So freudig laut hört man „hungrige Hunde“ selten jaulen: Aus einem Buch der Ökonomen Matthias Weik und Marc Friedrich mit dem Titel „Der Crash ist die Lösung.
Warum der finale Kollaps kommt und wie Sie Ihr Vermögen retten“ lesen Sie bei oberflächlicher Betrachtung eine tolle Nachricht für sich heraus. Dass nämlich die „Hundegesellschaft“ im Geld schwimmt, denn „das Geldvermögen der privaten Haushalte war 2013 auf über 5 Billionen Euro angewachsen.“ Anfang 2014 seien es bereits 6,3 Billionen gewesen.
Mit einem Wort: jeder „Hund“ ab 17 Jahren müsste theoretisch 83.000 Euro auf der hohen Kante haben. Der anfängliche Jubel der Unbedarften, der schlichten Gemüter, der Langsam-Denker oder Gar-Nicht-Denker – sonst wohl gutmütige Haustiere – nur von etwas beschränkter Urteilskraft, verfliegt ebenso schnell, wenn sie mitkriegen, dass reiche Deutsche – die Milliardäre und Super-Millionäre noch gar nicht mitgezählt – 800.000 Euro pro Kopf besitzen. Und nicht zu fassen: „Die Anzahl der Milliardenvermögen in Deutschland hat im Jahr 2013 mit 135 Milliardären einen neuen Höchststand erreicht.“ Die armen Hunde haben dagegen in ihrem Unterschlupf „höchstens ein Sparschwein“ stehen. Sie schweigen betreten, denn die schmerzliche ungerechte Vermögensverteilung juckt im Grunde genommen keinen „kalten Hund“. Ja, laut einer Umfrage durch Infratest-dimap sind 80 Prozent der Befragten mit der politischen Lage in der BRD `sehr` oder `eher` zufrieden.“ (siehe junge welt vom 30. April/1. Mai 2014)
Während ein Teil der „armen Hunde“ mutlos den Kopf schüttelt, gibt sich ein kleinerer Teil nicht damit zufrieden. Man will mehr wissen, was hinter diesen sehr unterschiedlich großen „Fressnäpfen“ steckt, wie sie zustande kommen, wo die Ursachen liegen und welche Alternativen es gibt. Freudestrahlend lesen sie im gründlich recherchierten 384 Seiten umfassendem Werk „Der Crash“, dass die zwei Ökonomen knallharte Fakten sprechen lassen, dass sie zu einem Sinneswandel beitragen wollen, sowohl bei den Entscheidungsträgern in der Finanzwirtschaft als auch bei den Bankkunden. Jeder Einzelne sei mitverantwortlich, „dass das System wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird. Dass das Geld wieder den Menschen dient, und nicht die Menschen dem Geld.“
Natürlich wissen die meisten armen Schlucker, dass seit Herbst 2008 Krisen unsere ständigen Begleiter sind: die Immobilienkrise, die Finanz- und die Bankenkrise, die Staatsschuldenkrise, die Eurokrise. Sowie die Krisen und Pleitegefahren in Irland, Griechenland, Spanien, Zypern, Italien. Auf den Seiten 185 bis 201 nehmen die Autoren ebenso die USA, China und Japan unter die ökonomische Lupe. Sie werden als globale Krisenmotoren bezeichnet. Dabei würden die Rettungspakete immer teurer und fragwürdiger, begleitet von einer beispiellosen „Serie von Vertragsbrüchen, Lug und Betrug.“ Ratlos schütteln die sehr wenig Bemittelten am Rande der Gesellschaft die Köpfe, zumal, wie die Autoren schreiben, seit Sommer 2012 „die Politik, Hand in Hand mit der Finanzbranche und den Notenbanken, lediglich die Symptome der Krankheit bekämpft“. Die wahren Ursachen der Krise seien aber nicht in Angriff genommen worden.
