Bildende Kunst

Circe, Medea, Delilah, Salome – seit der Antike bevölkern verhängnisvolle Frauenfiguren Kunst und Literatur, die durch ihre Reize den Mann verführen und vernichten.

Die Dämonisierung weiblicher Sexualität zieht sich als Stereotype durch unsere Kultur und wurde – selbstredend – von Männern geprägt. Der sexualisierte männliche Blick auf die Kunst, die damit einhergehende latente Frauenfeindlichkeit und die Reaktion feministischer Künstlerinnen darauf, sind nun Thema der opulenten, epochenübergreifenden Ausstellung „Femme Fatale“ in der Hamburger Kunsthalle.

 

Da steht sie nun in ihrer ganzen Pracht: Lilith, das Teufelsweib, der Legende nach Adams erste Frau, die das Paradies freiwillig verließ, weil sie sich dem Manne nicht unterordnen wollte. Was Wunder, dass diese Figur in unseren patriarchal geprägten Religionen auf das Heftigste dämonisiert wurde. Der Engländer John Collier hat seine „Lilith“ 1889 in voller Lebensgröße gemalt, als wunderschönes Mädchen mit kupferblondem Haar, alabasterblasser Haut und einer mächtigen zweiköpfigen Schlange, die sich um ihren bloßen Leib schlängelt. Ein mythologisches Thema? Nein, die Mythologie diente ganz offensichtlich nur als Vorwand zur Darstellung nackter Haut. Weiblicher nackter Haut, wohlgemerkt. Die männlich geprägte Salonmalerei des ansonsten so prüden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts quillt schier über an prallen Brüsten, drallen Pobacken und sich wollüstig räkelnden oder tanzenden Schönheiten, die den Voyeurismus des damaligen (?) Publikums bedienten.

 

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In der Hamburger Kunsthalle hängen die „alten Schinken“ jetzt dicht an dicht. Angefangen bei der „Lureley“ (1835) von Carl Joseph Begas (flankiert von den Handschriften Brentanos und Heines zur ihren Lorelei-Erzählungen), über Max Klingers „Sirene“ (1872), Hermann Kaulbachs super voyeuristischem Gemälde einer vor ihrem päpstlichen Vater und seinen Bischöfen tanzenden „Lucrezia Borgia“ (1882) und Franz von Stucks komplett weiblicher „Sphinx“ (1904), bis hin zu großen Werken der Väter der Moderne, Lovis Corinths „Salome II“ (1899) oder Edvard Munchs weiblichem „Vampir im Wald“ (1916).

 

Natürlich wird „Femme fatale“ ein Verkaufsschlager, dafür sorgt schon der nach Laster und Verruchtheit klingende Titel. Doch den Machern geht es nicht um die billige „Sex sells“- Masche. Anstoß zu dieser Ausstellung, so erzählt Kunsthallendirektor Alexander Klar, gab die hausinterne Diskussion über den von entkleideten „Ehrenjungfrauen“ umringten „Einzug Karls V. in Antwerpen (1878). Hans Makarts Monumentalbild ist ganz offensichtlich sexistisch, gehört aber zur Kunstgeschichte. „Wie geht man damit um“? fragt Klar und liefert auch gleich die Antwort: „Wir wollen keine Bilder abhängen, wir stellen uns der Debatte“. Einer Debatte, die in Zeiten von „#MeToo“ und Geschlechtervielfalt neuen Schwung bekommen hat, aber auch „eine Gratwanderung“ darstellt. Zumal das 19. Jahrhundert ohnehin „ein schwieriges Gelände ist“, wie Markus Bertsch (Sammlungsleiter 19.Jh.) ergänzt. „Nicht nur in Bezug auf die Sexualisierung der Frau, auch etwa beim Thema Kolonialismus“. In jedem Fall soll diese „Untersuchung von Sexismus im Kanon der Kunstgeschichte dazu dienen, aus der Bildgeschichte zu lernen“ (Klar).

 

Deshalb wird der Reigen verführerischer, todbringender Schönheiten, mit denen Maler im 19. und 20. Jahrhundert ihr zwischen Angst und Anziehung oszillierendes Verhältnis zum weiblichen Geschlecht verarbeiteten, immer wieder durch feministische Arbeiten gebrochen und konterkariert. Beispiele sind Valie Exports berühmt-entlarvendes Video „Tapp- und Tastkino“ (für Busengrapscher) von 1968, Maria Lassnigs überdimensionaler weiblicher Golem aus „Woman Power“ (1979), Nan Goldins Fotoserie über Rollenspiele (1972/92) oder die spektakuläre (nun als Video gezeigte) Performance von Sonja Boyce, die 2018 John William Waterhouses „Hylas und die Nymphen“ aus der Manchester Art Gallery 2018 abhängen ließ. Keine Frage: Die Frauen haben den Spieß umgedreht und sich der „Femme fatale“ bemächtigt. Wer das nicht glaubt, braucht nur einen Blick in das kostenlose Begleitheft zu werfen, das in Zusammenarbeit mit dem feministischen „Missy Magazine“ entstand.


„Femme Fatale. Blick – Macht – Gender“

Zu sehen bis 10. April 2023, in der Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall 5, 20095 Hamburg.

Weitere Informationen (Homepage Hamburger Kunsthalle)

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