Bildende Kunst

„Holy Places – zwischen Buddha und Silicon Valley“ heißt die Werkschau von Wolfram Görlach Montembault, die in der Galerie Beim Schlump in Hamburg bis Mitte April läuft.

Der 1945 in Potsdam geborene Künstler studierte zunächst Pädagogik und Psychologie in Hannover und Braunschweig, bevor er ab 1985 ausschließlich als freischaffender Künstler tätig wurde.

 

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Wesentlich weitergehender als eine Ausstellung, zeigt eine Werkschau einen Überblick über das Gesamtwerk eines Künstlers. Die in der Galerie versammelten Arbeiten geben also nicht allein Auskunft über einen Werkabschnitt, mit dem sich der Künstler gerade aktuell befasst, sondern sie präsentiert ein Lebenswerk.

 

Insofern ist diese Schau etwas Besonderes, denn ablesen lässt sich u.a. Kontinuität, intensives Abarbeiten an Themen, Entwicklung und Werktreue, zeitlicher Aufwand und Einzigartigkeit. Auch können ausgestandene künstlerischer Kämpfe und Ergebnisse sichtbar werden. Werk ist Bewältigung einer schöpferischen Leistung.

 

„Heilige Orte“, so verspricht der Titel dieser Werkschau und weiht damit geradezu die Objekte sowie die Galerieräume. Warum heilig? Und was hat Buddha mit dem Silicon Valley zu tun? Personen, Orte und Symbole werden hier in ein Beziehungsgeflecht verwoben, sind letztlich jedoch lediglich verbale Hilfsmittel und Konstruktion, um eine Annäherung an die Werke von Wolfram Görlach zu unterstützen.

 

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Die Werkschaubesucher sehen etwas, was sie kennen dürften, ein Déjà-vu oder eine Erinnerung an etwas Bekanntes. Die Objekte lassen sich mit außereuropäischen Kulturen verbinden, man denkt unweigerlich an Kultgegenstände indigener Kulturen Südamerikas, an asiatische Tempelanlagen, an indische Grabmäler, an islamische Ornamentik, an Totempfähle Nordamerikas oder an Schamanismus. Innereuropäisch an Verzierungen christlicher, behauster Wandbilder, oder an Votivobjekte. Auch die Kreuzform spielt eine Rolle. Und das Ganze im Kleinen, als Modell von etwas Erhabenem. Beschäftigen sich die Galeriebesucher mit einem einzelnen Objekt, so stellen sie fest, dass sie die Erinnerungen oder das bereits Gesehene nicht weiterbringen, sie erkennen ein historisches wie zeitgemäßes Material, das seiner Bestimmung entrückt wurde, ein Sammelsurium von kleinen bis winzigen Computerbausteinen, die zu einer neuen Architektur versammelt wurden. Sie benötigen Zeit, um alles im Detail erfahren zu können, immer mit dem Hinweis darauf, dass dem Auge auch etwas entgeht. Das macht aber nichts, weil die Fernwirkung der Skulpturen und Bilder die gleiche Wertigkeit hat wie die Nahwirkung. Sie erfassen Komplexität, Akribie, gebaute Verbindungen und den unglaublichen zeitlichen Spagat, der den Werken ideell innewohnt, zwischen historischem Kult und zeitgenössischer Computerhardware.

 

Bei der überwiegenden Mehrzahl der Werke gibt es Zentren: eine Figur, eine Stele, eine Rosette, ein digitales Video auf kleinem, integriertem Display und gleichzeitig von dort ausgehend die Kommunikation nach außen durch Antennen, Schweißdrähte, Injektionsspritzen oder sogenannte Typenhebel von Schreibmaschinen, die oftmals wie eine Art Federschmuck fungieren. Das ist in mehrfacher Hinsicht eine Metapher für Kommunikation – und spezifisch, Kommunikation mit höheren Wesen – heiligen Wesen.

 

Neben diesem Göttlichen ist das Menschliche parallel und gleichwertig vorhanden, nicht nur in den Totem-Objekten als Proportionsmaß allzu offensichtlich oder wenn das runde Videodisplay auf dem Punkt des Sympathikus des komplexen Nervensystems des Solarplexus sitzt, sondern grundsätzlich symbolhaft deutlich, entweder als Bezugspunkt, als kulturelle Quelle oder als rituelles, archaisches und soziales Konstrukt. Sogar in den Titeln findet man das Göttliche und Menschliche gleichermaßen, kurz formuliert: Das Werk ist auf einer Symmetrie aufgebaute, ganzheitliche Spiritualität. Dies ist einer den beiden Kernbegriffe, wenn es um Görlach Montembaults Werke geht. Nicht zu verwechseln mit Religion.

 

Der andere Kernbegriff lautet Transkulturalität. Der Künstler verbindet Darstellungen, Objekte, Symbole, Raumauffassungen fremder Kulturen mit der eigenen. Aber ­– und das ist nun entscheidend – das prallt nicht aufeinander, es entsteht kein Culture Clash – oder berührt sich an den Rändern, vielmehr durchdringt es sich und schafft etwas Neues. Man begegnet sich in den Werken auf Augenhöhe. Es ist also eine Würdigung kultureller Leistungen anderer und der eigenen.

 

Das Silicon Valley in Kalifornien (zu deutsch: Silicium-Tal) steht für jene Firmen, die die Technologie seit den 1950er Jahren gesellschaftlich und wirtschaftlich zu dem gemacht haben, was sie heute ist, ein Hort der Computer- und digitalen Technologie. Dem Tal wurde 1971 der Name eines chemischen Elements gegeben, das den Hauptbestandteil bei der Herstellung von Computerbausteinen bildet. Heute werden diese Computerbausteine, also in diesem Fall das aussortierte und entsorgte Material, dass der Künstler verwendet, nicht dort hergestellt, sondern vornehmlich in China, Indien und Brasilien. Keine Kreislaufwirtschaft, aber eine Wiederverwendung.

 

Die Ästhetik des Materials, die Aneinanderreihungen von Platinen, Microchips und Transistoren erlöst die Form von der Funktion. Die Bausteine werden spielerisch in ein neues Ordnungssystem gesetzt, bleiben einerseits als Schönheit des Wissensspeichers sichtbar und andererseits gewinnen sie einen Freiraum ihrer Verwendung.

 

Wolfram Görlach Montembault ist ein Gegenleser dieser Welt, er bürstet quer, er findet die Dinge, jenseits des Gesagten, Geschriebenen, Gezeigten – zwischen den Zeilen, den Kulturen und den Epochen.


Wolfram Görlach Montembault: Holy Places

Zu sehen bis zum 15. April 2023

In der Galerie Beim Schlump, Beim Schlump 10, 20144 Hamburg

- Weitere Informationen (Homepage Galerie)

- Weitere Informationen (Homepage Künstler)



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