Wachau – eine Kulturlandschaft mit Festivals, Ausstellungen und Donaufahrten
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
Sie zählt seit dem Jahr 2001 zum UNESCO-Weltkulturerbe und erhielt 2009 von der Zeitschrift National Georgraphic die Auszeichnung „Best Historic Destination in the World“.
Mehr kann man wirklich nicht erreichen. Umso erstaunlicher, dass die Wachau mit ihren grandiosen Stiften Melk und Göttweig, sowie der bezaubernden Altstadt von Krems immer noch keinen Spitzenplatz unter den internationalen Touristenmagneten einnimmt. Für denjenigen jedoch, der die Fülle an Kirchen und Klöstern entlang der Donau einmal gesehen hat, ist die niederösterreichische Kulturlandschaft eine Offenbarung. Jetzt kommt die beste Zeit, die Region mit dem Rad, dem Boot oder zu Fuß zu erkunden – ab dem 29. Juni verwandelt sich die Wachau wieder für einen Monat in ein Mekka der Weltmusik.
„Vergessen Sie alles, was Sie über Volksmusik zu wissen glauben… Hier zeigt sich, was passiert, wenn man der Volksmusik aller Herren Länder ausreichend Platz zum Ausbrechen gibt“. So steht es im „Jazzatlas“ geschrieben und das kann die Autorin dieser Zeilen nur bestätigen.
Seit sich im Sommer 1997 Musiker aus ganz Europa in dem pittoresken Städtchen Krems ein Stelldichein gaben, präsentiert sich „Glatt & Verkehrt“ als unerhört experimentierfreudiges Festival für traditionelle und zeitgenössische ethnische Musik. Hier wird nicht nach Stilen noch Gattungen fragt, dafür umso mehr nach Religion, Herkunft und musikalischen Wurzeln.
In diesem Jahr stehen über 30 Veranstaltungen an 13 Spielorten auf dem Programm, darunter im Schloss zu Spitz, im Schlosspark von Grafenegg und im Benediktiner-Stift Göttweig. Für das 1083 gegründete Kloster sollte man sich auf jeden Fall ein paar Stunden Zeit nehmen, denn Göttweig ist ähnlich imposant wie das prächtige Stift Melk: Ein barocker Bau der Superlative, in dem das größte freitragende Treppenhaus Österreichs, die sogenannte Kaiserstiege, zu bewundern ist. Sie wird von einem riesigen Fresko überwölbt, das Paul Troger (1698-1762), einer der bedeutendsten österreichischen Maler des Barock schuf und das den Habsburger Kaiser Karl VI. als Sonnengott Apoll verherrlicht. Man mag sich gar nicht losreißen von diesem Heiligenhimmel, eine großartige Malerei, die einem die Augen übergehen lässt.
Kontrastprogramm zum historischen Ambiente bietet der Wolkenturm Grafenegg, wo „Glatt & Verkehrt“ in diesem Jahr am 29. Juni mit einem Brasilienschwerpunkt startet. Der Wolkenturm ist eine 2007 von den beiden Architekten Marie-Therese Harnoncourt und Ernst J. Fuchs entworfene, spektakuläre Open-Air-Bühne für 1.700 Zuschauer, die im romantischen Areal von Schloss Grafenegg wie ein Raumschiff von einer fernen Galaxie wirkt. Mit seiner etwa 15 Meter hohen skulpturalen Schallmuschel bietet die Freilichtbühne eine ausgezeichnete Akustik, die auch große Symphonieorchester zu schätzen wissen. Seit 2007 findet hier das renommierte Musikfestival Grafenegg statt, das in diesem Sommer (16.August- 8. September) wieder eine ganze Reihe hochkarätiger Gäste erwartet. Unter ihnen Anne-Sophie Mutter und das Pittsburgh Symphony Orchestra (unter Manfred Honeck), Katia und Marielle Labèque und die Münchner Philharmonikern (unter Semyon Bychkov), sowie Janine Jansen und das Philharmonia Orchestra London (unter Esa-Pekka Salonen).
Aber zurück zu „Glatt & Verkehrt“: Hauptspielort des Festivals ist der überdachte Innenhof der „Winzer Krems“ – der größten Winzergenossenschaft Österreichs, die ihren Sitz oberhalb der Kremser Altstadt in der Sandgrube 13 hat. Von hier aus hat man einen wunderbaren Blick über die Stadt und die Donau bis zum Stift Göttweig. Und hier lassen sich nebenbei auch leckere Tropfen verkosten, die in den hochmodernen und weiträumigen Kelleranlagen der Winzer Krems reifen. Diese Anlage ist eine echte Touristenattraktion, auch für Kinder, denn neben Hightech-Kesseln und Elektronik gibt es auch eine Gruft, in der die Kellergeister spuken.
