Die Hamburger Klangwerktage (01. - 04. Dezember 2011) haben sich in den fünf Jahren ihrer Existenz zu einem wichtigen Kulturfaktor in Hamburg entwickelt. Die Publikumszahlen sind deutlich gestiegen und das Festival wurde in weiten kulturellen Kreisen der Stadt angenommen.
Warum aber überhaupt ein Festival für Neue Musik?
Zu keiner Zeit wurde die Musik der Gegenwart so wenig gehört und geschätzt wie heute. In der Literatur oder bildenden Kunst sieht das anders aus. Jeder kennt die Frankfurter Buchmesse, die documenta, die Filmfestivals in Cannes, Locarno oder Berlin. Ist Donaueschingen (oder gar Darmstadt) gleichermaßen ein Begriff? Zur Uraufführung zeitgenössischer Musikwerke treffen sich meist nur ein paar Eingeweihte, während die documenta, Buchmessen mit ihren zahlreichen Neuerscheinungen wie Filmfestivals zu Medienhypes geworden sind.
Gleichzeitig hat sich die sogenannte ernste Musik durch die medialen Rezeptionsgewohnheiten immer mehr der Unterhaltungsmusik angenähert. Unsere Hörgewohnheiten werden durch die Tendenz zur Berieselung geformt und beeinflusst. Wir hören gern das Bekannte in Variation. Was uns in jedem Fall gefällt, nicht was uns weckt. Das macht es nicht nur für die Neue Musik schwierig, gehört werden zu können.
An dieser Stelle sehen wir es nicht nur als Aufgabe an, die Ohren für Neue Musik öffnen zu helfen, sondern ebenso durch Neue Musik neue Erfahrungen zu ermöglichen, neue Aufmerksamkeiten zu erzeugen. Achtsamkeit auf die Welt der Töne und Geräusche verändert unser Wahrnehmen, unserer Einstellung der Welt gegenüber ganz generell. Da wirkt die (immer neu zu erzeugende) Neue Musik über den engen Rahmen ihrer Aufführung hinaus. Deshalb dürfen die elitären Zirkel, die sie oft noch umgeben, mit Nachdruck gesprengt werden – was aller Unterstützung wert ist.
Das Profil des Festivals hat sich deutlich geschärft und besteht nun aus fünf Grundpfeilern:
1. Im Fokus steht die Musik des 21. Jh. in ihren verschiedenen Facetten - klassisch und experimentell – Musik der Jetztzeit. Die ohnehin schon oftmals aufgeführten Werke namhafter Komponisten des 20. Jh. erklingen exemplarisch. Der Schwerpunkt liegt aber auf Neuschöpfung und Aktualität.
Das Festival bietet ein Forum für ganz junge und zum Teil auch noch unbekannte, talentierte Komponisten. Nachwuchsförderung hat einen hohen Stellenwert. Es ist in Deutschlands Festivallandschaft einzigartig, dass „die ganz Jungen“ neben „den ganz Großen“ auf einem professionellen Festival gleichberechtigt vertreten sind. So haben wir z. b. im Festival 2010 drei Konzerte von Studierenden. Eins der Konzerte ist ein Gemeinschaftsprojekt der Hafen City Universität mit der HfMT, in einem weiteren Konzert sind Komponisten und Interpreten der Musikhochschulen Lübeck, Bremen und Hamburg vertreten und im dritten sind alle Beteiligten Komponisten und Interpreten Absolventen der Hamburger Musikhochschule.
2. Jedes Jahr ist das Festival mit einem großen interkulturellen Jugend – Educationprojekt Begegnungsstätte junger, motivierter Jugendlicher und Musiker aus verschieden Nationen. Damit leisten wir einen wirksamen Beitrag zur zeitgenössischen Musikvermittlung und zur interkulturellen Kompetenz: gemeinsam setzen sich die jungen Menschen intensiv mit einem oder mehreren zeitgenössischen Musikstücken auseinander und komponieren selber. Ein lebendiger, anregender Austausch zwischen den kulturell unterschiedlich geprägten Jugendlichen findet durch die Arbeit statt, orientiert an der Begegnung mit dem Zukunft schaffenden Potential Neuer Musik.
