Jeff Koons. The Painter & the Sculptor.
- Geschrieben von Wilfried Dürkoop -
Jeff Koons sorgt mit seinen Kunstwerken seit drei Jahrzehnten für großes Aufsehen.
In der Frankfurter Kunsthalle Schirn werden jetzt seine Gemälde gezeigt und im Liebieghaus seine Skulpturen denen alter Meister gegenübergestellt.
„Ich war immer ein Maler und ich denke wie ein Maler“ bekannte einst Koons (57), der wunderbar den netten jungen Mann von nebenan heraus kehren kann. Er stellte schon mal fabrikneue Staubsauger in Vitrinen, fertigte Flaschen und Gläser aus Edelstahl und stellte sie zusammen mit Reklameschildern teurer Tropfen unter „Luxury & Degradation“ zur Schau. Richtig bekannt wurde er in den frühen 1990er-Jahren mit seiner „Made in Heaven“-Serie. Da vergnügte er sich mit seiner späteren Ehefrau, der ungarisch-italienischen Porno-Queen Cicciolina, im Bett vor Meereswogen oder vor bestirntem Himmel. Bei manchen, den Sinnesfreuden abholden Betrachtern, stieß er damit unangenehm auf. Doch diese Bilder, die in der Ausstellung etwas abseits gezeigt werden, sind bestenfalls ziemlich aseptische Hin- oder Weggucker. Koons, der das Große und Ganze im Blick hat, gilt das Triebhafte und Lustvolle als anthropologische Konstante und schaffende Kraft, die jeder Vernunft vorausgeht.
In seinen jüngeren Serien „Easyfun“ und „Easyfun-Etheral“ zeigt er sich als Illusionsmaler. Da gibt es schwindelerregende Körperlandschaften mit manchem, was zum erotischen Arsenal gezählt wird – etwa knallrote Lippen, Laszivität verheißende Augenaufschläge und saftig rote Kirschen mit Schlagsahne. Koons weckt Sehnsüchte und Wünsche mit Collagen von Yachtaufbauten, Spitzenunterwäsche, Netzstrumpfhosen und knappen Badeanzügen - manch körperlose Dessous scheinen vor den Bildern zu schweben. Es gibt nackte, gebräunte Haut, blondes oder lilafarbenes um ein leeres Gesicht fließendes Haar oder die gelbe Kerze und Schmetterlinge vor blauem Meer und fernen Gestaden.
Seinen unermüdlichen Schaffensdrang zeigt Koons in Serien wie „Popeye“ mit dem aufblasbaren Comic-Helden oder dem riesigen roten Hummer, der drei Identisch aussehende, mehr oder weniger bekleidete Blondinen halb verdeckt. „Hulk Elvis“ nennt er in Anspielung an Andy Warhol eine Werkgruppe, in der schon mal ein rothaariger Seeräuber mit Holzbein vor antikem Gemäuer und dem orangefarbenen Umriss einer Geisha den Betrachter mit einem Auge grimmig anblickt. Nicht immer sind seine Motive einzuordnen; es bleibt viel zu entdecken und zu enträtseln.
Der Künstler mit dem Auftreten eines Sunnyboys malt seine Bilder nicht selbst, lässt sie vielmehr von Assistenten, etwa hundert hat er auf seiner payroll, nach seinen Vorgaben erst digital umsetzen und dann auf die Leinwand übertragen oder sie in glänzende oder schimmernde tonnenschwere Skulpturen umsetzen – eine genuin schöpferische Arbeitsteilung, der sich in der Vergangenheit viele Meister bedienten.
Das Liebieghaus, Kleinod der Frankfurter Museumslandschaft, beherbergt eine der bedeutendsten Skulpturensammlungen Europas und bietet jetzt die Bühne für Koons' Skulpturen, die auf das alte Ägypten, die griechische Antike oder die asiatische Kulturgeschichte anspielen.
