Bildende Kunst

Wie überholt man ein Museum bei laufendem Betrieb? Wie bringt man ein zweihundertjähriges Bürgerhaus auf Vordermann, lässt aber trotzdem Besucher die Bilder bestaunen?

Nein, das geht natürlich nicht. Wo gearbeitet wird, da kann das Publikum nicht durch die Räume wandern, und so reduziert sich die Fläche des Museums auf die Hälfte. Es heißt ja „Behnhaus-Drägerhaus“, und so wird sich die ständige Ausstellung in das benachbarte Drägerhaus zurückziehen müssen, wo sonst nur die Hälfte der Bilder untergebracht ist.

 

Die Ausstellungsfläche reduziert sich damit auf die Hälfte, aber trotzdem soll der ganze Bestand vorgeführt werden – nicht allein dichter gehängt, sondern auch anders angeordnet und dazu erweitert durch einige Neuerwerbungen und Funde im Depot. Auch wenn der Stil der Präsentation in den großen Räumen eines Stadthauses vom Beginn des 19. Jahrhunderts gleichbleibt, soll sich doch einiges ändern. Besonders die chronologische Hängung wird hier und da gebrochen zugunsten einer mehr thematisch orientierten Kombination verschiedener Stile.

 

Gründungsdirektor des Museums war 1921 Carl Georg Heise (1890-1979), der erst kurz zuvor zum Leiter des St. Annen-Museums bestimmt worden war. Bis zu seiner Entlassung 1933 zeigte er sich als ein entschiedener Verfechter der Moderne, und es ist zunächst seinem Wirken zu verdanken, dass das Behnhaus eine überragende Sammlung der klassischen Moderne besitzt. Es liegt nahe, dass ein weiterer Schwerpunkt die Malerei der Nazarener ist, denn Friedrich Overbeck stammte ja aus Lübeck. Eines seiner großen Ölgemälde schmückte lange die eindrucksvolle Diele des Hauses – jetzt aber muss es ebenfalls umziehen, zusammen mit der Romantiksammlung des Hauses. Zu dieser zählen nicht weniger als vier Gemälde Caspar David Friedrichs, und zu seinen Feiern des Abendlichtes kommen dann noch Arbeiten von Carl Blechen und von Friedrichs Dresdner Freund Carl Gustav Carus, dem diese Stimmung ebenfalls lag.

 

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Eine Dauerleihgabe, Ludwig Richters (1803-1884) „Überfahrt bei Burg Schreckenstein“ – ein Meisterwerk der Romantik von 1840, das die verschiedenen Altersstufen in einem Kahn zu einem Symbol der Lebensfahrt zusammenfinden lässt – hängt aber nicht bei dieser ziemlich erstaunlichen Romantiksammlung des Museums. Es zählte zu den Lieblingsmotiven des Meisters, an dem er sich häufiger versucht hat und das in mancher Hinsicht schon auf den späteren Symbolismus vorausdeutet. Jetzt hängt es in der Nachbarschaft eines impressionistischen Gemäldes. Gotthard Kuehl (1850-1915), ein gebürtiger Lübecker, lebte in Dresden und warf aus seinem Fenster einen impressionistisch schrägen Blick auf die lichtglitzernde Elbe. Der Kontrast der beiden Werke könnte größer nicht sein. Die Kombination des dunklen Bildes mit der Feier der Helligkeit bei großer geographischer Nähe ist nicht nur sehr reizvoll, sondern gleichzeitig die anschauliche Darstellung von Kunstgeschichte: zur Jahrhundertwende hat man ganz anders auf seine Umgebung geschaut.

 

Ein Beispiel für diesen anderen Blick bieten neben impressionistischen Gemälden (u.a. von Max Liebermann!) auch die expressionistischen Arbeiten eines Ernst Ludwig Kirchner, der eine Berliner Großstadtszene mit „Straßenbahn und Eisenbahn“ abbildete; oder die Bilder der Neuen Sachlichkeit, die in merkwürdiger Weise an die glatte Malerei der Nazarener oder sogar des späten Mittelalters anknüpfen. Albert Aereboe (1889-1970) – auch er ein gebürtiger Lübecker – war ein viel zu wenig bekannter Meister dieses Stils, den kennenzulernen ganz unbedingt lohnt. Seine Arbeiten, von denen man mehrere im Behnhaus bewundern kann, sind technisch hervorragend und konzeptionell meist außergewöhnlich.

 

Was ist Lübecks bedeutendstes Kunstwerk? Ist es der spätgotische Memling-Altar im St. Annen-Museum? Das gewaltige Triumphkreuz des Bernt Notke im Dom? Oder vielleicht doch „Die Kinder des Dr. Max Linde“, die Edvard Munch 1903 gemalt hatte? Vier Pappfiguren aus diesem Bild versperren jetzt den Treppenaufgang von der Diele in den ersten Stock, so dass man einen anderen Aufgang wählen muss, wenn man sich dieses zu Recht berühmte Bild anschauen will. Lohnen tut es sich auf jeden Fall.


Von Caspar David Friedrich bis Edvard Munch. Die Highlights der Sammlung im Drägerhaus

Zu sehen bis 31.12.2022

Im Museum Behnhaus Drägerhaus, Galerie des 19. Jahrhunderts und der Klassischen Moderne, Königstraße 9-11, 23552 Lübeck

Öffnungszeiten: 01.01. – 31.3.: 11 -17 Uhr und 01.04 – 31.12: 10 – 17 Uhr

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