Wenn man die Wachau während des Weltmusikfestivals besucht, sollte man die „Tönende Schiffsfahrt durch die Wachau“ auf dem hundertjährigen Raddampfer Schönbrunn (6. Juli) nicht verpassen: Von Krems geht es nach Spitz und wieder zurück an einem langen Nachmittag (17.00 bis 22.30 Uhr), aber musikalisch reicht die Reise noch viel, viel weiter – vom Schwarzwald bis ans Mittelmeer. An Deck, auf den Donaubrücken und entlang des Flussufers, überall sind Chöre und Kapellen zugegen, insgesamt über 100 Musiker und Musikerinnen aus der Region. Bier und Leberkäs sorgen für das leibliche Wohl – kurz, wenn das Wetter mitspielt, gibt es einfach nichts Schöneres. In jedem Fall ein Erlebnis, das man nicht so schnell vergisst.
Aber auch jenseits der Musikfestivals lohnt die Wachau-Erkundung entlang der Donau – insbesondere für Liebhaber der drei großen K’s: Kunst, Kirche, Kulinarik. Zwischen Krems und Melk gibt es eine Fülle hervorragender Gasthöfe und Heurigen, in denen man sich vor oder nach einer Kirchenbesichtigung stärken kann. Und Kirchen gibt es in dieser Region mehr als genug: Allein am linken Flussufer liegen rund 30 Sakralbauten, angefangen bei der ehemaligen Dominikanerkirche in Krems, über das wunderschöne, ehemalige Augustiner Chorherrenstift Dürnstein, bis zur Burgkapelle von Gossam. Reist man an der rechten Donauseite entlang, so kommt man an der Wehrkirche St. Michael, dem Kloster Aggsbach und dem Kloster Schönbühel vorbei – drei Kleinoden christlicher Kultur. Die Fahrt am rechten Flussufer entlang ist auch deshalb empfehlenswert, weil von hier aus der Blick auf die vielen Kirchen am linken Ufer ausgesprochen reizvoll ist.
In Melk selbst gehören zwei Dinge zum Pflichtprogramm: Eine Führung durch das grandios schöne Stift. Und ein Besuch der Sommerspiele in der Wachau-Arena Melk: Jedes Jahr werden hier mit herrlichem Blick auf das beleuchtete Weltkulturerbe Stoffe der Weltliteratur auf die (überdachte) Freiluftbühne gebracht. Bis zum 3. August ist es die Geschichte des Grafen von Monte Christo nach dem Roman von Alexander Dumas.
Keine Frage: Die Wachau ist unglaublich reich an Natur- und Kulturschätzen. Buchstäblich jeder Quadratzentimeter scheint hier von Kunst durchtränkt. Selbst Marillen-Plantagen, auf denen man ja eigentlich nur Obst, Schnaps und eine gute Jause erwartet, überraschen mit zeitgenössische Installationen und Land-Art-Projekten. Der Marillenhof Kausl in Mühldorf bei Spitz an der Donau hat nun schon zum dritten Mal internationale Künstler eingeladen, die örtlichen Gegebenheiten des großen, alten Gartens auszuloten und Arbeiten zum Thema Natur und Nachhaltigkeit zu entwickeln. Im vergangenen Jahr waren hier Arbeiten von Steffi Alte (D), Dan Peterman (USA), Reto Pulfer (CH) und Rirkrit Tiavanija (Thailand) zu sehen. Bis auf den überdimensionalen „Obstgeist“ von Reto Pulfer aus Holz, Leinen und Plexiglas alles Werke, die die Grenzen von Kunst und Alltag auflösen. Das gilt für Steffi Altes kleine Plattform aus Beton ebenso, wie für Tirjavanjias Erdofen und erst recht für den Stall von Dan Peterman, in dem 13 Laibe Bio-Ziegengouda aus der Region reiften.
An der Schnittstelle von Kunst, Ökologie und Alltag bewegen sich auch die Arbeiten der diesjährigen Künstler Kim Seob Boninsegni (CH), Jason Dodge (USA), Marcus Geiger (A) und Aki Sasamoto (JP).