So ist es nicht verwunderlich, dass wir alle, nachzulesen auf der Seite 14, durch die Notenbanken enteignet werden, dass die Verzinsung von Ersparnissen fast unterhalb der Inflationsrate liegt, dass billiges Geld verzweifelt in der Welt nach Anlagemöglichkeiten sucht, dass immer größere Spekulationsblasen entstehen, dass die Welt in Schulden versinkt, „dass sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet...“ Wachstum sei auf Treibsand gebaut, ohnehin sei dieser ohne nachhaltige Binnennachfrage undenkbar. Auch verweisen die Autoren auf die begrenzten Ressourcen auf unserem Planeten. Ab der Seite 30 vergleichen die Autoren das Geschäftsgebaren einiger Finanzkonzerne mit kriminellen Organisationen und fügen zwanzig interessante Fakten hinzu. Daraus insgesamt schlussfolgern die Autoren, der Knall werde kommen, der Abgrund, der Zusammenbruch des Finanzsystems, der Crash. Mahnend schreiben sie auf Seite 317: „Doch wenn die Menschen erst begreifen, dass ihr Geld und auch ihre Rente zum großen Teil weg sind, wird man […] bürgerkriegsähnliche Zustände und Revolutionen nirgendwo mehr ausschließen können. Der Zorn wird unbeschreiblich sein.“
Beispiele, so viele auch genannt werden, sind allerdings nur Belege, sie führen nicht direkt zu neuen Erkenntnissen. So fragen sich die „elenden Hunde“ ernsthaft, wo denn die eigentlichen tieferen Ursachen der Gesellschaftskrise liegen, denn nur aus diesen Erkenntnissen lassen sich Lösungen und echte Alternativen finden sowie eigenes Tun und Lassen.
Und an dieser Stelle zeigt sich – trotz der mühevollen Recherchen und der reichen Faktensammlung – eine gewisse Ratlosigkeit bei den beiden Ökonomen. Mehrfach verwenden sie das Wort Gier. Gier, die dazu antreibt, immer mehr Kapital zu akkumulieren, immer mehr Gewinn zu machen. Wäre es nur die menschliche Gier, dann würde wohl ein Appell an die Vernunft reichen, vielleicht verbunden mit ernsthaften Ermahnungen. Doch seitdem es Kapitalismus gibt, sind gebetsmühlenartige Beschwörungen für die Katz, wer wüsste das nicht. Zwar schreiben die Autoren auf Seite 79 von „Profitmaximierung um jeden Preis“ und auf der Seite 304 nennen sie die Minimaldefinition von „Kapitalismus“ als „Eigentum an den Produktionsmitteln“ und das Verfügungsrecht über Kapitalverwendung grundsätzlich als privat. Man könne somit den Kapitalismus nicht mehr als „freie Marktwirtschaft“ bezeichnen. Einige Zeilen weiter meinen die beiden Ökonomen, „unsere Götter heißen Kredit und Konsum“.
Dass das Privateigentum an Produktionsmitteln die heiligste aller Kühe ist, wird niemand bestreiten, gerade deshalb ist es ein bloßer Wunschtraum, jeder Einzelne solle bereit sein, „Gier und Bequemlichkeit zu zügeln“, um so „unseren Teil zum dringend nötigen Wandel“ beizutragen!! Das ist gelinde gesagt, eine große Illusion. Mit reiner Vernunft ist dem Kapitalismus nicht beizukommen. Nur Bankenschelte und verkürzte Kapitalismuskritik verschleiern die wahren Ursachen der Krise. Vielleicht zweifeln die Autoren selbst an ihren Lösungswegen – die seitenlang durch Tipps, wie man sein eigenes Vermögen retten kann – belegt werden sollen. Sie befürchten nämlich, dass „das notwendige Umdenken nicht freiwillig stattfinden, sondern durch ein katastrophales Ereignis erzwungen wird“. Zu begrüßen ist die Feststellung, die Krise sei nur zu bewältigen durch einen tiefgreifenden Struktur- und Gesellschaftswandel. Und schon präsentieren sie kleinlaut nur halbtaugliche Lösungswege, indem sie zu mehr Bildung und Erziehung, Mündigkeit, Werte, Moral und Ethik, Demut und Dankbarkeit, Liebe und Vertrauen aufrufen.
Die nach wie vor durch das Lesen dieses Buches nicht sehr schlauer gewordenen „armen Hunde“ fühlen sich in die Kirche versetzt, um zu beten. Sie bleiben, was sie sind unter diesen Umständen: Arme Schweine, denn welches Vermögen sollen sie denn retten können? So bleibt vorerst nur übrig, sich leider – Ironie der Geschichte – auf Friedrich den Großen zu besinnen, der der Legende nach einst ausrief: „Hunde, wollt ihr ewig leben?“
Anzuraten ist jedem politisch interessierten Leser diese Lektüre auf jeden Fall. Ist sie doch in ökonomischer und politischer Hinsicht eine Bereicherung für eine realistische Gesellschaftsanalyse, vorausgesetzt, er scheut nicht vor einem kritischen Blick auf das vorliegende Buch „Crash“ zurück.
Matthias Weik & Marc Friedrich: „Der Crash ist die Lösung. Warum der finale Kollaps kommt und wie Sie Ihr Vermögen retten“
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 384 SeitenVerlag: Bastei Entertainment; Auflage: 2014 (16. Mai 2014), ISBN: 978-3-8479-0554-7
Copyright@2014 by Bastei Lübbe AG, Köln
Abbildungsnachweis:
 Detail aus Buchcover und Buchcover.
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