
Ach, wie schön ist es doch, Weltliteratur einmal auf diese poetische Art und Weise erzählt zu bekommen! Begeisterter Beifall für das hinreißende Gastspiel des Bremer Figurentheaters „Mensch, Puppe! in den Hamburger Kammerspielen. Ihre Romanadaption „Kleiner Mann – was nun“ von Hans Fallada, nominiert für den Monica Bleibtreu Preis 2019, zählt zweifellos zu den Höhepunkten der diesjährigen Privattheatertage.
Nach so einem intensiven, köstlichen Theaterabend bekommt man glatt Lust, Falladas kritische Milieustudie aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise, galoppierenden Inflation und Massenarbeitslosigkeit wieder einmal zur Hand zu nehmen. X-mal wurde der Klassiker von 1932 für die Bühne bearbeitet und verfilmt. Doch so originell, so phantasieanregend, so anrührend, liebevoll und urkomisch wie in der Inszenierung von Thomas Weber-Schallauer hat man die traurige Geschichte vom Verkäufer Johannes Pinneberg und seiner Frau Emma, genannt „Lämmchen“, die einen hoffnungslosen Kampf um ein gesichertes Einkommen und ihr kleines familiäre Glück führen, noch nie zu Gesicht bekommen.

Es ist erstaunlich, fast ein kleines Theaterwunder, wie mühelos Claudia Spörri – allein mit ihrer Stimme und wechselnden Papp-Masken – diese düstere Welt mit all ihrem Personal entstehen lässt. Und, ja tatsächlich, Mitgefühl mit zwei Puppen zu erzeugen vermag. Diese grandios wandlungsfähige Schauspielerin und Sängerin scheint im Zusammenspiel mit der Cellistin Lynda Corts, die das Spiel live begleitet, den beiden Protagonisten und mehr als einem Dutzend Pappkameraden tatsächlich Leben einzuhauchen.

In einem Privattheater wie den Hamburger Kammerspielen mit über 400 Plätzen in Parkett und Rang sieht das schon anders aus. Und so haben die Bremer für ihr Hamburg-Gastspiel eigens zwei Live-Videokameras installiert (Live-Video Lio Klose und Cantufan Klose), die das Bühnengeschehen auf der schrägen Rampe, auf der es immer nur nach unten zu gehen scheint, überdimensional groß auf die dahinter befindliche Leinwand projiziert. Nein, das ist ausnahmsweise mal kein „neumodischer Schnickschnack“ um des Showeffekts willen, wie Sophie Rois so herrlich lautstark in René Pollesch‘s „Probleme Probleme Probleme“ am Schauspielhaus moniert. Hier ist es die pure Notwendigkeit – die das Puppenspiel allerdings noch um eine magische Dimension erweitert. Hoffentlich kommt die Compagnie bald wieder. Ansonsten gilt: Bremen ist gar nicht weit. Am besten hinfahren und selbst anschauen.
Privattheatertage: Kleiner Mann – was nun?
Mensch, Puppe! Das Bremer FigurentheaterNach dem Weltbestseller von Hans Fallada
Regie und Stückfassung: Thomas Weber-Schallauer
Ausstattung: Anna Siegrot
Spiel: Claudia Spörri
Cello und Loop: Lynda Cortis
Weitere Informationen
Abbildungsnachweis: Alle Fotos: M. Menke
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