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Die Gedenkstätte Ahrensbök befindet sich im historischen Direktionsgebäude einer ehemaligen Zuckerfabrik aus dem späten 19. Jahrhundert. Im Jahr 2000 erwarb der „Trägerverein Gedenkstätte Ahrensbök" das Gebäude im Ortsteil Holstendorf mit öffentlichen Mitteln der Gemeinde Ahrensbök, des Kreises und des Landes Schleswig-Holstein. Auf Initiative der „Gruppe 33 – Arbeitsgemeinschaft zur Zeitgeschichte in Ahrensbök" im Jahr 2001 eröffnet, dokumentiert der Gedenkort die Zeit während der Nazi-Diktatur: das Konzentrationslager und NS-Bildungssystem, die Zwangsarbeit in Privathaushalten, Ahrensböker Betrieben und der Landwirtschaft sowie die jüdischen Opfer des Regimes. Ein weiteres Thema erinnert an den Todesmarsch im Jahr 1945. Aus den Konzentrationslagern Mittelbau-Dora im Harz und Auschwitz-Fürstengrube wurden Häftlinge nach Ostholstein getrieben, durch die Gemeinde Ahrensbök bis an den Ostseehafen Neustadt in der Lübecker Bucht.

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Konzentrationslager
Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten richtete der Eutiner SA-Standartenführer Johann Heinrich Böhmcker für alle politischen Häftlinge ein Schutzhaftlager im Gefängnis des Amtsgerichts Eutin ein. Im Oktober 1933 wurden die Häftlinge aus Eutin in das als Arbeitslager des Freiwilligen Arbeitsdienstes (FAD) genutzte Direktionsgebäude nach Holstendorf verlegt. Böhmcker errichtete hier ein frühes, mit Zwangsarbeit verknüpftes Konzentrationslager, das allerdings zwei Monate später in ein unbewohntes Privathaus in der Plöner Straße 15, in den Ortskern Ahrensböks, verlagert wurde. Das Lager wurde – wie der frühere Freiwillige Arbeitsdienst FAD – aus Mitteln der „Reichsanstalt für Arbeit“ sowie aus erpressten Schutzhaftgeldern, Geldstrafen und Bußgeldern finanziert.

Von Oktober 1933 bis zur Auflösung im Mai 1934 umfasste das Konzentrationslager etwa 100 Häftlinge aus der Region, darunter NS-Gegner, Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, sogenannte Arbeitsscheue und Asoziale. Wer waren diese „Schutzhäftlinge“? Neben dem Leiter des Ahrensböker Konsumvereins Bernhard Pump, traf es den Leiter des Arbeitsamtes Eduard Koch und den Fabrikanten Hermann Julius Jungclausen – der sich nach Zahlung von 4.000 Reichsmark seine Freiheit im Januar 1934 zurückkaufte. Hinzu kamen KPD-Mitglieder wie Richard Jonitat, Otto Kuhlmann und Willi Sturm.

Das Konzentrationslager stand unter Aufsicht von SA-Sturmführer Theodor Tenhaaf, ein mehrfach vorbestrafter Schläger. Tenhaaf misshandelte zusammen mit den als Wachmänner dienenden Hilfspolizisten die „Schutzhäftlinge“ mit Reitpeitschen und Gummiknüppeln, teilweise um Geständnisse zu erpressen. Die Inhaftierten wurden zu Arbeitseinsätzen herangezogen. Acht Stunden mussten sie täglich im Wege- und Straßenbau arbeiten, Knicks roden, Land umgraben und planieren. Unter starker Bewachung der SA, im weißen Drillich des FAD und mit Holzschuhen, Militärlieder singend, wurden sie als Kolonne durch die Straßen Ahrensbök zur Arbeit getrieben. Unübersehbar für die Bevölkerung!
Im KZ Ahrensbök kam niemand zu Tode. „Kein Paradies, aber auch nicht die Hölle", hieß es in einem Leserbrief „

„Gegen die Greuelhetze im Konzentrationslager" des ehemaligen Inhaftierten Christian Sievertsen im Lübecker Generalanzeiger vom 8. Februar 1934: Die Lagerverpflegung wäre sehr gut und reichlich gewesen, von Gummiknüppel und Peitschenhieben habe er nichts vernommen, der Kommandant sei gerecht und ein Vorbild für die Wachleute. „Alles marxistische Greuelhetze und Märchen", hieß es weiter. Von diesen sogenannten Märchen erfuhr die Öffentlichkeit 1949 in dem Prozess gegen den Lagerkommandanten. Wegen Misshandlungen, Missbrauch sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilte das Schwurgericht Lübeck Tenhaaf zu drei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus. Die bürgerlichen Ehrenrechte wurden ihm für drei Jahre aberkannt.

