Wien: Heldenplatz. Cerha - Schwertsik - Bernhard
- Geschrieben von Kerstin Schüssler-Bach -
Der neue Black Box-Abend verbindet gallige Texte von Thomas Bernhard mit schrägen Kabarettchansons von Friedrich Cerha und Kurt Schwertsik.
“A schöne Leich“, wie der Wiener sagt. Morbides und Makabres gehen in der Donaumetropole eine ganz besondere Melange ein. Österreichs bestgehasster Dichter Thomas Bernhard spießte diese Wienerische Liaison in boshaft funkelnden Sottisen auf. Zwischen Kunsthistorischem Museum, Kaffeehaus und Musikvereinssaal suchen seine Figuren ihr Refugium vor den Zudringlichkeiten des Lebens – um dann doch auf dem Friedhof am glücklichsten zu sein. Objekte der Bernhard’schen Hassliebe und Ekelbegierde sind die servilen Schlitzohrigkeiten und jovialen Verdrängungsmechanismen, die pompösen Rituale und infernalischen Heiterkeiten.
„Je müder ich bin, desto lieber bin ich in Wien“
Thomas Bernhard war Nationaldichter, aber auch Nestbeschmutzer – nirgendwo so skandalumwittert wie in seinem 1988 am Burgtheater uraufgeführten Theaterstück „Heldenplatz“, das der damalige Bundespräsident Kurt Waldheim eine „grobe Beleidigung des österreichischen Volkes“ nannte. „Der Österreicher“, so heißt es in „Heldenplatz“, „ist von Natur aus unglücklich. Und ist er einmal glücklich, schämt er sich dessen und versteckt sein Glück in seiner Verzweiflung.“
Tragikomische Sentenzen
„Wien: Heldenplatz“ heißt auch ein Lied des Wiener Komponisten Friedrich Cerha. Es basiert auf einem Gedicht von Ernst Jandl aus dem Jahr 1962, das in ironisch grotesken Sprachspielereien den „Anschluss“ Österreichs 1938 reflektiert. Tausende Menschen jubelten 1938 auf dem Heldenplatz Hitler zu – ein Tableau, das auch Bernhards „Heldenplatz“-Figuren wieder einholt.
Die poetisch-musikalische Sprache Bernhards, der Rhythmus ihrer Pointen und ihrer lustvollen Schimpftiraden war der Ausgangspunkt für die letzte Produktion der Reihe „Black Box 20_21“ in der Opera stabile. Dramaturgin Kerstin Schüssler-Bach und Operndirektor Francis Hüsers montierten Bernhards tragikomische Sentenzen aus seinen Texten „Alte Meister“ und „Heldenplatz“ zu Musik der beiden österreichischen Komponisten Friedrich Cerha und Kurt Schwertsik. Beide sind Doyens der Wiener Szene, beide haben ein Faible für dadaistische Sprachspielereien und satirische Verfremdungen. Auszüge aus Cerhas Zyklen „Eine Art Chansons“ und „Eine letzte Art Chansons“ werden in diesem Abend ergänzt durch Schwertsiks skurrile „Wiener Lieder“, teilweise in „Weaner“ Mundart. Gut, dass man in Hamburg zwei waschechte Österreicher im Ensemble hat: die Mezzosopranistin Ida Aldrian und der Bariton Moritz Gogg werden ihre heimatkundliche Kompetenz und ihren transalpinen Charme ganz in den Dienst der Sache zwischen sentimentalem Heurigenlied und dialektaler Arglist stellen. Die musikalische Leitung hat Volker Krafft.
Als Regisseur und Bühnenbildner stellt sich Christian von Götz vor. Er ist zwar Norddeutscher, studierte aber immerhin in Wien – und hat mit zahlreichen Inszenierungen ein Händchen sowohl für boshafte Komik als auch für experimentelles Musiktheater bewiesen.
Black Box 20_21: Wien: Heldenplatz. Cerha - Schwertsik – Bernhard
Inszenierung und Bühne: Christian von Götz
Konzept und Dramaturgie: Kerstin Schüssler-Bach, Francis Hüsers
Sa, 25.04.2015 20:00 - 22:30 Uhr
Di, 28.04.2015 20:00 - 22:30 Uhr
Do, 30.04.2015 20:00 und 22:30 Uhr
Sa, 2.05.2015 20:00 Uhr und 22:30 Uhr
Ort: Opera stabile, Kleine Theaterstraße
Online-Tickets
Preise: 10,- bis 15,- € (OS-C)
Ernst Jandl: Wien : Heldenplatz
Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit der Hamburgischen Staatsoper. Frau Dr. Kerstin Schüssler-Bach arbeitet dort als Leitende Dramaturgin und schrieb diesen Beitrag für das Journal Nr. 4 2014/2015.
Abbildungsnachweis:
Abbildungsnachweis:
Header: Burgtheater Wien, um 1900. Reproduction Number: LC-DIG-ppmsc-09208, Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C. 20540 USA
Galerie:
01. Thomas Bernhard, 1987 in Portugal. Wikipedia CC-BY-SA-3.0-de
02. Ansprache Adolf Hitlers am 15. März 1938 auf dem Helden-Platz in Wien. Bundesarchiv, Bild 183-1987-0922-500 / CC-BY-SA
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