Bildende Kunst
Jonas Burgert

Die Hamburger Produzentengalerie in der Admiralitätsstraße zeigt bis zum 30. Oktober 2016 Werke von Jonas Burgert. Seit der Ausstellung „Geschichtenerzähler“ in der Galerie der Gegenwart der Hamburger Kunsthalle im Jahr 2005 gehört der Berliner Künstler zu den Shootingstars der internationalen Kunstszene.
Einst als Nachfolger von Neo Rauch und Daniel Richter gehandelt, hat er sich inzwischen längst emanzipiert: In altmeisterlicher Manier verbindet Burgert in seiner figurativen Malerei Reales mit Magischem und Phantastischem, mit Symbolischem und Groteskem.

Bereits 2006 fand in den Räumen der Produzentengalerie die erste Soloausstellung des Berliners statt. Jetzt, zehn Jahre später ist es die vierte Schau des 47-jährigen, der heute zu den wichtigsten deutschen Gegenwartkünstlern zählt. Vorbei die Zeiten vom armen Künstlerleben. Vorbei die Jahre wo er – nach eigenen Aussagen – gemalt und gemalt habe und keinen habe es interessiert. Wo er sich tagsüber mit Jobs über Wasser gehalten habe, um Essen und Farbtuben kaufen zu können. Mittlerweile zahlen Liebhaber seiner Kunst sechsstellige Summen; seine Bilder sind in Privatkollektionen wie in Harald Falckenbergs Sammlung (Hamburg), der Sammlung Thomas Olbricht (Berlin) und der Vicki and Kent Logan Collection (Denver/USA) zu finden.

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Wer allerdings in der aktuellen Hamburger Ausstellung großformatige Gemälde mit phantastischen, oftmals apokalyptischen Szenarien erwartet hat, dürfte enttäuscht sein. Der Fokus von „Hälfte Schläfe“ liegt auf der Portraitmalerei – seit der Renaissance die Königsdisziplin der Malerei. Jonas Burgert greift die Tradition der Alten Meister in Stil und Duktus wieder auf. Mit dem Unterschied, dass in seinen teils farbintensiven Ölgemälden reale und surreale mit magisch-fantastischen Elementen verschmelzen, welche den Portraits eine rätselhafte, sinnbildhafte Atmosphäre verleihen. Virtuos und mit malerischer Perfektion spielt der Künstler mit dem Absurden, nutzt als gestalterische Mittel Hell-Dunkel-Kontraste, die Wirkung von Licht und Schatten, trägt farblose Lasuren auf, um den Farben mehr Glanz und Tiefe zu verleihen.

In diesem Jahr sind sechzehn weibliche Bildnisse entstanden, entweder als Brustbild oder als Schulterbild im Format von 90x80 Zentimeter. Das schöne, idealisierte Gesicht einer jungen Frau begegnet dem Besucher in verschiedenen Figurationen. Das Gesicht ist en face dem Betrachter zugewandt, die Augen fixieren mit ruhigem Blick ihr Gegenüber. Den Kopf bedecken Turban-artige Aufbauten aus bunten Bändern oder zerstückelten Textilien, dekoriert mit Fischleibern und Tierköpfen. Auf die Endlichkeit des Lebens, die Vergänglichkeit von Jugend und Schönheit weisen einige Portraits hin: die Gesichtszüge sind deformiert, von Krankheiten gezeichnet oder zur Totenmaske erstarrt. Vanitas-Symbole – ein schwarzer Vogel oder tote Insekten – deuten Leid und Trauer an. Schöne Beispiele für Burgerts expressiv-realistische Portraitmalerei sind „Strauche“ und „Staube“. In „Strauche“ sitzt vor dunklem Hintergrund eine junge Frau an einem Tisch, die Hände auf der Tischplatte übereinandergelegt. Das einfallende Licht betont die jugendlichen Gesichtszüge und den turmartigen Kopfschmuck aus bunten Bändern, unter denen sich ein roter Fisch versteckt. An Tod und Vergänglichkeit erinnert „Staube“. Das Fisch- und Bandmotiv begegnet dem Betrachter erneut, allerdings gleicht das Gesicht mit den geschlossenen Augen eher einer Totenmaske. Leuchtend bunte Bänder und rosa-rot gestreifte Fische winden sich schlangenartig um Hals und Schulter der Protagonistin, zwei im Profil dargestellte Frauen zeigen offene, weg gesprengte Hinterköpfe. Gedanken an die Surrealisten stellen sich ein, an René Magritte und Salvador Dalí oder an die Wiener Schule des phantastischen Realismus.

„Strauche“ und „Staube“, zwei von Burgerts magisch-phantastischen Portraits, huldigen nicht nur der Schönheit, sondern weisen auch auf die dunkle Seite der menschlichen Existenz hin – auf Leben und Tod. Hoffnung und Tod seien zwei Elemente, die ihn faszinieren, hat Jonas Burgert einmal gesagt. Er sehe den Tod gar nicht negativ konnotiert, vielmehr als Antrieb für diesen großen lauten Motor, der sich Leben nennt.

Die interessante und vielseitige Ausstellung „Jonas Burgert - Hälfte Schläfe“ ist bis zum  30. Oktober 2016 in der Produzenten Galerie Hamburg, Admiralitätstraße 71, 20459 Hamburg, zu sehen.
Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Freitag von 11 bis 18 Uhr, Samstag von 11 bis 15 Uhr.
www.produzentengalerie.com


Abbildungsnachweis: Jonas Burgert. Courtesy of the artist an Produzentengalerie Hamburg. Alle Fotos, außer Header: Lepkowski Studios
Header: Blick in die Ausstellung. Foto: Christel Busch
Galerie:
01. „Strauche“, 2016, Öl auf Leinwand, 90x80 cm
02. „Neige“, 2016, Öl auf Leinwand, 90x80 cm
03. „Stritte“, 2016, Öl auf Leinwand, 90x80 cm
04. „Schwinde“, 2016, Öl auf Leinwand, 90x80 cm
05. „Schliefe“, 2016, Öl auf Leinwand, 90x80 cm
06. „Neide, 2016, Öl auf Leinwand, 90x80 cm
07. „Vieche“, 2016, Öl auf Leinwand, 90x80 cm
08. „Staube“, 2016, Öl auf Leinwand, 90x80 cm
09. „Sinde“, 2016, Öl auf Leinwand, 90x80 cm
10. „Schatte“, 2016, Öl auf Leinwand, 90x80 cm
11. „Schmiege“, 2016, Öl auf Leinwand, 90x80 cm

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