Am 18. Mai 1934 veröffentlichten die Ahrensböker Nachrichten die Auflösung des Konzentrationslagers. „Am 9. Mai wurde das Konzentrationslager in Ahrensbök aufgelöst und sämtliche Schutzgefangenen" mit Ausnahme einiger, gegen die noch ein Strafverfahren läuft, entlassen. [...] Die vielfach vertretene Auffassung, daß heute die Schutzhaft nicht mehr verhängt werden dürfe, sei irrig; vielmehr könne jeder festgenommen werden, der durch sein Verhalten die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährde."

NS-Bildungssystem
Im Obergeschoss der Gedenkstätte befindet sich ein Schulraum mit Originalmöbeln: hölzerne, zweisitzige Schulbänke, dazu ein Stehpult für den Lehrer und eine große Tafel. Der Raum erinnert an die Zeit, als hier Ahrensböker Realschüler die Schulbank drückten.

Im Januar 1934 übernahmen rund 200 Mitglieder der SA-Gruppe Nordmark das 1928 erbaute Realschulgebäude in der Lindenstraße als Eliteschule der NSPAP. Die Realschüler mussten weichen. Als der Kauf des Hotels „Stadt Hamburg" als neuer Schulort scheiterte, wurden die Schüler und Schülerinnen vorübergehend in den Räumlichkeiten des ehemaligen Konzentrationslagers in Holstendorf untergebracht, bis sie drei Monate später der Realschule Bad Schwartau eingegliedert wurden.

Im Juni 1940 eröffnete in dem inzwischen leer stehenden Realschulgebäude die Lehrerbildungsanstalt (LBA). Nachdem die männlichen Teilnehmer zum Kriegsdienst eingezogen waren, wurde die Schule 1941 zu einer Lehrerinnenbildungsanstalt, die junge Mädchen mit Volksschul- und Realschulabschluss im Sinne der Nazi-Pädagogik zu Lehrerinnen ausbildete. Keine Berufsgruppe habe sich so reibungslos gleichschalten lassen, wie die deutsche Lehrerschaft, so Jörg Wollenberg, Historiker und gebürtiger Ahrensböker. „Innerhalb weniger Monate des Jahres 1933 gelang in ganz Deutschland die Nazifizierung des gesamten Bildungssystems."

Zwangsarbeit in Ahrensbök
Anhand von Dokumenten und Berichten von Zeitzeugen informiert die Gedenkstätte über dieses dunkle Kapitel Ahrensböker Geschichte. Ahrensbök, 1933 im Zuge einer kommunaler Gebietsreform zur Großgemeinde mit 19 Dörfern und Streusiedlungen gewachsen, zählte Ende der 1930er-Jahre knapp 5.000 Einwohner, davon umfasste die ländliche Bevölkerung etwa 3.000 Menschen. Hinzu kamen 1.294 ausländische Zwangsarbeiter. Der größte Anteil kam aus der UdSSR und Polen, gefolgt von den Benelux-Ländern, Frankreich und den Baltischen Staaten. Zwischen 1939 und 1945 waren sie auf Bauernhöfen, in Privathaushalten und den gewerblichen Betrieben Globus-Gummi- und Asbest-Werke, Flachsröste GmbH und Gemüse-Absatz-Genossenschaft zwangsverpflichtet. Das Lager der Globus-Werke befand sich auf dem Werksgelände nahe der Lübecker Straße. Während die Zwangsarbeiter der Flachsröste ebenfalls auf dem Firmengelände untergebracht waren, befanden sich die Baracken der Gemüse-Absatz-Genossenschaft auf dem Hof Mentz in Hörsten. Die Zahl der zum Arbeitseinsatz gezwungenen Kriegsgefangenen wird auf etwa 200 geschätzt. Französische Gefangene arbeiteten auf dem Oldenburger Hof in Gnissau, auf dem Hof Hamerich in Böbs und der ehemaligen Meierei in Schwochel. Sowjetische Kriegsgefangene waren auf Hof Heine in Siblin und Gut Dunkelsdorf zwangsrekrutiert.
Die heutige Gedenkstätte war als Verwaltungsgebäude der Flachsröste Teil der Zwangsarbeit in Ahrensbök.

