Portalspiele: Zehn Türen. Zehn Stücke. Zwanzig Aufführungen.
- Geschrieben von Isabelle Hofmann -
„In die Kirche ging ich morgens, um Komödien zu schauen, abends ins Theater, um mich an der Predigt zu erbauen“, schrieb Heinrich Heine.
Bei Michael Batz kann man jetzt auch abends Komödien in der Kirche sehen. Der Hamburger Autor, Regisseur und Lichtkünstler hat den zehn Türen von St. Michaelis „Portalspiele“ auf den hölzernen Leib geschrieben. Open Air werden sie beim „Theaterfest am Michel“ erstmals en suite aufgeführt: Zehn Türen. Zehn Stücke. Zwanzig Aufführungen.
Alle, die den Hamburger Michel schon einmal besucht haben, kennen seinen 132 Meter hohen Turm mit der größten Turmuhr Deutschlands, den 52 Meter langen Kirchenraum und die Steinmeyer-Orgel mit ihren 6.665 Pfeifen. Aber wer, bitteschön, ist jemals auf die Idee gekommen die Türen zu zählen und festzustellen, dass es zehn an der Zahl sind? Zehn – wie die zehn Gebote, die zehn Finger oder die Top Ten hanseatischer Touristenattraktionen, zu denen die größte und wohl auch schönste Barock-Kirche Norddeutschlands mit Sicherheit gehört. „Selbst der Kölner- und der Salzburger Dom haben weniger Türen“, erzählt Michael Batz. Das sei etwas ganz Besonderes am Michel, vielleicht sogar einzigartig in Deutschland. In jedem Fall erstaunt die demokratische Gesinnung, die dahinter steht und mag unbewusst zu der einzigartigen Verbundenheit des „einfachen Volkes“ zu „ihrer Kirche“ beigetragen haben: Früher, so Batz, seien die Arbeiter auf dem Weg in den Hafen schnurstracks durch die Kirche gegangen – es war einfach der kürzeste Weg.
Der Hamburger Theatermann „entdeckte“ die Türen vor acht Jahren, als der Michel grundlegend renoviert wurde und er mit dem neuen Lichtkonzept beauftragt war. Ihn faszinierten die Vielzahl und Vielfalt der zehn Türen als „Schnittstellen zwischen Stadt und Stille“, die unterschiedlichen Blickachsen in Richtung St. Pauli, auf das Portugiesen-Viertel, auf die Agenturen am Baumwall, auf den Hafen, auf die Neustadt oder in Richtung Handwerkskammer das Gänge-Viertel. Von diesen Blicken hat sich Batz inspirieren lassen. Anstatt in die Archive der Stadt einzutauchen, wie bei seinen Dokumentarstücken, ist er hier „in das Archiv meines Herzens“ gestiegen, und hat die dort gefundenen Bilder, Stimmungen und Phantasien zu „Geschichten des kurzen Augenblicks“ verarbeitet. Im „Arme Leute Essen“ beispielsweise erinnern sich ein Mann und eine Frau an den ständigen Hunger in ihrer Jugend – und wie sie ihn mit Fantasie überlisteten. Im „Brezelmädchen“ treffen sich drei herzkranke Manager an der Kirchenpforte, weil die Schulmedizin nicht mehr helfen kann. Und in „Ein paar Jahrhunderte“ hat sich ein Paar vor Urzeiten geschworen, sich immer zu lieben - und nie das Hauptportal zu benutzen. Auch Türen, so Batz, haben einen starken Symbolgehalt. „ Eine Tür bedeutet immer auch eine Schwelle. Eine Entscheidungssituation, verbunden mit der Frage: Wo komme ich her, wo will ich hin“. Das ist auch der rote Faden der zehn Einakter, die der Theatermann zuerst als szenische Lesungen konzipiert hatte und die nun so unterschiedliche Regisseure wie Sabine Falkenberg, Torsten Hammann, Erik Schäffler und Michael Bideller in Szene setzten. „Ortsmeditationen“ nennt Michael Batz seine Reisen durch Zeit und Raum. Als Hamburgensien will er sie jedoch nicht verstanden wissen. „Es sind frei erfundene Gegenwartsstücke, die sich durchaus auch in andere Städte und andere Kirchen exportieren lassen“. Vielleicht ja auch nach Kiel.
Michael Batz „Portalspiele“, 08. bis 25.09.2011, Open Air vor den Türen des Michel, Englische Planke, Hamburg.
Karten: 10 Euro je Stück, 18 Euro für zwei Stücke.
Alle Informationen unter www.portalspiele.de
Fotonachweis: Michael Batz - Hamburg Art Ensemble
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