Vor den farbig glasierten Terrakotta-Altar der Himmelfahrt Mariae von Andrea della Robbia aus dem frühen 16. Jahrhundert setzt Koons seine „Woman in Tub“ - eine mehrfarbig bemalte kopflose, die Brüste bedeckende Schöne in der Wanne. An die vergoldeten ägyptischen Totenmasken der Priesterin Takait und den Göttern des Pantheons knüpft Koons an mit dem in Gold und Elfenbein schimmernden Porzellanporträt von Michael Jackson mit dem Affen Bubbles. In seinem „Kiepenkerl“, eine auf Hochglanz polierte Skulptur, zeigt sich des Meisters intensive Beschäftigung mit dem Faltenwurf und der mehrfarbige Popeye ist der Abglanz des Mittelalters mit seinen bemalten Figuren. Die in Magenta gehaltene „Balloon“-Venus aus Edelstahl, die aussieht, als habe ein Jahrmarkts-Künstler einen Luftballon mehrfach abgebunden, thront auf einem Sockel inmitten antiker Statuen.
Und natürlich beschäftigt sich Koons mit der Geschichte des Eros, vor allem in den Gestalten der Liebesgöttin Aphrodite und des Dionysos, der Frauen geradezu verrückt gemacht haben soll. Koons' Werke lassen die Skulpturensammlung mit einem anderen Blick sehen, pusten geradezu den Staub von ihnen.
Altgediente Kämpen der Kunstbetrachtung erinnern sich noch gern an „Puppy“, den der Meister aus Amerika 1992 in der nordhessischen Provinz aufbaute. Ein zwölf Meter hoher schottischer Terrier aus Tausenden von Blumen erblühte vor dem Residenzschloss Arolsen. Dieses sublime Objekt stahl manchen Kunstwerken auf der gleichzeitig stattfindenden Documenta die Schau. Mit den beiden abwechslungsreich und anregend gestalteten wunderbaren Koons-Ausstellungen im nicht allzuweit von Kassel entfernten Frankfurt könnte es in diesem Jahr ähnlich sein.
Jeff Koons. The Painter & the Sculptor. zu sehen bis 23. September 2012.
Schirn Kunsthalle, Römerberg in 60311 Frankfurt/M. und in der Liebieghaus Skulpturensammlung, Schaumainkai 71 in 60596 Frankfurt/M. Der zweibändige Katalog, erschienen im Hatje Cantz Verlag, kostet 49,80 Euro.
Bildnachweis:
Header: Jeff Koons, Porträt des Künstlers. © Schirn Kunsthalle Frankfurt. Foto: Alexander Paul Englert
Galerie:
01. Jeff Koons Katalog-Cover, 2012 Jeff Koons. The Painter & The Sculptor, 2 Bände im Schuber, deutsch/englische Ausgabe, ca. 360 Seiten, ca.
270 farbige Abbildungen, Gestaltung Kühle und Mozer, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2012, ISBN 978-3-7757-3371-7
02. und 03. Jeff Koons, The Painter, Ausstellungsansichten. © Schirn Kunsthalle Frankfurt. Foto: Norbert Miguletz
04. Jeff Koons, Antiquity 3, 2011, Antiquity, Öl auf Leinwand, 259,1 x 350,5 cm. Privatsammlung, Courtesy Fundación Almine y Bernard Ruiz-Picasso para el Arte. © Jeff Koons
05. Jeff Koons, Antiquity 1, 2010, Antiquity, Öl auf Leinwand, 274,3 x 213,4 cm. © Jeff Koons
06. Jeff Koons, Bagel, 2002, Easyfun-Ethereal, Öl auf Leinwand, 274,3 x 213,4 cm. © Jeff Koons
07. Jeff Koons, Landscape (Cherry Tree), 2009, Hulk Elvis, Öl auf Leinwand, 274,3 x 213,4 cm. Collection of Michael & Lise Evans, New York. © Jeff Koons
08. Jeff Koons, Lips, 2000, Easyfun-Ethereal, Öl auf Leinwand, 299,7 x 431,8 cm. Privatsammlung, Courtesy Gagosian Gallery. © Jeff Koons
09. Jeff Koons, Loopy, 1999, Easyfun, Öl auf Leinwand, 274,3 x 200,7 cm. Courtesy Bill Bell Collection. © Jeff Koons
10. Jeff Koons, Monkey Train, 2007, Hulk Elvis, Öl auf Leinwand, 274,3 x 213,4 cm. Privatsammlung, Courtesy Gagosian Gallery. © Jeff Koons
11. Jeff Koons, Popeye Train (Crab), 2008, Popeye, Öl auf Leinwand, 274,3 x 213,4 cm. Privatsammlung, Courtesy Gagosian Gallery. © Jeff Koons. Foto: Rob McKeever
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