Juden in Ahrensbök
Das im Januar 1936 verfasste „Verzeichnis der im Bereich der Gemeinde Ahrensbök wohnenden Juden und jüdischen Mischlinge“ nennt zehn Familien. Dazu gehörte die Familie des jüdischen Pferdehändlers Noah Troplowitz. Die Tochter Minna heiratete den Schweinehändler Franz Koop, der – aus Sicht der Nazis – durch die Heirat mit einer Jüdin die völkische Reinheit verletzt hatte. Nach den Nazi-Gesetzen galt die gemeinsame Tochter Lore als Halbjüdin und wurde als „Juden-Lore" diffamiert. Trotz aller Repressalien: Die Freundschaft mit dem SA-Führer und Regierungspräsidenten Heinrich Böhmcker schützte die Familie Koop vor Verfolgung und Verhaftung.

Keinen einflussreichen Gönner hatten dagegen der jüdische Tierarzt und Veterinär Josef Ludwig Isaac, genannt Hermann Beckhard, und seine Familie. Unter dem Druck der Nürnberger Rassengesetze von 1935 und der Arisierungsverordnung von 1938 wurden Haus und Grundstück am Pferdemarkt 112 unter Wert verkauft und von den Globus-Gummi- und Asbest-Werken erworben. Die Familie emigrierte im selben Jahr in die USA. Die älteste Tochter Erna Ackermann, geb. Beckhard, blieb in Deutschland und kam im Konzentrations- und Vernichtungslager Theresienstadt ums Leben.

Gegen die Arisierung konnten sich die Besitzer des Hofes Gut Dunkelsdorf erfolgreich wehren. Die Volljüdin Edith Solmsen heiratete 1925 den aus Peru stammenden Landwirt Wilhelm Schulz. Jüdisches Vermögen in der Landwirtschaft sei nicht mit den Grundsätzen nationalsozialistischer Bodenpolitik vereinbar, erklärte im Oktober 1939 der Ahrensböker Bürgermeister Wilhelm Wulf im Prozess gegen Wilhelm Schulz. Die Übertragung des Gutes Dunkelsdorf seitens der jüdischen Ehefrau Schulz an ihren arischen Ehemann sei nicht zu genehmigen. Wulf verlor den Prozess. Im Krieg verpachtete die Familie das Gut und emigrierte zu Verwandten nach Peru. Unter der Leitung des Ahrensböker Arztes Dr. Heinrich Hermanns wurde das Herrenhaus nach dem Krieg für kurze Zeit als Krankenhaus genutzt.

Todesmarsch von Auschwitz nach Holstein
Die Gedenkstätte zeigt seit der Eröffnung eine Dauerausstellung über den Todesmarsch nach Ahrensbök in den Monaten April und Mai des Jahres 1945. Das Dritte Reich stand kurz vor dem Zusammenbruch. Todesmärsche aus den KZs und Vernichtungslagern wurden organisiert, um die Gräueltaten des Nationalsozialismus zu verwischen und die Häftlinge dem Zugriff der Roten Armee und den Westlichen Alliierten zu entziehen.
Die Evakuierung des Lagers Auschwitz-Fürstengrube begann am 19. Januar 1945. Lagerkommandant Max Schmidt führte rund 1.000, überwiegend jüdische Häftlinge nach Ahrensbök: zu Fuß bis Gleiwitz, in Waggons der Reichsbahn nach Mauthausen, von dort über Nordhausen in das KZ Mittelbau-Dora. Von Mittelbau wurden etwa 200 Gefangene, der Rest war während des Marsches erschossen, erfroren, verhungert, verdurstet oder gestorben, zu Fuß nach Magdeburg getrieben. Hier trafen die Häftlinge auf eine Gruppe mit etwa 300 Gefangenen, darunter Holländer, Franzosen, Belgier und sowjetische Kriegsgefangene aus dem Lager Klosterwerke, unter dem Kommando von Johann Mirbeth. Beide Häftlingsgruppen wurden in einen Elbkahn verladen. Die Fahrt ging elbabwärts nach Lauenburg und von dort auf dem Elbe-Lübeck-Kanal in nördlicher Richtung nach Lübeck. Vom Lübecker Industriehafen beim Getreidesilo begann am 12. April 1945 der Fußmarsch über Pohnsdorf nach Ahrensbök, wo die Überlebenden in zwei Scheunen auf freiem Feld bei Siblin und auf Gut Glasau getrieben wurden. „Die Leute boten ein Bild vollkommenen menschlichen Jammers. Sie waren entsetzlich verhungert und abgerissen, liefen teilweise barfuß oder ohne Strümpfe in Holzschuhen. Die Leute schleppten sich mühsam vorwärts", erinnert sich eine Zeitzeugin. Während alle Personen westeuropäischer Herkunft von Vertretern des schwedischen Roten Kreuzes in Sicherheit gebracht wurden, mussten die osteuropäischen jüdischen Häftlinge nach Neustadt marschieren. Max Schmidt brachte sie auf die dort liegenden KZ-Schiffe Cap Arcona, Thielbek, Athen und Deutschland. Am 3. Mai 1945 bombardierte die englische Luftwaffe die Schiffe, in der falschen Annahme es seien Kriegsschiffe. 7.000, möglicherweise mehr als 10.000 Menschen starben bei der Katastrophe.