3. Wir verstehen uns als genreübergreifendes Festival. Neben den Konzerten finden Installationen, Ausstellungen, Lesungen, Filme und Vorträge zum Festivalthema statt. Architektur, Malerei und Videokunst werden in die Werke einbezogen. Durch weite Vernetzung mit den verschiedenen Künsten und Kunstszenen wird mancherorts neues Interesse geweckt und eine Verbreiterung der Publikumskreise erwirkt.
Die Schirmherrschaft des Festivals hat Prof. Dr. Dr. hc. Hermann Rauhe, künstlerische Leiterin ist Christiane Leiste.
SCHLEIER UND SCREEN
Die Hamburger Klangwerktage 2011 stehen unter dem Motto
„Schleier und Screen“.
Schleier verbergen, verhüllen, schützen – sie lassen im Ungewissen, machen neugierig, locken. Ihre Textur ist weich und fließend, opak oder durchscheinend. Das Geheimnis hinter dem Schleier gilt es zu entdecken, das unbekannte Dahinter zieht uns an.
Screen scheint zunächst genau das Gegenteil zu bedeuten: Die Welt wird auf einer harten, kalten Oberfläche abgebildet. Ein Bild jagt das nächste. Es gibt keine Tiefe, alles wird gezeigt, nackt, des Geheimnisses entblößt.
Dennoch kann es ganz anders sein: Mit Bildern, die mehr verschleiern als zeigen, erhält der Bildschirm/Screen eine geheimnisvolle Tiefe – er wird poetisch und fesselt dadurch den Zuschauer. Der Schleier dagegen kann zur Farce werden, zum Symbol eines öffentlichen und offensichtlichen Zwangs, der im Grunde nichts zu verbergen hat.
Die beiden Begriffe stehen auch für Osten und Westen.
Bei den Klangwerktagen 2011 werden wir uns dem Thema Schleier besonders mit einem Iran-Schwerpunkt nähern.
Neue Avantgarde-Musik im Iran, gibt es das überhaupt? Was komponieren iranische Komponisten heute? Wie klingt das im Gegensatz zu westlicher Neuer Musik?
Das Motiv Schirm/Screen/Bildschirm wird vor allem in dem Werk Luna Park (2011) von Georges Aperghis (Deutsche Erstaufführung) sein. In diesem Neuen Werk geht es um Bildschirm, Überwachung, Kontrolle.
Weitere Komponisten und Künstler werden sich mit dem Thema Schleier und Screen beschäftigen: Die Studierenden der Klasse freies Gestalten von Prof. Lothar Eckhardt an der HCU planen eine große Installation in der Vorhalle mit dem Thema „Schleier“. Junge Hamburger Komponisten sind dabei, zu edm Thema zu komponieren.
In Kooperation mit dem Berliner Ensemble „Work in Progress“ vergeben die Klangwerktage einen Kompositionsauftrag an den jungen, in Deutschland lebenden Exiliraner Ali Gorji und veranstalten einen Kompositionswettbewerb an junge Komponisten zu Texten des 2000 verstorbenen Fereydoon Moshiri dem vielleicht bedeutendsten, unter Iranern jedenfalls hochgeachtet persischen Dichtern.
Der persische Komponist Nader Mashayekhi vertont das Gedicht Irdische Offenbarung Forugh Farrochsad, einer der bedeutendsten Schriftstellerin der modernen persischen Literatur für das Ensemble Resonanz und Elbtonal Percussion.
In ihrem Werk „Irdische Offenbarung“ schreibt Forugh Farrochsad über die Menschheit als gefallenes Geschlecht mit all den schrecklichen Erlebnissen und Gräueltaten. Mit ihren kritischen Gedichten, die bis heute gegen Tabus verstoßen, gehört ihr Werk zu den meistgelesenen im Iran, gleichwohl ist es dort offiziell nach wie vor verboten.
Die Sängerinnen Marlis Petersen und Sepideh Vahidi werden das Gedicht alternierend in ihren Sprachen Deutsch und Persisch vortragen. Dabei wird das Wechselspiel zwischen Abstand und Annäherung, sowohl auf der sprachlichen Ebene als auch im musikalischen Duktus, zum wichtigen Gestaltungselement der Gesamtkomposition.
Ticket Hotline
040 27 09 49 49
(Dienstag bis Freitag 13:00-19:00 Uhr; Samstag, Sonntag u. Feiertage 16:00-19:00 Uhr)
Vorverkauf
Auf Kampnagel und an allen bekannten Vorverkaufsstellen.
Online über www.kampnagel.de.
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