Bildende Kunst
Regionale 2 - Von hier aus / From here on in

Eine Luftschlange aus Sperrholz hängt an einer Garderobe.
Eine hölzerne Christusfigur schmückt, der Länge nach halbiert, Bilderrahmen. Eine meterhohe Palme steht in der Diele des Museums Behnhaus Drägerhaus.
Die Overbeck-Gesellschaft in Lübeck präsentiert in ihrer Sommerausstellung Arbeiten von Stipendiatinnen und Stipendiaten der Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein. Künstler der Jahrgänge 2011 bis 2013 zeigen ein buntes Spektrum aus Fotografien und Installationen, Zeichnungen, Gemälde und Aquarelle. Der Untertitel "Von hier aus / From here on in" klingt rätselhaft. Von Lübeck hinaus in die Welt?

Natürlich ist der Untertitel der Schau "Von hier aus / From here on in" nur geografisch gemeint, so der Kurator der Ausstellung Sönke Kniphals. Er sei angelehnt an die Schau von 1984 in Düsseldorf „von hier aus – Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf". Anders als in Düsseldorf, wo die Crème de la Crème der künstlerischen Moderne vertreten war, dokumentiert die Ausstellung im Overbeck-Pavillon die neue, zeitgenössische Kunstszene im nördlichsten Bundesland. Jimok Choi, Antje Feger und Benjamin Stumpf, Alexandra Eileen Gauß, Martin Hoener, Lennart Holzborn, Jakob Johannsen, Marlies Kuhn, Hendrik Lörper, Maret Tholen, Volker Tiemann, Constanze Vogt und Toshi Winschermann überraschen mit faszinierenden, überaus kreativen Arbeiten.

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Betritt der Besucher die Diele des Museums Behnhaus Drägerhaus empfängt ihn die exotisch anmutende Installation „Under palm trees VIII" des Künstlerpaares Antje Feger / Benjamin Stumpf: eine meterhohe, auf drei Beistelltischen stehende präparierte und kolorierte Echtblattpalme. Ein Bienenschwarm, anfangs leise, dann immer aggressiver summend, scheint sich der Palme zu nähern. Neugierig geworden, führt der Weg den Besucher durch die Bürgergärten hinter dem Museum zum Overbeck-Pavillon. Zwei Bilder des in Kiel und Helsinki lebenden Jakob Johannsen schmücken die Außenfassade. "Sehenswürdig I und II", aus farbigen Mosaiksteinchen zusammengesetzte Pixel-Bilder, lassen schemenhaft die historischen Salzspeicher an der Obertrave erkennen. Im Eingangsbereich hängt ein weiteres Objekt von Feger/Stumpf aus der Serie Palm Trees: Eine Raum hohe Schwarz-Weiß-Fotografie mit zwei christlichen Missionaren in traditioneller afrikanischer Königstracht ist in schmale Streifen geschnitten.

Im ersten Raum dominiert das skulpturale Gebilde „Der glückliche Marcel" von Volker Tiemann. Nur eine alte Garderobe an der Wand mit einer sich bis zum Boden kräuselnden Luftschlange? Weit gefehlt, denn der glückliche Marcel ist eine Hommage an Marcel Duchamp. 1917 entstand dessen Readymade „Trébuchet", ein altes, auf dem Boden liegendes Garderobenbrett, das ursprünglich als Stolperstein gedacht war. Tiemann hat die Garderobe vergrößert, an der Wand befestigt. Aus Modellbausperrholz klebt und formt er eine spiralförmige Luftschlange, die – rosa gestrichen – an einem der Garderobenhaken hängt. „Rausch und Analyse (Dunst)", ein Ölgemälde von Martin Hoener, Aquarelle Marlies Kuhns sowie Arbeiten von Constanze Vogt, die weißes Fotopapier mit weißem Garn auf der Nähmaschine benäht hat, ergänzen Tiemanns Objektkunst.

