Bildende Kunst

Jahrelang war sie aus dem Blickfeld der Kunstwelt verschwunden, nun feiert sie mit einer geradezu kongenialen Inszenierung ein furioses Comeback: Anhand von 17 raumgreifenden Objekten zeigt das Bucerius Kunst Forum Meisterwerke der Minimal Art. Eine Kunst, die für sich in Anspruch nimmt, für alle gleich erfahrbar und verständlich zu sein.

 

Links einer der berühmten Türme von Donald Judd aus Edelstahlstahlkästen und farbigem Plexiglas, stimmungsvoll beleuchtet, so dass die zehn flachen Stahlrahmen um das bernsteinfarbige Plexiglas großflächig geometrische Schatten werfen. Rechts der blendend weiße Gitterwürfel „Cube Cube“ von Sol LeWitt, geradeaus der violett erstrahlende Lichtraum von Dan Flavin und gleich daneben die knallgelben Dreiecke von Charlotte Posenenske.

 

Wow! Was für einen Farben- und Formenspiel hat Kathrin Baumstark, die Direktorin des Bucerius Kunst Forums, hier in Szene gesetzt! Nachdem man Carl Andre‘s siebenteilige Stahlplatten betreten hat, taucht man gleichsam ein in ein minimalistisches Gesamtkunstwerk aus Exponaten und Ausstellungsarchitektur. Selten verbindet sich beides derart homogen zu einem übergroßen Meditationsraum. Ein Ganzkörpererlebnis zum Genießen.

 

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Mit Carl Andre (*1935), Dan Flavin (1933-1996), Donald Judd (1928-1994), Sol LeWitt (1928-2007) und Robert Morris (1931-2018), von dem eine Wandarbeit aus grauem Industriefilz gezeigt wird, sind die Gründungsväter und wichtigsten Vertreter des Minimalismus am Alten Wall versammelt. Serielle Anordnungen, industrielle Stoffe, sowie eine elementare Formensprache der zumeist titellosen Arbeiten kennzeichnet diese Kunstrichtung, die sich in den späten 60er Jahren zuerst in der Malerei als Reaktion auf den Abstrakten Expressionismus formierte und alsbald in den Raum expandierte. Es sollte und soll eine unmittelbar fühlbare und erlebbare Kunst sein. Eine Kunst, ohne jeden Illusionismus und ohne jede Symbolik. Eine Kunst, die sich aus sich selbst heraus erklärt.

 

Diese „Demokratisierung der Kunst“, wie Kathrin Baumstark die Minimal Art nennt, hat niemand konsequenter betrieben als Charlotte Posenenske (1930-1985), die einzige Frau unter den zehn ausgestellten Künstlern. Mit beispielloser Radikalität wandte sie sich gegen die Idee des Originals und stellte ihre Arbeiten einer seriellen, unlimitierten Produktion zur Verfügung. Neben den gelben Reliefs auch eine Art Lüftungsschacht aus Stahlblech (1967), der hier zu sehen ist. Die Baukörper, industrielle Vierkantrohre, brachte sie als Bausätze zum Selbstkostenpreis heraus und drückte damit ihre Kritik am Kunstbetrieb aus. Frustriert von der Einsicht, „dass Kunst nichts zur Lösung drängender gesellschaftlicher Probleme beitragen kann“, beendete Charlotte Posenenske 1968 ihre künstlerische Laufbahn und wandte sich der Soziologie zu. Ihre Kollegen wurden unterdessen zu Stars, darunter auch Minimalisten der zweiten Generation, die ihre reduzierte Formensprache mit zusätzlichen Bedeutungsebenen versehen haben. Im Bucerius Kunst Forum sind Imi Knoebel (*1940), Frank Gerritz (*1964), Jeppe Hein und Gerold Miller mit beeindruckenden Werken vertreten. Die Behauptung allerdings, Minimal Art sei vollständig selbsterklärend, widerlegen ihre Arbeiten ebenso, wie die der ersten Generation.

 

Sicher kann man alle Exponate „mit dem Herzen“ (Baumstark) begreifen. Doch mit dem Kopf erschließen sie sich erst voll umfänglich, wenn man weiß, dass sich Carl Andre auf Constantin Brancusi bezog, Jeppe Hein mit seiner „Changing Neon Sculpture (2006) auf Sol LeWitts Kubus und Dan Flavin auf die berühmte Serie des abstrakten Expressionisten Barnett Newman, „Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue“ (1966-1970). Eine Frage übrigens, die auch Imi Knoebel beschäftigte und die er Jahrzehnte später mit dem Statement „Ich nicht“ und einer Serie von Farbfeldmalerei beantwortete. Sein mächtiger Farbraum „Blau, Gelb und Rot“ (2008) im Bucerius Kunst Forum zeugt von seiner Unerschrockenheit. Knoebel bezog sich schon früh auf Ikonen der Malerei des 20. Jahrhunderts. Sein „Braunes Kreuz“ (1968/2018) ist ohne Malewitschs „Schwarzes Quadrat“ von 1924 nicht denkbar.

Und so lautet das Fazit: Auch diese maximal reduzierte Kunst ist keinesfalls so allgemein verständlich, wie sie gern erscheinen möchte.


„Minimal Art. Körper im Raum“

Zu sehen bis 24. April 2022

Im Bucerius Kunst Forum, Alter Wall 12, 20457 Hamburg

Geöffnet täglich 11-19 Uhr, Do bis 21 Uhr.

Das umfangreiche Veranstaltungsprogramm finden Sie unter www.buceriuskunstforum.de

 

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