausgemergelte Mittfünfziger sieht sich und seine Mitstreiter als Bewahrer und Bodyguards des Guten gegen das Böse. Das Gute ist für ihn weiß und misstraut dem Staat.

Ihr Revier ist das Altar Valley, ein gut 80 Kilometer langer Korridor, der auch als „Cocaine Valley“ bezeichnet wird. Das Tal ist berüchtigt als hoch frequentierte Transitzone für den Schmuggel von Menschen und Drogen aus Mexiko in die USA. Für Foley ist der Landstrich, in dem es nur Sand und trockene Sträucher gibt, der „wilde, wilde Westen, ohne Gesetz“. Er beklagt die Unterpräsenz regulärer Ordnungskräfte, die seiner Meinung nach einen rechtsfreien Raum dulden. Andererseits gefällt er sich in der Rolle des Outlaws, der das Recht selbst in die Hand nimmt. Hier ist er der starke Mann. Einen solchen Status kann ihm sein ziviles Leben nicht bieten. Manchmal gehen der „Arizona Border Recon” bei ihren Streifzügen ein paar Schmuggler ins Netz. Es sind in der Regel kleine Fische, die von Foley und seinen Getreuen mit großer Geste abgeführt werden. Wenn die Männer wieder zurück sind in ihrer Kommandozentrale, einer leerstehenden und notdürftig eingerichteten Baracke im Nirgendwo, wird aus den Äußerungen der Anti-Drogen-Milizionäre rasch klar, dass hinter ihrem Einsatz rassistische Motive stecken. Dann ist vom „Körper ihres Landes“ die Rede, der vor der „Ansteckung durch eine Krankheit“ geschützt werden müsse. Das „Immunsystem“ sind sie, die selbsternannten Sherifs im „Cocaine Valley”.

Es dauerte Monate bis der Regisseur das Vertrauen von Mireles und Foley so weit gewonnen hatte, dass sie ihm Zutritt zum inneren Zirkel gewährten. Ein Jahr lang begleitete er seine Protagonisten und ihre Mitstreiter. Es ist ein kühner und mutiger Film, schonungslos, hart. Auf dem Handy statt der üblichen Selfies mit Freunden, das Foto von den aufgespießten Köpfen der Nachbarn. „Würdest Du warten, dass sie Dich holen kommen?” Auf beiden Seiten der Grenze sagen die Bürger das Gleiche, die Regierung kann nicht für unsere Sicherheit sorgen. Dann haben wir das Recht zur Waffe zu greifen. „Cartel Land” klingt nach Thriller und ist auch irgendwo einer, nur sind hier Mordbefehl und Folter echt und nicht gespielt. Um jede Wendung der Geschichte in Echtzeit einzufangen, arbeitete Heineman mit einem kleinen Team oder auch manchmal ganz allein. Er wollte mit der Kamera mittendrin sein, nicht nur am Rand. Hier werden die Menschen gezeigt, die in „Sicario” kaum vorkommen, die Zivilisten, die Opfer. Ein Mann wird abgeführt, seine kleine Tochter schreit wie wahnsinnig, völlig hysterisch immer lauter: „Ich bringe mich um, ich bringe mich um”. Bei den Beerdigungen wechselt Lethargie mit grenzenloser Wut. Heineman definiert seinen Dokumentarfilm als „zeitlose Erzählung über den Konflikt zwischen Idealismus und Gewalt, der sich auf beängstigende Weise durch die Vergangenheit und unsere heutige Gegenwart zieht”. Begriffe wie Rechtsstaatlichkeit, Gewaltmonopol oder Souveränität verlieren ihre Bedeutung. Der Zweck heiligt die Mittel und endet doch als Chaos. Vielleicht kann Unrecht edler sein als Recht. In Sundance wurde „Cartel Land” ausgezeichnet mit dem Preis für Beste Regie und Beste Kamera.

Niemand schildert die Hintergründe des amerikanisch-mexikanischen Drogenkriegs so eindrucksvoll wie Don Winslow in seinem Doku-Thriller „Das Kartell”: Gier und Korruption, Heldenmut und Gerechtigkeit, Rache und Verzweiflung. Pablo, den Journalisten packt irgendwann die Wut. Noch gehört er zu den Guten, hat sich nicht bestechen lassen, aber er fragt sich: „Und wozu das Ganze? Damit sich die Amis mit Drogen vollpumpen können. Direkt hinter der Grenze beginnt der gigantische Markt, die unersättliche Distributionsmaschinerie, die hier die Gewalt schürt. Amerikaner kiffen, schnupfen, spritzen, was das Zeug hält – Marihuana, Kokain, Heroin, Crystal Meth –, und haben dann den Nerv, auf den Süden zu zeigen – nach „unten” auf der Landkarte- und mit erhobenen Zeigefinger auf das „mexikanische Drogenproblem” und die mexikanische Korruption zu verweisen. Es ist aber nicht das „mexikanische Drogenproblem”, denkt Pablo, es ist das amerikanische Drogenproblem. Und was die Korruption betrifft – wer ist korrupter: der Verkäufer oder Käufer? Und wie korrupt muss eine Gesellschaft sein, deren Bürger Drogen brauchen, um ihrer Wirklichkeit zu entfliehen, und dafür Mord und Totschlag bei ihren Nachbarn in Kauf nehmen?"* Don Winslow erzählt aus der Sicht der Mafiabosse, der Dealer, Prostituierten, Polizisten, Schmuggler, und vor allem seines Protagonisten, dem Drogenfahnder Art Keller. Aber er macht seinen Lesern unmissverständlich klar: für das, was hier entstand, sind wir alle verantwortlich.

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Originaltitel: Sicaro
Regie: Denis Villeneuve
Darsteller: Emily Blunt, Benico Del Toro, Josh Brolin
Produktionsland: USA, 2015
Länge: 122 Minuten
Verleih: StudioCanal Deutschland
Kinostart: 1. Oktober 2015

Originaltitel: Cartel Land
Regie/Drehbuch Matthew Heineman
Produktionsland: USA, Mexiko, 2015
Länge: 100 Minuten
Verleih: DCM Filmdistribution
Filmfest Hamburg: 6. Oktober und 10. Oktober 2015.
Ab 6. Oktober als Video-on-Demand,
ab 30. Oktober auf DVD und Blu-Ray

Originaltitel: The Cartel
Autor: Don Winslaw
erschienen 2015 bei Alfred A.Knopf, New York
Das Kartell Deutschland: Droemer Verlag ISBN 978-3-426 30429- * Seite 427

Fotos & Trailer Sicaro: Copyright StudioCanal Deutschland
Trailer Copyright Cartel Land: DCM Filmdistribution

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