Für Stefan Tasch, Kurator der Ausstellungsreihe „Struktur & Organismus“, ist der Garten ein lebendiger Organismus, dessen Gefüge aus einem Gleichgewicht sich verändernder Kräfte besteht: „In diesem Sinn reagieren nicht nur Künstler auf den Garten, sondern auch der Garten auf die Künstler“.
In Krems selbst ziehen zwei relativ neue Museen weit über Landesgrenzen die Aufmerksamkeit auf sich: Die 1995 eröffnete Kunsthalle und das 2001 eröffnete Karikaturmuseum. Beide Museen haben ein erstaunlich hochkarätiges Programm und sind mittlerweile feste Adressen im internationalen Ausstellungsreigen. So war vergangenes Jahr in der Kremser Kunsthalle die opulente „Wunder-Ausstellung“ zu sehen, die zuvor in den Hamburger Deichtorhallen lief. In diesem Sommer werden hier zeitgleich zwei bedeutende feminine Positionen österreichischer Kunst vorgestellt: Einmal die Fotografien von Elfie Semotan (72), die jahrelang als Modell gearbeitet hatte, ehe sie Ende der 1960-Jahre hinter die Kamera wechselte und mit lyrischen Modefotografien Aufsehen erregte. Zum anderen das facettenreiche Schaffen von Kiki Kogelnik (1935-1997), die in den 60er-Jahren eine eigenständige Variation der Pop-Art entwickelte (14.Juli-6. Oktober).
Einen ganz besonderen Stellenwert nimmt das Karikaturenmuseum Krems ein. Zum einen, weil es das einzige Museum für satirische Kunst in Österreich ist. Zum anderen, weil das dreigeschossige Haus mit seinem markanten Dach nach den Plänen des Architekten und Karikaturisten Gustav Peichl alias IRONIMUS errichtet wurde. Zum dritten, weil niemand geringerer als der geniale Zeichner Manfred Deix der Ideengeber dieses Museums war. Seine gesammelten Bosheiten werden hier nun in einer Dauerausstellung gewürdigt.
Deix ist längst ein Klassiker. Nicht nur der österreichischen Karikatur, vielmehr des gesamten deutschsprachigen Raumes. Eitelkeit, Dummheit, Rassismus, Bigotterie, Scheinheiligkeit – kein Bereich menschlicher Schwächen ist ihm fremd, niemand kommt ungeschoren davon, weder Promis, noch Pastoren oder Politiker. Sein feistes, frivoles Figurenarsenal hält der Gesellschaft grinsend den Spiegelvor und geht dabei voller Lust unter die Gürtellinie.
„Für immer Deix“ – allein schon für diese Ausstellung lohnt die Reise in die Wachau. Und wenn Sie in Krems sind, noch ein Tipp: Schauen Sie im Gasthaus Jell, Hoher Markt 8, vorbei. Es gibt keine bessere Küche in der Region.
Informationen im Netz:
Musikfestival „Glatt & Verkehrt“: www.glattundverkehrt.at
Stift Göttweig: www.stift-goettweig.at
Stift Melk: www.stiftmelk.at
Schloss Grafenegg: www.grafenegg.com
Weinerlebniswelt Winzer Krems: www.sandgrube13.at
Kirchen in der Wachau: www.kirchen-am-fluss.at
Sommerspiele Wachauarena Melk: www.sommerspiele-melk.at
Karikaturmuseum Krems: www.karikaturmuseum.at
Kunsthalle Krems: www.kunsthalle.at
Marillenhof-Destillerie Kausl: www.marillenhof.at
Gasthaus Jell in Krems: www.amon-jell.at
Wachau Schiffart: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Fotonachweis: Alle © Isabelle Hofmann
Header: Wachau-Arena in Melk
Galerie:
01. Festival „Glatt & Verkehrt“ am Anleger Weißenkrichen
02. Stift Göttweig
03. Stiegenhaus im Stift Göttweig
04. „Trogerhimmel“ im Stift Göttweig
05. Blick auf Dürnstein
06. Stift Melk
07. Wachau-Arena, Melk: "Inszenierung der "Päpstin"
08. Blick in die Weinkellerei der Winzer in Krems
09. Marillengarten in Mühldorf bei Spitz. Kunstobjekt von Steffi Alte.
10. Dan Peterman: "Stall mit Ziegengouda"
11. Linkes Donauufer. Kirchen am Fluss
12. Karikaturmuseum Krems. Ausstellung mit Werken von Manfred Deix.
13. Manfred Deix: „Mann mit Horn“
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