Er war ein bislang kaum bekannter Künstler, der tschechische Bildhauer, Medailleur und Zeichner František Chochola (1943–2022).
Der im mittelböhmischen Kolín geborene Künstler absolvierte die Kunst- und Gewerbeschule in Bechyně und arbeitete zunächst als Medailleur – gravierte Gedenkmünzen und Erinnerungs- und Ehren-Medaillien. Im Jahr 1963 arbeitete er als Restaurator in seiner Geburtsstadt. Durch die politischen Ereignisse des Prager Frühlings Ende der 1960er Jahre emigrierte Chochola Anfang der 70er nach Hamburg – wie auch andere Künstler wie Jan Koblasa und Karel Trinkewitz.
Auch hier bestritt er seinen Lebensunterhalt überwiegend als Graveur von Medaillien, so zum Beispiel die Medaille „Oscár Arias Sanches – Friedensnobelpreis Laureat“ Norges Bank 1990, die Deutsche 10-Euro-Silbergedenkmünze „documenta Kassel“, 2002 und die Deutsche Zwanzig-Euro-Silbergedenkmünze „300. Geburtstag Freiherr von Münchhausen“, 2020. In seinem noch existierenden Atelier in Hamburg-Alsterdorf entstand auch sein bildhauerisches Werk.
Mit einer ersten, kleinen Retrospektive ehrt die „The Yard Gallery“, am Rande des Grindelviertels, erstmalig den Künstler und die dreidimensionalen Werke Chocholas.
Die Ausstellung ist nicht von ungefähr „Alleine Gegen Den Wind“ betitelt worden, denn gleich zu Beginn der Ausstellung hängt ein farbiges Blatt, das einen vom Wind zerzausten Tuschekopf (Selbstportrait) zeigt, unter dem mit Grafit der hiesige Ausstellungtitel steht.
Metaphorisch gelesen, kann man jedoch auch davon ausgehen, dass Künstler – nicht nur seiner Generation und mit seiner Geschichte – in unseren Gesellschaften sehr häufig Gegenwind verspüren und nicht nur standhaft bleiben müssen ihr jeweiliges Werk aufzubauen und zu vertreten, sondern auch wirtschaftlich, sozial zu überleben, um schließlich beharrlich um Anerkennung kämpfen zu müssen.
Chochola hat zu Lebzeiten lieber auf Ausstellungsangebote verzichtet, wenn ihm diese nicht adäquat für sein Werk erschienen. Über diese Übersichtsschau hätte sich der Künstler unter Garantie gefreut!
Die sehenswerte und gut von Michi Graf und Jo Kühmstedt kuratierte Ausstellung zeigt eine Auswahl seiner Skulpturen, Bilder und Zeichnungen, die einen Einblick in sein vielfältiges künstlerisches Schaffen gibt.
Auf vielen Sockeln stehen die Bronzegüsse von stilisierten Köpfen, Masken, Figuren und Tierplastiken die man wegen ihrer Größe als sogenannte Tischskulpturen kategorisieren könnte. Auffallend sind in František Chocholas Werken viele kleine Feinheiten, polierte neben rohen Gussflächen, Schießscharten statt Augen, Sehschlitze in helmartigen Köpfen, die an Rüstungen erinnern sowie die runden Formen. Manchmal gibt es Ein- und Durchschüsse von Kugeln, als ob es sich um ein archäologisches Artefakt handle. Die gebrochen Helmpanzer verweisen auf die gebrochenen Persönlichkeiten. Die Toten des Aufstands von 1968 in Prag, die Verhöre und Ausstellungsverbote für Künstler als eine der Folgen der kommunistischen Repression, der Schmerz über den Verlust des Heimatlandes, all das klingt in den Werken mit.
Hero II, Bronze, 1983. Foto: Jo Kühmstedt
Chocholas Menschenbild zeigt sich in seinen bronzenen und hölzernen Figuren als Mischung der Moderne, tschechischer und deutscher Einflüsse. Man sieht außerdem: er ist formal Kind der Auffassungen der Kunstszene und Formsprache der 1970er Jahre.
Gegenüber des Galerieeingangs steht darüber hinaus eine große Plastik, die für den Außerraum geeignet wäre, eine auf dem Kopf stehende radschlagende, fröhliche Figur. Hier ist der Künstler ganz spielerisch und gleichzeitig elegant und akrobatiisch locker vorgegangen.
„Die Retrospektive will nicht nur eine Würdigung des künstlerischen Lebenswerks von František Chochola sein, sondern ihm auch seinen gebührenden Platz in der Kunstwelt geben. So stellt die Ausstellung einen wichtigen Beitrag zum kulturellen Erbe der Stadt Hamburg dar und erinnert gleichzeitig an einen Künstler, dessen Werke durch seine Emigration und die damit verbundenen Erfahrungen stark geprägt wurden“, heißt im Ankündigungstext zur Ausstellung.
František Chochola: Alleine Gegen den Wind
Zu sehen bis 31. Dezember 2024 in der The Yard Gallery (TONALi Campus), Kleiner Kielort 6 (Hinterhof), in 20144 Hamburg
Unterstützt von der Goralczyk-Stiftung.
Weitere Informationen (Galerie)
Es ist ein Katalog zur Ausstellung erschienen.
80 Seiten, Farbabbildungen
ISBN 9783000803857
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