Gedenken
Seit September 1999 markieren zwölf Stelen – frei und aufrecht stehende Betonplatten mit eingelassenen Tontafeln und Tonfiguren – die Wegstrecke, auf der im April 1945 die KZ-Häftlinge aus den Konzentrationslagern Auschwitz-Fürstengrube und Mittelbau-Dora von Lübeck über Ahrensbök nach Neustadt an der Ostsee marschieren mussten, erzählt die Vorsitzende des Trägervereins Dr. Ingaburgh Klatt. Sie wurden 1999 von Teilnehmern des ersten internationalen Jugendsommerlagers auf dem Gelände der Gedenkstätte zusammen mit dem Künstler Wolf Leo geschaffen.

Die Gedenkstätte Ahrensbök klärt anhand von Ausstellungen, Dokumentationen und Veranstaltungen über die Schrecken zur NS-Zeit in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt auf. Als kulturelles Gedächtnis leistet sie Vermittlungs- und Versöhnungsarbeit für Überlebende, Angehörige und Nachkommen von Opfern sowie für die Ahrensböker Bevölkerung und für alle Interessierten, insbesondere Schüler/innen aus Schleswig-Holstein.

Die Gedenkstätte Ahrensbök ist geöffnet: von November bis März sonntags von 14 bis 17 Uhr, April bis September sonntags von 14 bis 18 Uhr. Oster- und Pfingstsonntag ist das Haus geschlossen. Im Dezember und Januar ist Winterpause.
Wiedereröffnung am heutigen 27. Januar 2016, dem internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus.
Mitglieder des Trägervereins führen auf Wunsch und nach Absprache jederzeit durch das Gebäude.
Die Gedenkstätte liegt an der Flachsröste 16, 23623 Ahrensbök, Ortsteil Holstendorf, direkt an der B 432.
Eintritt und die Teilnahme an Sonntagsgesprächen sind frei. Spenden sind willkommen.
E-mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.gedenkstaetteahrensboek.de

Sonderveranstaltungen:
Mittwoch, den 27. Januar 2016, 9.00 bis 16.00 Uhr
gemeinsam mit jungen Menschen, die an diesem Tag die Gedenkstätte besuchen
wollen, am internationalen Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken.

Ab Sonntag, den 31. Januar 2016
wird die Gedenkstätte wieder regelmäßig sonntags von 14.00 - 17.00 geöffnet sein.
An diesem ersten Sonntag nach der kurzen Pause sind Sie um 15 Uhr eingeladen zu einem
Sonntagsgespräch mit Prof. Dr. Jörg Wollenberg. Sein Thema: "Ereignisse von 1945 rekonstruiert"


Abbildungsnachweis:
Header: Innenansicht der Gedenkstätte Ahrensbök. Foto: Christel Busch
Galerie:
01. Chemische Fabrik Ahrensbök in den 1930er Jahren, heute Gedenkstätte. (Postkarte)
02. Heutige Gedenkstätte Ahrensbök. Foto: Christel Busch
03. KZ-Wachen in SA-Uniformen, 1933. Foto: Archiv Gedenkstätte
04. Globus Gummi- und Asbestwerke mit Beckard-Haus (links). (Mit aufgedruckter Order eines Arztes gegenüber Zwangsarbeitern aus dem Jahr um 1937). Foto: Archiv Gedenkstätte
05. Privatschule Ahrensbök
06.-08. Gedenkräume in Ahrensbök. Foto: Christel Busch
09. Judith und Samule Taube aus Israel an der Stele Bokhof. 2001 in der Gedenkstätte zu Besuch. Er war aus Polen nach Frankreich gegangen und dort Kantor geworden. Er hat im KZ als Sänger überlebt, dann den Todesmarsch bis Ahrensbök und kam mit dem Schwedischen Roten Kreuz nach Schweden und später nach Israel, dort war er wieder Kantor und Lehrer des Lübecker Kantors Chaim Kornblum. Foto: Gedenkstätte Ahrensbök.

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