Der zweite Ausstellungsraum zeigt Fotografien aus Hiroshima von Toshi Winschermann und großformatige Malereien von Lennart Holzborn. Rechtecke, Kreise, Spiralen in blau-weiß-grauen Schattierungen vermitteln eine scheinbare Bewegung. Seine Bildmotive korrespondieren mit Hendrik Lörpers spiralförmigem rotierenden Objekt: „Modell und Magnetschlaufe". Faszinierend sind die Papierobjekte von Maret Tholen. Vergleichbar mit textilen Stoffen verwebt die Grafikerin und Textildesignerin Papier mit gedruckten Märchen „Die Sterntaler" und „Der Mond" zu dreidimensionalen, haptischen Elementen. Ein Text dient ihr als Schuss, ein anderer als Kette. Ihre filigranen Papierstrukturen lassen ein Gewirr von Wörtern, Silben und Buchstaben erkennen.

Im dritten Raum sind die Arbeiten des Südkoreaners Jimok Choi von besonderem Reiz. Bei Ebay oder auf Flohmärkten kauft er gerahmte Bilder, zerschneidet sie horizontal und vertikal. Die Fragmente werden neu arrangiert, wobei der Rahmen ein zentrales Kreuz bildet „Windows Vista". Eine neue, dekorative Bildkomposition entsteht. Vielleicht eine Alternative zu dem röhrenden Hirsch über dem Sofa? Aus dem Rahmen fallen, im wahrsten Sinne des Wortes, seine Bilderrahmen. Eine hölzerne Christusfigur hängt, der Länge nach halbiert auf dem äußeren Rand eines Rahmens. Weniger provokant sind dagegen die Ölgemälde von Alexandra Eileen Gauss, welche nächtliche Impressionen von Flensburg und Kiel einfangen. In diffuses Licht getaucht, düster und geheimnisvoll strahlen sie eine Atmosphäre der Stille und Ruhe aus.

Ein etwas merkwürdiges Konstrukt steht im Obergeschoss des Pavillons „Prefiguration of Blizzard 42 Machine" von Martin Hoener. Ein alter Privileg-Kühlschrank ist ausgeschlachtet und zu einer Windmaschine umgebaut worden. Ähnlich wie bei einem Springbrunnen, tanzen weiße Papierkonfetti in dem gläsernen Trichter.

Bereits vor zwei Jahren, im Sommer 2012, präsentierte die Overbeck-Gesellschaft mit der Regionale 1 junge Kreative aus allen Sparten der Kunst. Ein erfolgreiches Konzept, das nun in einer kontinuierlichen Ausstellungsreihe fortgesetzt wird. Die Stipendiaten aus den Bereichen Literatur, Musik und Theater werden dieses Jahr gesondert in dem Begleitprogramm der Ausstellung vorgestellt.

Die Ausstellung "Regionale 2 - Von hier aus / From here on in" informiert über den aktuellen Kunstdiskurs im nördlichsten Bundesland. Sie präsentiert einen facettenreichen Querschnitt durch die zeitgenössische Kunstszene in Schleswig-Holstein. Eine besuchenswerte Ausstellung, die neugierig auf die nächste Regionale in zwei Jahren macht.


Zu sehen bis zum 7. September 2014 in der
Overbeck-Gesellschaft/Kunstverein Lübeck, Königstraße 11, Behnhausgarten, 23552 Lübeck.
Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 10 - 17 Uhr.
www.overbeck-gesellschaft.de


Abbildungsnachweis:
Header: Antje Feger/Benjamin Stumpf, UNDER PALM TREES VIII, 2012, Möbel, Echtblattpalme, präpariert und koloriert ca. 400 x 150 cm
Galerie: Alle Fotos: Christel Busch
01. Jakob Johannsen, Sehenswürdig.
02. Toshi Winschermann, Fotografien aus Hiroshima
03. Lennart Holzborn (Malerei links), Henrik Löpers (Objekt rechts)
04. Maret Tholen, Papierobjekt
05. Martin Hoener, „Prefiguration of Blizzard 42 Machine".

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