Bisher ist der in Hamburg lebende Psychologe und Autor Tom Diesbrock mit Karriere- und Lebensratgebern in die Öffentlichkeit getreten. Jetzt hat er mit „Ein Vogel namens Schopenhauer“ seinen ersten Roman geschrieben.
Das Buch handelt von einer Pilgerreise, die allerdings nicht religiös motiviert ist. Es geht auch nicht zu Fuß nach Mekka oder Lourdes, sondern mit dem Rad von Italien nach Deutschland. Genauer gesagt, über die Berge nach Burghausen in Bayern. Begleitet wird der Pilger auf seiner Reise von einem Vogel, der eines Morgens plötzlich und offensichtlich verletzt in Matteos Garten steht und den er Schopenhauer nennt.
Wie sich herausstellt, handelt es sich um einen Waldrapp. Ein Vogel, der vom Aussterben bedroht ist. Matteo pflegt den Vogel wieder gesund und beschließt, Schopenhauer mit dem Fahrrad im Anhänger über die Alpen nach Hause zu bringen. Das wirft allerdings Matteos Pläne völlig durcheinander. Denn eigentlich hatte sich der Misanthrop längst damit abgefunden, den Rest seines Lebens allein in seinem Schrebergarten zu verbringen und abends die Tür zum Gartenhäuschen vor den Menschen zu verschließen. Denn Menschen begegnet Matteo am liebsten nur von Ferne. Eine Ausnahme gestattet er sich: Nachbarin Leyla darf die Gartentür öffnen und eintreten in Matteos kleines Reich. Ein Kaffee in Ehren, ein kurzes Gespräch, das meist von Leyla allein bestritten wird und von Matteo nur mit wenigen Wörtern bereichert wird – mehr ist nicht drin. Mehr muss auch nicht sein und das ist gut so. So kann das Leben bleiben, glaubt Matteo, der von Beruf Philosoph ist und sich aus Gründen, die nach und nach zutage kommen, von den Menschen zurückgezogen hat.
Hier in seinem Garten, in der Gartenhütte hat er sich eingerichtet, hat alles was er zum Leben braucht. Vor allem viele Bücher. „Die einen beschäftigen sich mit der Philosophie, die anderen mit Reisen und fremden Ländern. Es hatte den Anschein, als könne man hier jedem noch zu unbedeutenden Denker und jeder noch so abwegigen Philosophie begegnen und ein Buch über jeden Ort dieser Welt finden.“ Das ist Matteos Reich, seine Welt, die so wie sie ist bleiben kann und soll. Doch es kommt anders. Daran ist Nachbarin Leyla nicht ganz unschuldig. Sie ist in einem Dorf in der Türkei aufgewachsen und weiß, was das für ein Vogel ist, der Matteo so völlig unerwartet zugelaufen ist. In jedem Frühjahr fand nahe ihrem Heimatdorf in der nächstgrößeren Stadt ein wichtiges Fest für den „Kelaynak“ statt, so der türkische Name des Vogels, der hierzulande Waldrapp heißt und ein Zugvogel ist. Deshalb also war er in Italien gelandet und letztendlich in Matteos Garten.
Matteo erfährt, Waldrappe lebten lange Zeit in Europa nur noch in Zoos. Seit einigen Jahren werden sie wieder ausgewildert. Wahrscheinlich war Schopenhauer auf dem Weg nach Hause, bevor er in Matteos Garten auftauchte, vermuten Leyla und ihr Nachbar. So wie es aussieht, wurde der Vogel von einer Kugel am Flügel verletzt… Alle Wunden heilen, könnte das Motto dieses Romans lauten. Denn natürlich heilt hier nicht nur der Flügel des Waldrapps, sondern letztendlich auch die verwundete Seele seines menschlichen Begleiters. Das ist das Ergebnis dieser Pilgerreise, die über die Alpen führt und Matteo zunächst notgedrungen und später freiwillig wieder zu den Menschen bringt. Ein Happyend für sommerliche Lesezeiten.
Im Anhang erfahren wir interessante Tatsachen über Waldrapp Schopenhauer und seine Artgenossen. Sprachlich ist der Roman kein Meisterwerk, das Buch liest sich leicht verständlich und ist deshalb gut geeignet für konfliktfreie Lesemußestunden. Es enthält den einen und anderen philosophischen Gedanken, der uns nachdenklich macht und der vielleicht und bestenfalls zu einer Reise zu uns selbst führt. Wenn das gelingt, hat der Autor das Ziel erreicht und die Pilgerreise findet auch für uns Leser und Leserinnen ein gutes Ende.
Tom Diesbrock: „Ein Vogel namens Schopenhauer“
Piper Verlag
Roman. 336 Seiten, Paperback.
ISBN 978-3-492-07222-9
Weitere Informationen und Leseprobe (Verlag)
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